Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit
Eine andere Politik ist möglich!

Die Nachricht.

20.04.2006 | 11:01 | Alter: 1 Jahre | Kategorie: Positionen, Politik

Von: Christine Buchholz und Thomas Händel

Die Chance ergreifen

Mit der Vorlage der "Inhaltlichen Positionen für einen gemeinsamen Wahlkampf von Linkspartei.PDS und WASG" am 6.4.2006 gibt es endlich eine politische Grundlage für einen gemeinsamen Antritt von WASG und Linkspartei.PDS in Berlin. Sie sind von Vertretern der Minderheitsposition in der Berliner WASG, Vertretern der Linkspartei.PDS mit Unterstützung von Akteuren aus der Bundesebene beider Parteien und der Fraktion verhandelt.

Zwar gibt es am Zustandekommen und an der Art der Veröffentlichung einige Kritik, doch auch Rouzbeh Taheri, Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstandes der WASG-Berlin, hat in der Berliner Zeitung vom 7.4.2006 festgestellt, das Papier enthalte viele der von der WASG seit Monaten geforderten inhaltlichen Bestimmungen für einen Wahlkampf. Somit kann es für die WASG-Berlin einen tragfähigen Kompromiss darstellen. Dies hat der Landesvorstand bei den Gesprächen zwischen LV und Bundesvorstandsvertretern zu diesen Ergebnissen auch erkennen lassen.

Der Landesvorsitzende der Linkspartei.PDS, Klaus Lederer, hat sich diese Positionen zu eigen gemacht. Dem Landesparteitag der Linkspartei.PDS Berlin am 7.4.2006 lagen diese “Inhaltlichen Positionen für einen gemeinsamen Wahlkampf von Linkspartei.PDS und WASG“ vor. Dieser Landesparteitag hat der Aufnahme in das Wahlprogramm zugestimmt. Mit diesen Positionen hat sich die Linkspartei.PDS deutlich auf die WASG zu bewegt.

Es tun sich gemeinsame Handlungsspielräume nicht nur im Kampf gegen weitere Wohnungsprivatisierungen und beim Zurück in bundesweite Tarifbindungen auf.

Zudem will die Linkspartei mit der Einführung der Schule für alle (also ein einheitliches Schulsystem bis zur 10. Klasse) ein Thema ins Zentrum des Wahlkampfes stellen, das angesichts der Debatte um die Rütli-Schule die SPD unter Druck setzen und die CDU, die das Thema nutzen wird, um im Wahlkampf rassistische Vorurteile zu bedienen, angreifen wird.

Die WASG-Berlin hätte nun eine politische Grundlage, sich an einem gemeinsamen Wahlkampf auf der Basis dieses Kompromisses zu beteiligen. In diesem Wahlkampf hätte sie die Chance, in einen Prozess gemeinsamer Debatte und Praxis mit den Gliederungen und Mitgliedern der Linkspartei.PDS einzutreten. Mit der weiteren Unterstützung durch bundesweite Kampagnen (wie der Mindestlohnkampagne) könnten beide Schritte machen, die Berliner Bevölkerung für antineoliberale Politik zu gewinnen.

Das Kooperationsabkommen III - endlich einmal offensiv genutzt statt ständig verunglimpft - gäbe der Berliner WASG die vertragliche Grundlage, aktiv an Wahlkampfgestaltung und Listenaufstellung beteiligt zu werden. Die gemeinsam entwickelten Positionen müssen jetzt als eine Basis für weitere Diskussionen und Konkretisierungen verstanden und genutzt werden.

Dennoch bezeichnet der Landesvorstand nun in neuesten Veröffentlichungen die “inhaltlichen Positionen“ als unakzeptabel und unverbindlich.

Diese Haltung entspricht der bekannten Vorgehensweise des Berliner Landesvorstandes. Mit seiner Blockadehaltung in den letzen Monaten hatte er seinen Beitrag dazu geleistet, ernsthafte Gespräche zu verhindern. Dabei wird völlig verkannt, dass alle, die ihr Bekenntnis zur Neuen Linken mit der Linkpsartei.PDS nicht als Floskel verstehen wollen, sich in einen Verständigungsprozess darüber begeben müssen, wie linke Politik in Berlin als Teil der Politik der neuen Linken in Deutschland aussehen soll.

Der Landesvorstand der WASG Berlin bezeichnet das Vorgehen des Bundesvorstandes und der Berliner Minderheitsvertreter als undemokratisch; dieser Vorwurf verfängt nicht.

Der Bundesvorstand verhandelte mit dem eindeutigen Auftrag einer bundesweiten Urabstimmung, dem Auftrag des Länderrates vom Dezember 2005 und dem von den legitimierten Vorständen beider Parteien abgeschlossenen Kooperationsabkommen. Dieses Vorgehen sowie die Unterstützung von Oskar Lafontaine, Uli Maurer und anderen hat erst zu dem jetzigen politischen Ergebnis geführt, das einen Ausweg aus der verzwickten Lage möglich macht.

Der Landesverband Berlin hatte jedoch vor Ausschöpfung inhaltlicher Verhandlungsmöglichkeiten mit der Einreichung der Wahlbeteiligungsanzeige administrative Fakten geschaffen. Die Weigerung, diese Wahlanzeige bis zum Bundesparteitag zurückzuziehen, um die Diskussion wieder zu öffnen und eine Entscheidung auf dem Bundesparteitag zu fällen, zeigt uns leider, dass der Landesvorstand sich alle Türen offen halten will, um noch vor dem Bundesparteitag irreversible Entscheidungen zu treffen. Die Einreichung der Landesliste könnte z.B. ein solcher Schritt sein. Eine bereits eingereichte Landesliste kann nicht durch Parteitage oder Parteigremien, sondern nur durch zwei Vertrauensleute zurückgenommen werden.

Unser Vertrauen in einige führende Vertreterinnen und Vertreter des Berliner Landesverbandes ist ob dieser Verfahrensweise erschüttert. Immer wieder mussten wir erfahren, dass der eigenständige Antritt vor eine politisch-inhaltliche Klärung und letztlich vor den erklärten Mitgliederwillen der Gesamt-WASG gesetzt wurde. So wurde die Entscheidung über den eigenständigen Antritt, trotz eindringlicher Bitten der wahlkampfführenden Landesverbände im Westen Anfang März, also in der heißen Wahlkampfphase, getroffen. Die Folgen sind bekannt.

Damit steht dieses Vorgehen in völligem Gegensatz zu dem des Landesverbandes NRW: Er hatte seine zunächst stark umstrittene Kandidatur zu den Landtagswahlen im März 2005 vom Votum der Bundesdelegiertenkonferenz in Nürnberg im November 2004 abhängig gemacht.

Wir sind von Anfang an für eine politische Lösung des Konfliktes eingetreten; die Diskussion um die inhaltlichen Positionen sind für uns entscheidend, um die neue Linke voranzubringen.

Wir haben seit dem Herbst letzten Jahres als Bundesvorstand immer wieder formuliert, dass ein "weiter so" in Berlin nicht möglich ist, und verlangt, dass sich die Linkspartei bewegt. Und sie bewegt sich zweifellos.

Wie sich WASG und Linkspartei nun aber zu den konkret aufkommenden Fragen verhalten werden, ist jetzt auf Basis der erarbeiteten Grundlage zu diskutieren und vor allem in den Details zu konkretisieren.

Der Bundesvorstand hielt es in den vergangenen Tagen für geboten zu handeln, um das Interesse der Gesamtpartei zu wahren. Wenn ein Landesverband sich weigert, sein Vorgehen in Zusammenarbeit mit der Bundesorganisation und den anderen Landesverbänden zu beraten und zu entscheiden, ist der Bundesvorstand in der Verantwortung für die Gesamtpartei gefordert, seine Handlungsmöglichkeiten respektive die Aufträge der Satzung zu nutzen.

Die gesamte Partei hat wiederholt die Bildung einer neuen linken Partei in ganz Deutschland als ihr politisches Ziel und vorrangiges Interesse bekräftigt. Ein Scheitern des Parteibildungsprozesses ausschließlich durch Handlungen eines Landesverbandes kann deshalb nicht mit der "Wahrung der demokratischen Grundprinzipien" der WASG bemäntelt werden.

Nicht nur bei uns, auch in der Linkspartei gibt es Vorbehalte gegen den Parteibildungsprozess. Etliche müssen sich ändern und so manches aufgeben.

Manche betreiben aktive Obstruktion.

Wir wissen um die Versuche von interessierten Kreisen, die Fraktion in ihrem Bestand anzugreifen. Die Anfechtung der Bundestagswahl auch mit Belegen aus unserem Wahlantritt wird von bedeutenden Fachleuten vorbereitet; wir stehen unter besonderer Beobachtung. Die Zerschlagung der Fraktion wäre mit erheblichen finanziellen Risiken und mit enormen Rückwirkungen auf die politische Arbeit verbunden. Eine Anfechtung der Bundestagswahl käme mit Sicherheit nicht zu dem für uns wahltechnisch günstigsten Zeitpunkt. Unsere (partei-)politischen Gegner schlafen nicht - sie haben den Kampf gegen eine starke Linke in Deutschland noch längst nicht aufgegeben. Uns zu desavoieren und zu zerschlagen bleibt ihr nachdrücklich verfolgtes Ziel.

Wir sind angetreten, die vielen von der Politik der neoliberalen Koalitionen Enttäuschten für gemeinsamen Widerstand gegen eine antineoliberale Politik und für die gemeinsame neue Linkspartei  zu gewinnen. Das setzt eine inhaltliche Klärung unserer gemeinsamen Positionen voraus - wohl wissend, dass wir nicht alle Fragen in Reinkultur geklärt haben werden, bevor wir die neue Partei gebildet haben. Auch das ist kein Manko, sondern eher ein Prädikat für eine gemeinsame Linke, zu deren politischer Kultur eben das harte Ringen um den richtigen Weg gehört.

Erste programmatische Positionen liegen vor - die Diskussion um das Eckpunktepapier beginnt, und verschiedene Akteure melden sich in der Diskussion zu Wort. Wir haben erfolgreiche praktische Zusammenarbeit vielerorts entwickelt und in Wahlkämpfen praktiziert. Die jüngste Urabstimmung hat uns auf diesem Weg bekräftigt. Bis zum Herbst sollen Vorschläge für ein Programm, eine Satzung und den zeitlichen und organisatorischen Ablauf der Neubildung vorliegen. Der Bundesparteitag hat nun den Auftrag, die weiteren Schritte bis zu einer endgültigen Entscheidung über das Ergebnis zu definieren.

So wie wir andere in Europa im September letzten Jahres motiviert haben, sollten wir nun motiviert sein von anderen: Der Erfolg der französischen Bewegung gegen das Kündigungsschutzgesetz, eine Reihe harter und mutiger Arbeitskämpfe in Deutschland und der Erfolg der italienischen Linken sind ein eindeutiges Zeichen: Im Bündnis mit Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und einer geeinten politischen Linken sind Kampferfolge gegen den Neoliberalismus möglich, die zersplittert in den letzten Jahren undenkbar gewesen wären.

Ein eigenständiger Wahlantritt in Berlin ist solch ein Kampferfolg aber nicht; ein solcher Wahlkampf könnte sich nur als Wahlkampf gegen die Linkspartei.PDS und damit gegen das gemeinsame Projekt definieren und ist dafür prädestiniert zu schwächen. Ein eigenständiger Antritt enttäuscht diejenigen, die mit großer Hoffnung auf die bevorstehende Einigung der Linken gesetzt haben.

Wir wissen: Das wird nicht einfach und sicher kein Kinderspiel - viele und harte Debatten werden noch zu bestreiten sein.

Wir appellieren heute an die Geduld und Weitsicht aller Beteiligten, Widersprüche zu diskutieren und ihnen nicht auszuweichen. Wir haben viel zu gewinnen. Das sollten wir nicht vorschnell verspielen.

Und: Von außen verändern wir derzeit vielleicht nur die Papierlage - von innen aber verbessern wir die Chancen auf eine reale Veränderung der Politik. Mit puristischen und maximalistischen Positionen wird das nicht gelingen.

Wir fordern von allen Beteiligten, in der Frage der Positionierung zu den Abgeordnetenhauswahlen das Votum des nächsten Bundesparteitages der WASG abzuwarten und dessen Votum nicht von vorne herein zu entwerten.

Das setzt voraus, dass in Berlin von keiner Seite, weder vom Landesvorstand noch vom Landesparteitag der WASG Fakten geschaffen werden, die einen gemeinsamen Antritt faktisch unmöglich machen und damit den Bundesparteitag vor vollendete Tatsachen stellen.

Berlin / Fürth, den 11.4.2006

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