Die Nachricht.
Kein öffentliches Eigentum verhökern!
Gegen Privatisierung von Bundesvermögen zur Sanierung des Haushalts.
Herbert Schui
Um den Bundeshaushalt auszugleichen, plant die Regierung, in den beiden kommenden Jahren Bundeseigentum in einem Wert von 40 Milliarden zu veräußern. Bis zum Jahr 2009 sollen es insgesamt 54 Milliarden werden. Verkauft werden soll unter anderem der Rest der Telekom-Aktien, die noch in Bundesbesitz sind, die Deutsche Bahn oder Abschnitte von Bundesautobahnen. Diskutiert wurde auch, wie die Welt am 26.11. schreibt, der Verkauf von Immobilien, so von Ministerien. Das sei aber wieder verworfen worden. (Vorhaben, Minister zu verkaufen, sind noch nicht gemeldet worden.)
Der Verkauf von öffentlichem Eigentum ist nicht der richtige Weg, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Der Staat braucht Sachvermögen, um seinen Aufgaben bei der Daseinsvorsorge oder der Preisregulierung nachzukommen. Zur Privatisierung gibt es Alternativen: Die Haushaltsdefizite sind durch höhere Steuereinnahmen zu beseitigen: Die Besteuerung der Gewinneinkommen und Vermögen muss wieder erhöht werden. Anzustreben ist der Stand von 1991. Denn würden die Gewinneinkommen wieder mit demselben effektiven Steuersatz belastet, wie dies Anfang der 90er Jahre der Fall war, dann hätte der Staat Mehreinahmen von rund 40 Milliarden Euro. Würden die hohen Vermögen und Erbschaften wieder angemessen besteuert, kämen je nach Ansatz weitere 15 Milliarden hinzu, und könnten die Bundesländer sich auf eine sorgfältigere Steuerpraxis verstehen, ließen sich viele zig Milliarden Steuerhinterziehung vermeiden.
Privatisierung widerspricht jeder vernünftigen Auffassung über geordnetes Wirtschaften. In der Privatwirtschaft schließlich gilt als Bankrotteur, wer mehr ausgibt als er einnimmt und dann gezwungen ist, einen großen Teil seines Vermögens zu verkaufen. Bevor der Bund Vermögen verkauft, ist doch wenigstens zu fragen, warum er so wenig eingenommen hat, obwohl doch seine Ausgaben nur sehr mäßig angestiegen sind. Der entscheidende Grund hierfür ist die anhaltend absinkende Besteuerung der Gewinne und Vermögen. Während der Anteil der Gewinne am Volkseinkommen kräftig angestiegen ist und auch die Vermögen beträchtlich angewachsen sind, sind die Einnahmen des Staates aus Gewinn- und Vermögensbesteuerung von 1991 bis 2004 von 69 Mrd. Euro auf 67 Mrd. Euro gefallen. Die Massensteuern dagegen haben in demselben Zeitraum kräftig zugelegt. Sie sind von 236 Mrd. auf 317 Mrd. angestiegen.
Damit ist eines klar: Der Staat verzichtet zunehmend darauf, Gewinn und Vermögen zu besteuern. Um das Defizit nicht zu groß werden zu lassen, werden erstens sozialen Leistungen und die öffentlichen Personalausgaben gekürzt und zweitens die Massensteuern erhöht. Die geplante Mehrwertsteuererhöhung ab 2007 und die weiteren Kürzungen im sozialen Bereich setzen diese Strategie fort. Dennoch lassen sich die Defizite so nicht eindämmen: Denn wenn der Staat Gewinnbezieher und Vermögensbesitzer reichlich beschenkt, dann ist die Freude dort zwar groß, aber die gesamtwirtschaftlichen Folgen sind fatal: Die so liebevoll Bedachten geben nicht aus, was sie zusätzlich einnehmen. Folglich nehmen Nachfrage und Wachstum ab und konsequenterweise sind zusätzliche Steuereinnahmen nicht in Sicht. Auf der anderen Seite steigen die Ansprüche an den Staat, weil nun noch mehr Erwerbslose zu versorgen sind. Weitere Kürzungen beim Arbeitslosengeld I und II werden die Folge sein.
Das Ende vom Lied ist leicht zu erraten: Nachdem wegen der Steuergeschenke die Reichen reicher und der Staat ärmer geworden sind, verkauft der Staat nun sein Vermögen an dieselben Reichen. Zu betonen ist: Die Käufer bezahlen den Kaufpreis mit den Steuergeschenken, die sie vorher vom Staat reichlich bekommen haben. denn es sind diese Geschenke, die das Haushaltsdefizit verursacht haben.
Grundsätze gibt es offenbar nicht mehr, wenn es ums Bereichern geht. Es ist hier wichtig, an den Leitgedanken des Artikel 115 des Grundgesetzes zu erinnern, der festgelegt, dass der Staat nur soviel Kredit aufnehmen soll, wie er durch Investitionen seinem Sachvermögen dazufügt. Sein Nettovermögen soll sich bei Beachtung dieser Regel durch Kreditaufnahme nicht verringern. Für die gegenwärtige Situation eines sehr großen Ungleichgewichtes auf dem Arbeitsmarkt sieht unsere Verfassung sicherlich eine Ausnahme vor. Hier kann die Kreditaufnahme höher ausfallen als die öffentlichen Investitionen. (Eine Verfassungsklage dagegen wäre also reiner Unsinn.) Was uns hier aber interessieren muss, ist die Grundidee, wonach der Staat sein Nettovermögen eben nicht verringern soll. Das allerdings, der Geist der Verfassung, zählt nicht mehr, wenn es ums Geschäfte-Machen geht.
Dass sich unsere Verfassung von der Grundidee leiten lässt, das öffentliche Vermögen nicht zu verringern, hat einen tieferen Sinn: In sehr vielen Leistungsbereichen versagt die Privatwirtschaft. Marktversagen ist traditionell von den unterschiedlichen Richtungen der Wirtschaftswissenschaft anerkannt. Erst der Neoliberalismus redet von Staats- und Demokratieversagen. Wir aber brauchen staatliche Leistungen in vielen Bereichen, so im Gesundheits- und Verkehrswesen, in der Wasser- und Energieversorgung und in vielen Breichen mehr. Ohne öffentliches Eigentum kann es keine wirksame Daseinsvorsorge des Staates geben. Viele Länder, die die Privatisierung sehr vorangetrieben haben, sind nun wegen unzureichender Leistungen der Privatunternehmen gezwungen, die entsprechenden Bereiche wieder zu öffentlichem Eigentum zu machen. Wir können uns diesem Umweg ersparen, indem wir gleich aus den Erfahrungen mit der Privatisierung lernen.