Die Nachricht.
Keine Stimme für unsoziale Politik!
Wenige Tage vor der Bundestagwahl ist immer noch ein großer Teil der WählerInnen (30%) über die Stimmabgabe unentschlossen.
Dies ist vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass es eine erhebliche Politisierung über die gegenwärtige politisch-gesellschaftliche Situation und die weitere Entwicklung gegeben hat. Die Wahlbeteiligung dürfte höher ausfallen, aber gleichwohl bleiben viele Wähler skeptisch.
Diese Distanz zu den politischen Parteien und zum politischen System hat mit der Einschätzung zu tun, dass die Bundesrepublik in einer hartnäckigen ökonomischen Stagnation steckt und die Erwartungen der Bevölkerung in einen gesellschaftlichen Aufbruch sehr tief gehängt sind. „Nur ein Drittel der Bevölkerung geht davon aus, dass tiefgreifende Reformen Garant einer besseren Zukunft sind. Weitere 37 Prozent gehen jedoch davon aus, dass sich der Lebensstandard der Mehrheit zumindest nicht negativ verändern wird, wenn in den nächsten Jahren tiefgreifende Reformen durchgeführt werden.“
Die spektakulären Veränderung im Meinungsklima der letzten Wochen haben mit dieser Einstellung zu tun. Die Allzweckwaffe Kirchhof hat sich als Rohrkrepierer entlarvt. Die Unionsparteien haben ihren Kompetenzvorsprung in der Finanzfrage eingebüsst. Ein wachsender Teil der WählerInnen begreift: Die vermeintliche sozialgerechte Radikallösung – gleicher Steuersatz für alle – verschärft die soziale Ungerechtigkeit bei der Finanzierung öffentlicher Aufgaben und ist ein Programm des Systemswechsels weg von der sozialen Marktwirtschaft. Jetzt ist der frühere Finanzexperte der CDU Friedrich Merz wieder ausgemottet worden und das Team Kirchhof, Merz soll der Union die verloren gegangene Kompetenz in Finanzfragen zurückbringen.
Die SPD hat in den verbleibenden Tagen ein polarisierendes Wahlkampfthema von der Union serviert bekommen – und für sich genutzt. Die Angriffe gegen Kirchhof und seine geheime Liste mit Steuervorteilen und Subventionen wurden zum Wahlkampfknüller hoch stilisiert und den WählerInnen wird in diesen Tagen in großen Anzeigen unter dem Motto „Die SPD ist die einzige Kraft, ... die für wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit steht.“ gegenübergestellt:
-SPD stehe für soziale Marktwirtschaft, Faire Steuern, für Kündigungsschutz, für Bürgerversicherung, für moderne Familienpolitik, für Chancengleichheit,
- CDU stehe hingegen für Kirchhof-Kahlschlag, höhere Mehrwertsteuer, Willkür, Kopfpauschale, konservativer Rückschritt, Studiengebühren
Rotgrün hat sich mit der Kritik an der unsozialen Finanz- und Reformkonzeption der bürgerlichen Parteien doch deutlich verloren gegangenes Terrain zurückholen können. Mit dieser massiven Werbung, sich wiederum einmal als kleineres Übel zu präsentieren, konnte die Linkspartei nicht mithalten. Die Sozialdemokratie überzeugt ein weiteres Mal mit Wahlbetrug. Bitter für die Linkspartei ist der deutliche Verlust auf dem Kompetenzfeld „soziale Gerechtigkeit“.
Rotgrün setzt auf Vergesslichkeit der WählerInnen
Dabei ist unstrittig: die rotgrüne Koalition steht für eine Fortsetzung der Agenda 2010 und eine Fortsetzung der desaströsen Steuersenkungspolitik. Der Wahlbetrug ist offenkundig, denn wie die Agenda 2010 wirkt, erfahren die WählerInnen täglich über die Medien:
- Die Behauptung, dass die Arbeitsmarktreformen greifen, ist absurd. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Langzeitarbeitslosen erhalten lediglich kleinere Aufbesserungen des ALG II. Die Jugendarbeitslosigkeit ist nicht zurückgegangen und die Ausbildungsplatzsituation ist katastrophal.
- Nach der Ausweitung der Zuzahlungen (Praxisgebühr, Rezepte, Krankenhaus) und der Ausgliederung von Leistungen (Zahnersatz, Krankengeld) war eine Absenkung der Beiträge zu den gesetzlichen Krankenkassen in Aussicht gestellt. Es wird diese Absenkungen nicht geben. Angesichts der Entwicklung bei Arzneikosten und Honoraren für ärztliche Leistungen stehen im kommenden Jahr weitere Umschichtungen zulasten der Versicherten ins Haus.
- Besonders krass ist die Diskussion um das Rentenalter und Rentenfinanzen. Ende des Jahres wird der Bund mit einem dreistelligen Millionenkredit den Rentenkassen beispringen müssen. Trotz der »Reformen« – Riester-Rente, Nachhaltigkeitsfaktor und Nullrunden – sind die Altersrenten nicht sicher. Die anhaltende Debatte um eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 oder 70 Jahre erhöht die Unsicherheit.
Weder die bürgerlichen Parteien noch Rotgrün stellen diese Probleme in das Zentrum ihrer Wahlauseinandersetzung und legen die BürgerInnen dar, wie eine Besserung erreicht werden kann.
Ob die berühmte Streichliste aus dem Finanzministerium von Finanzminister Eichel bestellt worden ist oder nicht, ändert an der Tatsache wenig: auch Rotgrün würde bei Verlängerung der Regierungsverantwortung eine der größten Sparaktion der Geschichte der Bundesrepublik auflegen.
Die Linkspartei tritt für einen radikalen Politikwechsel ein. Wir wollen aus ökonomischen Gründen wie wegen der sozialen Gerechtigkeit kein weiteres Steuersenkungsprogramm und keine weiteren Umverteilungsoperationen zulasten der ArbeitnehmerInnen, RenterInnen und Arbeitslosen.
Wir sagen, die Hauptaufgabe des Sozialstaates und sein größter Erfolg bestehen darin, die soziale Unsicherheit in den Griff bekommen zu haben, die sozialen Risiken effizient reduziert und breiten Bevölkerungsschichten soziale Sicherheit verschafft zu haben, was die Voraussetzung für Individualitätsentwicklung ist. Demgegenüber hat die Sozialdemokratie die neoliberale Grundphilosophie übernommen, die soziale Sicherung sei zu üppig. Es gelte, die Menschen aus Versorgungsabhängigkeit zu befreien.
Gegen die Rückkehr von Arbeitslosigkeit und Armut hat dieses neoliberale Grundrezept nicht geholfen. Mehr noch: die Demokratie wird beschädigt.
Wer den Sozialstaat abschaffen will, zerstört auch die Demokratie.
Eine andere Politik ist nötig
Ein Politikwechsel ist wählbar und realisierbar.