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Die Nachricht.

07.11.2005 | 14:05 | Alter: 2 Jahre | Kategorie: Politik, Positionen

 

Frankreich: Die Gewaltspirale

(Quelle:dpa)

Die Nachrichten aus Frankreich überschlagen sich. Tausende Jugendliche liefern sich Schlachten mit der Polizei, Autos stehen in Flammen, massenhafte Verhaftungen, Verletzte vor und hinter den Barrikaden, Schießereien...

Der Regierung Chirac und dem Beckstein-Double Sarkozy fällt nichts besseres ein, als „Sicherheit und Ordnung“ an die erste Stelle zu rücken.

 

Die Schuld für den Zustand in den Vorstädten schiebt die Regierung denen in die Schuhe, die vor zwanzig Jahren mit großangelegten Programmen die "Cités"“, also die Mietshäuser in den Vorstädten, geplant und finanziert hatten: Die sozialistisch-kommunistische Regierung Mitterrand und die entsprechenden Bürgermeister im Gürtel um Paris und in anderen Großstädten.

 

Damals ging es um menschenwürdiges, hygienisches Wohnen in Zentren des sozialen Wohnungsbaus. Für viele Familien – Franzosen wie Migranten aus den französischen Kolonien – war das eine Verbesserung ihrer Lage. Allerdings fand man auch genug Arbeit und Ausbildungsplätze, um sein Leben selbstständig organisieren zu können. Nicht zu vergessen: die Mietssteigerungen in den Zentren, die viele Menschen in die Vororte verdrängte.

 

Heute hat sich die soziale Lage in diesen Cités dramatisch verändert: Jugendarbeitslosigkeit, keine Perspektive, den Reichtum und die Chancen einer Klasse von Bürgern in anderen, vornehmen Vierteln oder im Fernsehen provokativ vor der Nase. Da genügt ein sprichwörtlicher Funke, um das Pulverfass in Brand zu stecken. Der Bevölkerungsteil aus Afrika ist in besonderem Maße in diesem Teufelskreis mangelnder Schulbildung, fehlender Arbeitsplätze und keiner gerechten Teilhabe an der bürgerlichen Gesellschaft gefangen.

 

Längst hat sich eine Parallel-Gesellschaft etabliert, die durch den RMI (Sozialhilfe zu einer Eingliederung, die nie stattfindet) stillgehalten werden soll. Diese Gesellschaft vornehmlich junger Menschen hat ihre eigenen Gesetze, meist das Recht des Stärkeren, aber auch eine Solidarität unter den Ausgegrenzten. Gewöhnlich mischt sich der Staat nicht ein. Polizeistreifen machen einen großen Bogen, Schulen sind für die dort beschäftigten LehrerInnen entweder eine politisch motivierte Passion oder ein Strafkommando. VerkäuferInnen in den Supermärkten oder Busfahrer fühlen sich bedroht – vor allem die Aggression, die sich gegen letztere richtet, hat schon oft genug zu Streiks geführt.

 

Wer am glänzenden Parkett im Elysee den Sonnenkönig spielt, möchte von den Schattenseiten seines Reiches nichts wissen, bis ihn die Realität einholt.

 

Revolten dieser Art sind nicht einmalig, nur das Ausmaß wird mit den ungelösten Problemen immer größer. Eine Politik der „harten Hand“ trägt schon den Keim des nächsten Aufruhrs in sich. Statt zu provozieren, wie das Innenminister Sakorzy (absichtlich?) getan hat, wird nur eine sozialökonomische Lösung die Lage beruhigen. Gewalt gegen Menschen, die nicht das Geld haben, ihr Auto in eine Garage zu sperren, ist kriminell. Die Frage bleibt trotzdem, wer die Gewaltspirale zu verantworten hat.

 


Und in Deutschland?

 

In den „Armenhäusern“ im Osten oder in den alten Industrie-Regionen? Auch hierzulande tanzt die bessere Gesellschaft auf einem Parkett, auf dem man leichter in Rutschen kommt, als man anzunehmen bereit ist. Sparen – fragt sich nur, mit welcher Wirkung. Und vor allem: Wer hat von den Steuererleichterungen der Vergangenheit profitiert? Der neoliberale Zug seit Kohl hat auch bei uns die Gesellschaft immer stärker gespalten. Immer mehr Unternehmen vernichten Arbeitsplätze, immer weniger ist der Staat bereit, seinen grundgesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen.

 

Die „bayrisch-sächsische Zukunftskommission“ hat schon vor Jahren vorgearbeitet. Je stärker die Lasten zugunsten einer Minderheit verteilt werden, je mehr sich der Staat aus sozialen Verpflichtungen zurückzieht, desto mehr hat er eine Überwachungs- und Ordnungsfunktion zu gewährleisten. Außerdem hat sich die SPD ihren Eintritt in die Regierung Ende der Sechziger Jahre mit einem Notstandsgesetz erkauft, das zwar durch öffentlichen Druck begrenzt, aber durch die jüngste Terroristen-Paranoia der Herren Schily und Beckstein freiheitsfeindlich erweitert wurde. Gerade stricken die Großkoalitionäre an neuen Überwachungsplänen. Sie haben die politischen Zeichen der Wahlen nicht erkannt. Ein Ergebnis ist die Zustimmung für die Linkspartei, die sicher noch höher ausgefallen wäre, hätte nicht eine scheinradikale Sozialrhetorik die Realpolitik von Rot/Grün übertüncht. Auf Dauer lässt sich dieser Spagat nicht durchhalten.

 

Wir brauchen als Linkspartei eine Kritik, die von unseren Zielgruppen als Lösung verstanden wird. Elendsrevolten sind verständlich, dienen jedoch nur allzu leicht den Herrschenden als Vorwand, Freiheiten noch mehr einzuschränken. Darum müssen wir politische Antworten auf Massenarbeitslosigkeit, Kaufkraftschwund, ungerechte Bildungssysteme und Vertiefung der gesellschaftlichen Spaltung aufzeigen und in demokratische Bewegungen einbringen.

 

Fritz Schmalzbauer/Klaus Ernst

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