Zur Haushaltskonsolidierung: Sparen - Koste es was es wolle!
Nicht nur Talkshow-Ökonomen, auch die meisten Medienberichterstatter stimmen in den Chor des "Sparens"; ein: "Auch ein Privatmann kann nicht mehr ausgeben als er einnimmt, sonst geht er pleite."
Aus den Koalitionsverhandlungen heraus kommen die entsprechenden Vorschläge:
- Ausgabenkürzungen,
- Abbau von Steuervergünstigungen,
- höhere Mehrwertsteuer etc.
Natürlich ist "Schuldenmachen" kein Konzept auf Dauer - auch nicht für Nationalstaaten. Aber für leistungsfähige Volkswirtschaften wie die Deutschlands, immerhin der dritterfolgreichste Wirtschaftsraum auf diesem Globus (Economist), liest sich das ganz anders. Von "Pleitegefahr" kann keine Rede sein.
In Zeiten wirtschaflicher Krise kommt dem staatlichen Handeln große Bedeutung als Impulsgeber für die Wirtschaft zu. Um die Konjunktur anzuschieben bräuchte es Mehrausgaben - auch über Schulden finanzierte. Sie ziehen weitere Investitionen u.a. aus der Privatwirtschaft nach sich. In Zeiten der Hochkonjunktur können dann gemachte Schulden wieder abgetragen werden.
Diese Logik ist der Mehrheit der Ökonomen in Deutschland fremd. Sie propagieren: Alle erfolgreichen Länder hätten zunächst einmal ihre Haushalte radikal in Ordnung gebracht. Dann sei der Aufschwung gekommen.
Es müsse daher die Neuverschuldung rasch sinken. Geringere Staatsausgaben oder gekürzte Steuervorteile bremsten zwar die Konjunktur weil man damit sozial Schwachen, Rentnern und Nachtarbeitern Geld und damit Kaufkraft wegnimmt. Aber wenn der Staat dann weniger Kredite aufnimmt und die Staatsverschuldung sinkt, werden auch Zinsen und Inflation sinken. Je schneller das passiert, so die Theorie, umso schneller sinken die Steuern. In der freudigen Erwartung auf niedrigere Steuern geben die Verbraucher deshalb schon vorab mehr Geld aus. Das gleiche die Kaufkraftverluste aus -also bringe die Haushaltsanierung Wachstum.
In der Wirklichkeit sieht es ganz anders aus:
Dem ersten Etat-Sanierungsversuch der Dänen 1992/93 folgte die Stagnation. Der zweite Versuch folgt erst als die Wirtschaft bereits deutlich wuchs. Der Aufschwung hatte eingesetzt, als die Staatsdefizite noch stiegen - nicht umgekehrt.
In Großbrittanien kam ab 1992 der Aufschwung, erst drei Jahre später der Abbau der Haushaltsdefizite - als sich die Volkswirtschaft das leisten konnte.
Im Amerika der Clinton-Regierung wurde zwar kräftig gespart. Die Konjunktur war allerdings vorher längst in Fahrt gekommen. Das Haushaltsdefizit in den USA sank erstmals 1993 als die Wirtschaft schon zwei Jahre kräftig wuchs.
Der Bonner Ökonom Jürgen von Hagen folgert aus Erfahrungen der Staaten in der Euro-Zone heraus "Zur erfolgreichen Sanierung braucht man Wachstum."
In vielen untersuchten Fällen half zu diesem Wachstum das Instrument einer Abwertung der eigenen Währung - ein Instrument das Deutschland gegenüber seinen wichtigsten Handelspartnern wegen fester Wechselkurse aber garnicht zur Verfügung steht.
Konsolidiert Deutschland nun bei Miniwachstum und stark aufgewerteter Währung seinen Haushalt, droht das selbe Desaster wie in den Niederlanden und Portugal. Aufgrund hoher Haushaltsdefizite wurden 2002 beide Regierungen von den Brüsseler Währungshütern zu drastischer Sanierung gedrängt. Nach kurzfristigen Haushaltserfolgen folgte die heftigste Rezession seit langem. 2003 schrumpfte nirgends im Euro-Raum die Wirtschaftsleistung so gewaltig. Das Ergebniss: In der jetzigen Krise steigen die Etatdefizite wieder.
Was folgt ist eine Spirale ohne Ende. Erneute Ausgabenkürzungen, bevorzugt im Sozialbereich, höhere Massensteuern und geringere öffentliche Investitionen - ein Teufelskreis, bei dem am Ende die Schulden höher sind wie vorher.
Die Folgen der Spar-Logik
Die geplanten Sparmaßnahmen sind Schritte mit höchst unerwünschten Nebenwirkungen ohne tatsächliche Besserungsaussicht.
Das bestätigen auch die neusten Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Es rechtnete verschiedene Varianten, die von einem Einsparvolumen von 16 Mrd. Euro pro Jahr ausgehen. Zur Klarheit: In den Koalitionsverhandlungen will man allerdings ein Einsparvolumen von 35 Mrd. erzielen - die hier beschriebenen Folgen werden also noch gravierender sein.
Die wahrscheinlichen Wirkungen nach der Modellrechnung des IMK sind schon schrecklich genug:
In der ersten Modellrechnung wird die Mehrwertsteuer auf 18 Prozent erhöht. Das Ergebnis: geringeres Wirtschaftwachstum und höhere Preise. Die Kaufkraft je Beschäftigtem würde um etwa 0,5 Prozent geringer. In Folge sinken die Gewinne der Unternehmen. Weil auch die höheren Steuer wegen der geringeren Kaufkraft nicht vollständig über die Preise weitergegeben werden können sinken die Gewinne sogar um rund 2 Prozent. Die Folge: Weiterer Beschäftigungsabbau und damit über steigende Arbeitslosigkeit noch weitere Kaufkraftreduzierung usw.
Die zweite Berechnung sieht die Streichung von Steuervergünstigungen und Ausgabenkürzungen bei den Staatsausgaben vor. Die Folge: Das Wirtschaftswachstum sinkt stark, die Kaufkraft der Beschäftigten werden wegen des Abbaus von Steuervergünstigungen kräftig gedrückt. Die Zahl der Beschäftigten sinkt um gut 200.000.
Das IMK rät deshalb: ";Eine Haushaltskonsolidierung sollte grundsätzlich nur in Phasen guten Wirtschaftswachstums erfolgen " -; dann aber auch konsequent;
Die jetzt angesteuerte Politik von schwarz/rosa bewirkt also gerade das Gegenteil von dem, was nötig wäre. Sie löst die Probleme nicht, sondern verschärft sie. Nicht zu hohe Löhne, Steuern oder Sozialkosten oder zuviel Regulierung verhindern mehr Wachstum und Beschäftigung, sondern zu geringe Massenkaufkraft und zu wenige öffentliche und private Investitionen. Die hohe Arbeitslosigkeit resultiert nicht aus fehlender internationaler Konkurrenzfähigkeit- der Export floriert und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ist so gut wie selten zuvor. Deutschland verzeichnet von allen Ländern der Welt die höchsten Exporte und Exportüberschüsse.
Das Problem ist die schwache Nachfrage im Inland. Sie ist der wichtigste Konjunkturfaktor. Während unser Sozialprodukt zu rund einem Drittel vom Export abhängt, sind zwei Drittel unseres Wohlstandes von der privaten und öffentlichen Binnenkaufkraft abhängig. In einer Volkswirtschaft - so lernt das jeder Ökonom im ersten Semester - ist das Einkommen des einen eben immer auch das Auskommen des anderen. Dazu kommt: Nur wenn mehr gekauft wird, wird auch mehr produziert. Die Unternehmen vergrößern ihre Produktionskapazitäten und investieren nur dann in neue Arbeitsplätze, wenn sie zusätzliche Absatzerwartungen haben – wenn nicht im Inland dann eben im Ausland. Warum also sollte ein Unternehmer in einem Markt investieren in dem die Löhne und Sozialeinkommen - der Verbraucher also - den Markt immer mehr schrumpfen lassen. Schließlich liegt Deutschland in der Reallohnentwicklung auf einem Abstiegsplatz. Unter allen relevanten Industrienationen verzeichnen wir einen Reallohnverlust von 0,9 % in den letzten zehn Jahren.
Deshalb braucht es zu einer wirklich anderen (Wirtschafts-)Politik drei ganz wesentliche Faktoren: Die Stärkung der Masseneinkommen, einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik und einer offensiven öffentlichen Investitionspolitik - dann klappts auch mit dem Wachstum.
Thomas Händel