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20.09.2005 | 10:22 | Alter: 2 Jahre | Kategorie: Politik, Positionen

 

Agenda 2010 abgewählt – Schwarz-Gelb hat keine Mehrheit

WASG und Linkspartei.PDS haben ein Spitzenergebnis in den vorgezogenen Bundestagswahlen erstritten. Es ist dem engagierten Wahlkampf des Linksbündnisses zuzuschreiben, dass Deutschland eine radikale Version der neoliberalen Agenda erspart bleibt.

Wichtig ist für die WASG auch: Wir haben mit unserem politischen Engagement dazu beitragen, dass rechtsextreme Parteien aus der großen Enttäuschung über die politische Klasse und die etablierten politischen Parteien keine relevante Unterstützung organisieren konnten.

Die SPD-Führung wollte mit den vorgezogenen Bundestagswahlen eine Bestätigung der Politik der Agenda 2010 erzwingen. Diese Absicht ist gründlich durchkreuzt worden. Zugleich gibt es in der Berliner Republik keine Mehrheit für die Brutalvariante der Zerstörung des Sozialstaates. Die FDP hat mit einer Zweitstimmenkampagne lediglich erfolgreich Wähler von den Unionsparteien zu sich herüberziehen können.

CDU/CSU mussten die Erfahrung machen, dass sie mit einer Politik des Bruchs mit der sozialen Marktwirtschaft, der Demontage von Sozialstaat und Arbeitnehmerrechten sowie der Infragestellung des demokratischen Rechtsstaats ihre Existenz als Volkspartei aufs Spiel setzen. Zweifellos ist der Unmut über ein intransparentes Steuersystem groß. Aber noch größer ist der Unmut darüber, dass nicht die Steuergewinnler und großen Subventionseintreiber, sondern Pendler, Schicht- und Wochenendarbeiter zur Kasse gebeten werden sollen. Ein Steuersystem ohne Lenkungswirkung, die Abschaffung der progressiven Besteuerung und die Gleichsetzung von Lohn- und Kapitaleinkommen führt zu keiner Dynamisierung der Wirtschaftsentwicklung sondern entzieht dem Gemeinwesen notwendige Mittel für Zukunftsinvestitionen und demontiert damit die Zivilgesellschaft. Wir wehren uns entschieden gegen den Versuch, eine Neuordnung des Steuersystems dazu zu nutzen, alle sozialstaatlichen Lenkungsnormen zu beseitigen.

Die Unionsparteien haben ihren Kompetenzvorsprung in der Finanzfrage eingebüsst. Ein wachsender Teil der WählerInnen begreift: die Radikallösung – gleicher Steuersatz für alle – verschärft die soziale Ungerechtigkeit bei der Finanzierung öffentlicher Aufgaben und ist ein Programm des Systemswechsels weg von der sozialen Marktwirtschaft.

Die rot-grüne Regierungskoalition hat im Wahlkampf Terrain gegenüber ihrem Meinungstief im Mai 2005 gut gemacht. In der Endphase des Wahlkampfs hat die Logik des kleineren Übels gegenüber der aggressiven Politik der Parteien des bürgerlichen Lagers enttäuschte Wähler und Kritiker der Agenda 2010 ein weiteres Mal zur Stimmabgabe für die SPD und die Grünen veranlasst. Rot-Grün hat bei der den Gesetzen der Agenda 2010 zwar untergeordnete Fehler eingeräumt, hat aber darauf bestanden, dass durch diese Umverteilungsoperationen zugunsten der Unternehmen und Reichen die Zukunft des Sozialstaates gesichert worden sei. Rot-Grün baue den Sozialstaat um, um ihn zu erhalten – das war die zentrale Botschaft im Wahlkampf. Gleichzeitig haben Schröder und Wahlwerbung der SPD eine linke Rhetorik zelebriert, die ausschließlich der Wählertäuschung diente. Diese Strategie ist durch das Linksbündnis nicht ausreichend agressiv bekämpft worden.

Das Ergebnis der vorgezogenen Bundestagswahl wird letztlich eine Regierung sein, die an der Logik der Agenda 2010 festhält. Alle Abgrenzungen gegenüber einer Politik von Schwarz-Gelb können nicht vergessen machen, dass auch eine Variante des Neoliberalismus light für viel Menschen mit sozialer Zerrüttung und Verlust an Lebensqualität verbunden ist.

 

Die nächsten Aufgaben

Nach wie vor ist die Parteienverdrossenheit ein großes Problem - rund 20% der WählerInnen haben auf die Ausübung ihres demokratischen Rechts verzichtet. Das Linksbündnis hat unter diesen Bedingungen ein hervorragendes Ergebnis erzielt. Es bleibt aber die große Herausforderung, weitere Schichten für eine wählbare und realisierbare Alternative zu gewinnen.

Die Aufgabe des Linksbündnisses ist eindeutig. Jede gegenwärtig gehandelte Regierungskoalition muss mit entschiedenem Widerstand rechnen. Wir bleiben dabei: Es gibt politisch-gesellschaftliche Alternativen zu ökonomischer Stagnation, Massenarbeitslosigkeit, Zerstörung der sozialen Sicherungssysteme, desaströsen öffentlichen Finanzen, ökologischem Raubbau und als Terrorismusbekämpfung kaschierter Kriegspolitik.

Die WASG hat einen herausragenden Anteil am Wahlerfolg der Linkspartei. Die Verständigung darauf, nicht konkurrierend zur PDS anzutreten, hat sich politisch als richtige Entscheidung erwiesen. Das zügige Zusammengehen zu einem Linksbündnis unter der Führung der Linkspartei.PDS war mit vielen Schwierigkeiten belastet: Die personellen Entscheidungen waren umstritten, die Wahlkampfführung war nicht konsequent auf Sachthemen und inhaltliche Aufklärung ausgerichtet. Gleichwohl haben beide Parteien im Wahlkampf hervorragend zusammengearbeitet. Nach diesem Wahlergebnis erwarten viele Wählerinnen und Wähler zurecht, dass WASG und Linkspartei.PDS an der nachhaltigen Absicherung des Wahlbündnisses weiterarbeiten.

Die WASG wird in den nächsten Monaten daran gehen, mit Augenmaß und Energie den Prozess der Vereinigung der Partien zu einem dauerhaften Linksbündnis voranzutreiben. Bei der Aufstellung der Wahllisten und im Wahlkampf war die WASG der kleinere Partner. Die WASG hat trotz aller Widrigkeiten einen eigenständigen Wahlkampf organisiert. Wir wollen die Vereinigung zu einer neuen Partei, allerdings beanspruchen wir die Zeit für unumgängliche Klärungsprozesse. Bei einer überhasteten Vereinigung würden ungeklärte politische Probleme unter den Teppich gekehrt und die Vereinigung würde selbst zu einer Operation der Führungen degenerieren und große Teile der Mitgliedschaft nicht mitnehmen.

Die Wahlalternative hat in den letzten Monaten beweisen, dass sie zu einem geschlossenen und zügigen Handeln in der Lage ist, wenn sie durch die politisch-gesellschaftlichen Umstände dazu aufgefordert wird. Die WASG wird sich dafür einsetzen, dass die gesellschaftliche Opposition gegen jedes neoliberales Umbauprogramm des Sozialstaates gestärkt wird.

Der Bundesvorstand
19.September 2005

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