Die Nachricht.
Rot-grüne Götterdämmerung: Die Wahlalternative als Kapitalisten-Schreck
In NRW geht nach 39 Jahren die SPD-Herrschaft zu ende. Die Wahlen sind verloren. Laut Umfragen schwankt der Vorsprung von CDU und FDP vor Rot-Grün zwischen fünf und elf Prozentpunkten.
»Die Wahl wird in den letzten Tagen entschieden.« hatte die SPD unentwegt behauptet. Selbst wenn nach der jüngsten Umfrage von Infratest-Dimap zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen die SPD stärker geworden als in den letzten Wochen gemeldet, würden die Sozialdemokraten gegenüber ihrem Landtagswahlergebnis aus dem Jahr 2000 (42,8%) etliche Prozentpunkte verlieren. Alle Umfragen stimmen im wesentlichen in folgenden Punkten überein:
- die SPD leidet vor allem am Problem einer Mobilisierung ihrer Stammwähler.
- 48 Prozent von allen Bürgern halten die SPD für unglaubwürdig, weil sie von Kapitalismuskritik redet, aber Sozialstaatsabbau betreibt.
- Lediglich 37 Prozent von allen Bürgern würden sich aufgrund der Durchführung der kontroversen Sozialreformen ("Hartz IV") für die SPD entscheiden.
Die rotgrüne Koalition steht vor dem Scherbenhaufen ihrer Politik und ihres politischen Projektes. Die angebotspolitische Rosskur (Agenda 2010) hat -erwartungsgemäß - die ökonomische Talfahrt der Republik beschleunigt. Weder die Rentenkassen noch die Krankenversicherungen sind saniert. Die Arbeitslosigkeit ist höher, allerdings ist es gelungen sie für die Gesellschaft preiswerter zu machen. Die Steuersenkungen haben erfolgreich die öffentlichen Haushalte zerrüttet. Selbst Finanzminister Eichel spricht von einer äußerst prekären ökonomisch-finanziellen Konstellation.
Angesichts dieses politischen Fiaskos und der niedrigen Umfragewerte für SPD und Grüne im Bund und in Nordrhein-Westfalen nimmt in der rot-grünen Koalition in Berlin die Nervosität zu. Im SPD-Apparat gibt es Befürchtungen, die Partei könne in Nordrhein-Westfalen noch schlechter abschneiden als derzeit vorausgesagt und das rot-grüne Bündnis rasch zerfallen.
Im Unterschied zu anderen Landtagswahlen wird die politische Auseinandersetzung und die Wahlentscheidung auch auf den Finanzmärkten mit unverhohlener, keineswegs klammheimlicher Freude verfolgt. Denn vom Ausgang dieser Wahl, bei der 13 Millionen Wahlberechtigte über die Zusammensetzung des Düsseldorfer Landtags entscheiden, hängt auch für die Anleger viel ab. Die Wahl ist entscheidend für die weitere politische Entwicklung in der Bundesrepublik .
"Egal wie die Entscheidung vom 22. Mai ausfällt - sie hat denkbar weitreichende Auswirkungen auf die Diskussion über die Agenda 2010" sagt Tammo Greetfeld von der HVB Group und dürfte damit den politischen Tenor unter Börsianern treffen. Auf den Finanzmärkten wünscht man sich mit großer Mehrheit einen Regierungswechsel. Dies würde als Signal für einen Politikwechsel auf Bundesebene nach rechts gewertet.
Wenn Börsianer erzählen ...
Eine große Koalition in NRW ist aus Sicht der Börsianer die zweitbeste Lösung. Bundeskanzler Schröder könne sich dann zwar zugute halten, dass die Wähler die Sozialdemokratie trotz der Belastungen durch seine Reformpolitik weiter unterstützen, und dürfte damit als moderat positiv für den Aktienmarkt aufgefasst werden. Denn die Kapitalmarktakteure halten ja die Reformen bei aller Kritik im einzelnen für einen Schritt in die richtige Richtung,
Ein solcher Ausgang könne andererseits auch den SPD-Linken Auftrieb geben. In der Sozialdemokratie könnte sich demnach die Einschätzung durchsetzen, die Sozialdemokraten hätten ihren Erfolg den jüngsten Attacken gegen die "Heuschrecken" (Parteichef Müntefering über internationale Investoren) zu verdanken. "Wie zuletzt an der Kapitalismuskritik deutlich wurde, ist die SPD hinsichtlich der Reformpolitik gespalten, die Diskussion vor dem NRW-Termin ist als Wahlkampfrhetorik zwar nicht unbedingt ernst zu nehmen, die Diskussion nach der Wahl dagegen um so mehr."
Daniel Eckert von der Tageszeitung „DIE WELT“ spürt geradezu die „Anspannung vor wichtiger NRW-Wahl“. Das Ergebnis des Urnengangs „gilt auch als Weichenstellung für den deutschen Aktienmarkt (13.5.2005): Gestärkt werden könnte die Position der Reformgegner in der Regierung auch durch einen Erfolg der neu gegründete Linkspartei "Arbeit und soziale Gerechtigkeit - die Wahlalternative" (WAsG), die in NRW zum ersten Mal antritt. Sollte die aus dem Protest gegen die Agenda 2010 hervorgegangen neue Partei überraschend in den Landtag einziehen, wäre dies Wasser auf die Mühlen jener Sozialdemokraten, die der Meinung sind, dass sich die SPD stärker nach links profilieren muss, um nicht noch mehr Wähler zu verlieren.
Ein solcher Rückfall in klassenkämpferische Rhetorik würde von den Börsianern negativ aufgenommen. "Internationale Investoren werden sich nur dann wieder verstärkt am deutschen Aktienmarkt engagieren, wenn die Reformen beschleunigt fortgesetzt werden", sagt Edmund Shing, Stratege bei Julius Bär. Die jetzige Restrukturierungsphantasie sei schon weitgehend in den Kursen eingepreist. "Umgekehrt heißt das: Kommt es aufgrund des Wahlausgangs zu einer Verlangsamung der Reformen, drohen am Aktienmarkt Rückschläge."
Fehlt eigentlich nur noch der Hinweis auf den drohenden Untergang des Abendlandes. Wir erleben jetzt schon den Beginn des Bundestagswahlkampfes und sollten uns darauf vorbereiten.
Die Redaktion
13. Mai 2005