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21.03.2005 | 17:02 | Alter: 2 Jahre | Kategorie: Politik

Von: Redaktion

Große Koalition und die Folgen

Nachdem die bisherige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis bei der Wiederwahl im Kieler Landtag gescheitert ist, bahnt sich in Schleswig-Holstein eine Große Koalition unter Führung der CDU an.

Joachim Bischoff und Björn Radke

 

In den bundesdeutschen Medien stellt man sich auf den bundesweiten Untergang des politischen Projektes "Rotgrün" ein. Dort wiederum werden Pressekampagnen wie auf den langjährigen Publikumsliebung unter den politischen Köpfen, Außenminister Joschka Fischer, oder die SPD-Politikerin Heide Simonis, jetzt zur Ursache des politischen Niedergangs stilisiert.

 

Das Ende von Rot-Grün in Schleswig-Holstein setzt die Regierungskoalition in Berlin weiter unter Druck - und sorgt für neue Unruhe bei SPD und Grünen in Nordrhein-Westfalen, wo Ende Mai gewählt wird. In Nordrhein-Westfalen hat die desolate Lage der Kieler SPD Nervosität ausgelöst. NRW-Landeschef Harald Schartau ermahnte seine Parteifreunde. "Wichtig ist, dass auch aus meiner Partei heraus für eine stabile Regierungsmehrheit gesorgt wird". Die noch amtierende Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD), die nach ihrer Wahlniederlage im Landtag am Freitag das Handtuch geworfen hatte, sprach sich für eine große Koalition aus. Nach Ansicht von Simonis sollte die SPD selbstbewusst verhandeln. Wichtig sei nun ein festes Bündnis, und zwar so schnell wie möglich, empfahl Simonis. Die Wirtschaftsverbände des Landes sind ebenso ein sicherer Rückhalt für die Maßnahmen einer Großen Koalition. Sie haben von Anbeginn gegen die Tolerierungs-Option von Rot-Grün und SSW polemisiert.

 

Die CDU bietet der SPD faire Gespräche über die Regierungsbildung an. Sie will aber weitergehende Forderungen durchsetzen als vor drei Wochen. "Jetzt gelten andere Preise", sagte der Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidat Carstensen. Der CDU Bundestagsabgeordnete Dietrich Austermann, der in Carstensens Schattenkabinett als Finanzminister vorgesehen ist, ergänzt: "Ich habe den Eindruck, dass die SPD verstanden hat, dass sie nicht die Bedingungen stellt." Die CDU ist hingegen weniger zurückhaltend, was die Bedingungen für eine große Koalition angeht. Wie immer in dieser Partei geht es zunächst um Posten und Personal. Carstensen machte seine Wahl zum Ministerpräsidenten zur Bedingung für eine Zusammenarbeit mit der SPD. "Ich bin zuversichtlich, dass wir uns einig werden. Die SPD ist sicher zu vernünftiger Zusammenarbeit bereit. Es gibt ja auch keine Alternative. Des weiteren soll der bisherige SPD-Finanzminister nicht der Regierung angehören. Außerdem will Carstensen den bisherigen Wirtschaftsminister Bernd Rohwer (SPD) für die Regierung gewinnen.

 

Auch bei den politischen Inhalten setzt die Union auf ihre "leadership". Die Einführung von Gemeinschaftsschulen, ein Projekt, auf das sich Rot-Grün mit dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) geeinigt hatte, lehnte Carstensen ab. "Damals waren wir in einer völlig anderen Situation. Jetzt gelten andere Preise." Dies macht für die Union insofern Sinn, weil sie eine Bildungskampagne "Für bessere Bildung - Gegen die Einheitsschule" betrieben hatte. Innerhalb weniger Wochen hat die Nord-CDU ihr selbst gestecktes Ziel, 20.000 Unterschriften gegen die Einheitsschule zu sammeln, bereits übertroffen. Die Nord-CDU sieht es als eine beachtliche Leistung innerhalb so kurzer Zeit so viele Unterschriften zu sammeln. Die Kampagne war von den Lehrerverbänden VDR und Philologenverband unterstützt worden, der Realschulförderverband habe sich sogar mit 2.000 Unterschriften beteiligt. Mit ihrem Konzept der Stärkung der Grundschulen und der leistungsbezogenen Weiterentwicklung der Schularten biete die CDU eine klare und überlegene Alternative."

 

Ansonsten stellt die Union ein hartes neoliberales Sparprogramm in Aussicht. Es sei möglich das Land zu regieren, ohne heutige Ansprüche durch jährlich neue und ständig steigende Schulden von künftigen Generationen bezahlen zu lassen. Die CDU will die finanzpolitische Handlungsfähigkeit wieder herstellen. Ihr Ziel, spätestens nach zehn Jahren einen Landeshaushalt ohne neue Schulden aufstellen zu können. Dieses Ziel haben auch alle anderen CDU-Länderregierungen propagiert, die Wirklichkeit sieht anders aus. Allerdings um die Mittel für die Wirtschaft freizubekommen wurden gewohnte, aber nicht zwingend erforderliche Aufgaben und Ansprüche an öffentliche Leistungen radikal gestrichen. Durch konsequenten Aufgaben- und Regelungsabbau sollen bis zum Ende der Legislaturperiode etwa 2000 Stellen abgebaut werden.

 

Was werden die Auswirkungen einer großen Koalition unter strikter Führung der CDU sein? Die sozialdemokratische Führung in NRW stellt sich auf einen Übergang zur großen Koalition ein. Gelingt es die Liberalen klein zuhalten oder gar aus dem Landtag hinauszudrängen steht auch in NRW der Übergang von einer heimlichen zu einer offiziellen Großen Koalition auf der Tagesordnung. Steinbrück, Schartau u.a. bekräftigen, dass sie vorbehaltlos die Konzeption der Agenda 2010 unterstützen. Der Standort Deutschland - und damit auch der Wirtschaftstandort NRW - müsse zu Beginn des 21. Jahrhunderts gründlich renoviert werden. Die Agenda 2010 habe einen Reformprozess in Gang gesetzt, der Anerkennung verdiene; er bringe auch Erfolge, die allerdings noch nicht vom Wahlvolk anerkannt würden. Es gehe um Augenmaß und Balance beim Soziallabbau sowie um den Zusammenhalt dieser Gesellschaft; daher gibt es eine patriotische Verantwortung der politischen Parteien, sich zu einigen und Gemeinsamkeiten zu entwickeln.

 

Ein politische Erneuerung kann es unter diesen Bedingungen für die Sozialdemokratie nicht geben. Bislang präsentierte sich die Sozialdemokratie als kleineres Übel beim Sozialabbau. Weil die SPD um den "Kitt" in der bundesdeutschen Gesellschaft fürchtet, präsentiert sie sich als Partei, die den Abbau des Sozialstaates bei gleichzeitiger Sicherung des sozialen Friedens gewährleisten kann. Bundeskanzler Schröder : "Wir sollten aber aufpassen, dass wir nicht kontraproduktiv wirken, wenn wir sie mit gesetzlichen Regelungen, die die Tarifautonomie schwerstens infrage stellen, überziehen; kontraproduktiv insofern, als die Konflikte in der Arbeitswelt dann statt im Parlament und in Diskussionen in Zukunft stärker als im letzten Sommer auf der Straße ausgetragen werden. Das möchte ich wirklich nicht. Ich will keine anderen Länder nennen, aber Sie kennen sie alle." Von dieser Positionsbestimmung ist es nur ein kleiner Schritt in eine "große Koalition", wenn eben ein vermeintlich unabänderlicher Anpassungsprozess politisch durchzusetzen ist.

 

Bei der Entscheidung für eine Große Koaltion sind die Interessen der Mehrheit der Bürger nicht gefragt. Laut einer DIMAP-Umfrage sprachen sich 32 % der Befragten für eine große Koalition aus, während 62 % Neuwahlen befürworten. Aber Neuwahlen können die herbeigeführte Legitimationskrise nicht aufheben. Das kann nur ein grundsätzlicher Politkwechsel.

Die Partei "Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" bildet inzwischen ein wählbares Angebot, um dem neoliberalen Einheitsbrei eine am Menschen und seinen Interessen orientierte Politik entgegenzusetzen.

 

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