Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit
Eine andere Politik ist möglich!

Die Nachricht.

18.11.2005 | 18:22 | Alter: 2 Jahre | Kategorie: Politik, Positionen

 

Die sozialdemokratische Aufgabe dieses Jahrhunderts: "den globalen Kapitalismus zivilisieren."

(Quelle:ZDF)

Dies ist die zentrale Botschaft des abgeschlossenen SPD-Parteitages. Den Kapitalismus zivilisieren mit der Politik der großen Koalition und einem neuen Grundsatzprogramm.

 

Zunächst bekräftigt die SPD, die Agenda 2010 sei die nötige Antwort auf strukturelle Veränderungen in unserem Land. „Sie ist die sozialdemokratische Antwort auf Globalisierung und das Älterwerden unserer Gesellschaft.“ Manche Reformerfolge seien schon erreicht, vieles fange erst an zu wirken, manches müsse noch begonnen werden. Aber: „Mehr Wachstum und vor allem mehr Beschäftigung erreichten wir nicht in ausreichendem Maße. Das ist eine Ursache dafür, dass wir (...) schließlich auch die Koalition im Bund nicht fortsetzen konnten.“

Die SPD hat auf ihrem Parteitag trotz erheblicher personeller Umsetzungen in der Parteiführung ein politisches „Weiter so“ beschlossen. Jeder Ansatz von Selbstkritik wurde unter einer inszenierten Aufbruchs-Rhetorik versteckt. Im Leitantrag heißt es: „Wir haben Stillstand überwunden. (...) Wir haben damit begonnen, das Land zu erneuern und für seinen Zusammenhalt gearbeitet.“

Vor diesem Hintergrund ist die personelle Erneuerung mit beeindruckenden Mehrheiten zustande gekommen: Wenn auch einige der Führungsfiguren mit deutlich geringeren Abstimmungsergebnissen leben müssen; lautet der vorherrschende Tenor unter den Delegierten: „die SPD hat ihre Krise überwunden, den Generationenwechsel in der Führung vollzogen und geht gestärkt in eine Regierung der großen Koalition.“

 

Das Regierungsprogramm: verschärfte Agenda 2010

Mit diesem Programm der großen Koalition soll ein höheres Wirtschaftswachstum herbeigeführt; die sozialen Sicherungssysteme saniert und die soziale Spaltungen in der Gesellschaft überwunden werden. Bilanziert man aber die wichtigen Programmpunkte der „großen Koalition“, so stellt sich eine Radikalisierung der in den letzten Jahren betriebene Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik heraus:

- Der Kündigungsschutz soll weiter gelockert werden; die Sozialtransfers für die Langzeitarbeitslosen sollen um 4 Mrd. gekürzt werden;

- die Lebensarbeitszeit wird verlängert; mit der Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors werden Rentenkürzungen möglich

- die steuerliche Belastung für die Lohnabhängig wird erhöht. Die Mehrwertsteuererhöhung läuft auf eine massive Beschädigung der Massenkaufkraft hinaus.

- Bei der Bundesagentur für Arbeit wird der Sparkurs nochmals verschärft, obwohl angesichts der hohen Arbeitslosigkeit die Fort- und Weiterbildungsangebote eine zukunftsorientierte Politik wären.


Damit hat die Sozialdemokratie ihre inhaltliche Ausrichtung im Bundestagswahlkampf als „Bewahrer der sozialen Gerechtigkeit“ erneut Lügen gestraft: das Regierungsprogramm der großen Koalition wird eine verschärfte Fassung der Agenda 2010 sein.


Wahre Einsichten...


Im Leitantrag zum Parteitag wird richtig beschrieben, was die neoliberale Politik der letzten Jahrzehnte an Verwerfungen zur Folge hatte: „Die Dynamik der wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung hat alte Ungerechtigkeiten wieder aufleben lassen und neue Unsicherheiten hervorgebracht. (...) Der dauerhafte Ausschluss von Menschen aus dem Erwerbsleben ist nicht nur sozial ungerecht, sondern auch ein ökonomisches Problem.

....Neben die klassischen Ungerechtigkeiten sind neue Unsicherheiten des Nicht-Zurechtkommens mit dem beschleunigten Wandel getreten. (...)

Nicht jeder kommt mit den Anforderungen an mehr Flexibilität und dem Druck zur allgegenwärtigen Selbstvermarktung klar. Diese sozialen und kulturellen Spaltungen zeigen sich auch in der räumlichen Dimension. Sie sind in unseren Innenstädten ebenso sichtbar wie in der drohenden Verödung ganzer Regionen.

Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist gefährdet, wenn sich auf Dauer eine neue Unterschicht von materiell und kulturell Ausgegrenzten verfestigt. Klar ist: allein mit finanziellen Hilfen lassen sich die Probleme nicht lösen. Eine frühzeitige soziale und kulturelle Integration der heranwachsenden Generation ist der Schlüssel zur Verhinderung dieser gesellschaftlichen Spaltungen.“

 

... und falsche Schlussfolgerungen


Die Hoffnung der Sozialdemokratie auf eine Überwindung von Ausgrenzung und sozialer Spaltung wird sich rasch als Illusion erweisen. Die Politik eines sozial abgepufferten Neoliberalismus wird das Gegenteil der angestrebten Integration produzieren.


Die Herstellung von mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt und besseren Investitions- und Verwertungsbedingungen für die Unternehmen sind seit Jahrzehnten Leitlinien des politischen Handelns, getragen von den Unternehmerverbänden und vielen neoliberalen Denkfabriken. Tatsache ist:

- Der Wachstumsrückstand gegenüber anderen kapitalistischen Hauptländern ist größter geworden
- Die Arbeitslosigkeit ist in den letzten Jahren angestiegen
- Die finanziellen Fundamente der öffentliche Haushalte und der Sozialkassen hat sich weiter verschlechtert.

Es ist das glatte Gegenteil von gesellschaftlicher Integration eingetreten. Wir bestreiten, dass die Sozialdemokratie noch das Ziel der sozialen Regulierung des Kapitalismus verfolgt. Mit dem Umbau der sozialen Sicherungssysteme und der Entfesselung des Kapitals werden die Gräben der sozialen Spaltung und gesellschaftlicher Ausgrenzung mit tiefer werden.


Die Abgrenzung gegenüber dem Linksbündnis ist eindeutig. Wie im Wahlkampf behaupten die Sozialdemokraten, Linkspartei und WASG seien die „ neuen Konservativen im linken Gewand, die der Illusion anhängen, man könne die Realitäten vergangener Zeiten konservieren und gestaltende Politik auf den Aspekt steuerlicher Umverteilung im nationalen Rahmen reduzieren. Auch in Zukunft können wir unsere Wirtschaftsordnung nur als soziale Marktwirtschaft gestalten..“

Die Debatte um ein neues Grundsatzprogramm ist auch die Chance für das Bündnis der politischen Linken zu zeigen, dass es heute einer anderen Politik bedarf, um sozialer Gerechtigkeit, Arbeit für alle und soziale Sicherheit zu gewährleisten. Es gibt machbare und wählbare Alternativen.


Joachim Bischoff
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