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Die Nachricht.

21.03.2006 | 16:02 | Alter: 1 Jahre | Kategorie: Positionen, Politik

Von: Fritz Schmalzbauer

Der zweite Aufstand: In Frankreich kämpft die Jugend um ihre Zukunft

Quelle: SF-TV

Im November letzten Jahres standen die Vorstädte Frankreichs in Flammen. Es rebellierten Jugendliche, denen im eigenen Umfeld mit 40% Arbeitslosigkeit oder schlecht bezahlten Jobs ohne Perspektiven die Zukunft verbaut ist. Jetzt steht die Jugend des Mittelstandes auf den Barrikaden.

Trotz Abitur und Studium erwartet sie eine Arbeitswelt, die entweder an den Kassen von Supermärkten, in den Warteschleifen betrieblicher Praktikas oder in Arbeitslosigkeit (25%) einen schlechten Start ins Leben befürchten lässt. Die Aufhebung des Kündigungsschutzes für unter 26jährige brachte das Fass zum Überlaufen. Der Aristokrat Villepin hat den Kopf symbolisch unter der Guillotine. Möglicherweise lösen seine innerparteilichen Gegner, allen voran der Rechtspopulist Sarkozy, genüsslich den Mechanismus aus. Wie schon in alten Zeiten könnte aber er der nächste sein.

Was geht in Frankreich vor? 70% der Jugendlichen erreichen zwischenzeitlich ein Diplom – mindestens das Abitur. Dem stehen keine adäquaten Berufschancen gegenüber. Aus Praktikas, prekären Jobs oder Arbeitslosigkeit heraus lässt sich kein eigenständiges Leben organisieren. Da verlangen Vermieter bei jungen Menschen 6 Monatsmieten Kaution oder die Banken gewähren keine Kredite. Viele haben Glück, dass die Solidarität der Generationen eine unmittelbare Verelendung verhindert. Aber richtig glücklich macht es auch nicht, wenn die Kasse der Großeltern oder die Wohnung der Eltern unverzichtbar sind. Die 68ziger Generation stürmte in die Eliten. Die jetzige junge Generationen sieht in der Mehrheit die Hoffnung schwinden, je zu den Eliten vozustoßen.

Der „zweite Aufstand“ solidarisiert sich nicht mit den Vorstädten, viele fürchten sich davor, mit den Verelendeten in einen Topf geworfen zu werden. Trotzdem unterscheidet sie nur der Grad an Perspektivlosigkeit. Wichtiger ist da schon die Solidarität aus den anderen (organisierten) Generationen. Ältere, Frauen, weniger Qualifizierte sind mindestens genauso unzufrieden und obendrein die zuständige Elterngeneration. Deshalb bekommen die Gewerkschaften ein Gewicht, wenn sie sich in die Auseinandersetzung einbringen. Gleiches gilt für die politische Linke. Gelingt es ihnen, den Kern des Konfliktes zu politisieren, könnte der Neoliberalismus nach dem „Nein“ zur EU-Verfassung eine neue Schlappe erleiden.

Mit verklärten Augen blickt die deutsche Linke nach Frankreich. So eine Rebellion hätte man gerne hierzulande. Dabei stehen uns mehrere (überwindbare) Hürden im Weg. Erstens die deutsche Kleinstaaterei – nur ein zentralistischer Staat gerät so unmittelbar ins Visier. Zweitens die fehlende nationale Organisation von Schülern und Studenten, die ein gemeinsames Ziel formulieren könnte und drittens die Sozialdemokratisierung großer Teile der Gewerkschaften, denen scharenweise die Mitglieder abhanden kommen und trotzdem Sozial- statt Beschäftigungstarifverträge abschließen. Der öffentliche Dienst ist da ein Lichtblick, aber offenbar leicht zu isolieren. Trotzdem: der parlamentarische Erfolg der deutschen Linken lässt einen Spielraum erahnen, der auch die hiesigen Machtverhältnisse in Frage stellen könnte. Schnell beeilt sich die SPD zu erklären, sie wolle am Arbeitsrecht nichts ändern. Braucht sie auch nicht: Schon jetzt sind 7 Millionen Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen und durch Befristungen (arbeits-)rechtlos.

Konsequenz: Vor knapp zwei Jahren begann durch die öffentliche Mobilisierung die Demontage der „rot-grünen“ Regierung, wurde durch die Montagsdemos vor allem im Osten fortgesetzt und erreichte seinen politischen Ausdruck in der Wahlschlappe der ehemaligen Koalition in NRW. Damit verbindet sich die Gründungsgeschichte der WASG, die mit dem Schritt in Richtung Linkspartei und unterstützt durch das Bundestagswahlergebnis zu einer gesamtdeutschen Linken mit klaren Positionen gegen neoliberale Politik werden kann. Abgesehen vom Streik im öffentlichen Dienst bleibt Gewerkschaften und Sozialverbänden (Rente mit 67, erneute Verschlechterung des Kündigungsschutzes, stagnierende Lohnquote bei 7% Einkommenssteigerung aus Unternehmen und Vermögen, Gesundheitspolitik) aus Gründen der Glaubwürdigkeit gar nichts anderes übrig, als erneut eine Mobilisierung ihrer Mitglieder und Sympathisanten zu organisieren. Noch ist außerdem nicht klar, welche Auseinandersetzungen in der Tarifrunde der IG Metall bevorstehen. In diesem Stadium könnte die bundesdeutsche Linke durch ihre neue parlamentarische Stärke eine wichtige Rolle spielen, vorausgesetzt, sie lähmt sich nicht durch innere Kämpfe. Auch hierzulande kann man neoliberaler Politik Schranken setzen. Frankreich lässt grüßen.


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