Die Nachricht.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes: Was kann Berliner Politik überhaupt noch?
In den Wahlen zum Abgeordnetenhaus hat die Linke in Berlin bekanntlich fast die Hälfte ihrer Stimmen verloren. Dennoch will sie erneut eine Koalition mit der SPD. Unter dem Gesichtspunkt von Wahltaktik kann dies nur eines bedeuten: Die Linkspartei bringt das Meiste ihrer Stimmenverluste nicht in Verbindung mit ihrer Regierungsbeteiligung seit 2001 – oder aber sie hofft, dass sie in einer neuen Koalition bei den Wahlen 2011 zu einem besseren Ergebnis kommt. Ebenfalls muss sie – auch dies gehört zur Logik – davon ausgehen, dass eine erneute Regierungsbeteiligung weder die Linkspartei insgesamt schädigt, noch, dass sich dies beim notwenigen Zusammengehen von WASG und Linkspartei ungünstig auswirkt.
Sicherlich muss sich eine Partei nicht wahltaktisch verhalten. Dann aber kann der Beweggrund der Linkspartei nur der sein, dass sie eine brennende Frage im Interesse des Allgemeinwohls lösen will, die ohne sie nicht oder bedeutend viel schlechter gelöst würde. Die Frage müsste objektiv so wichtig sein, dass notfalls der eigene Untergang dabei in Kauf genommen würde. Hierzu käme es dann, wenn die Wähler nicht einzusehen in der Lage wären, dass die Politik zwingend ist, unvermeidlich, ohne vernünftige Alternative.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 19.10. hier Klarheit geschaffen. Die Sarrazin-Graphik konnte das Gericht nicht gnädig stimmen. Diese Graphik weist nach, dass die anderen Bundesländer seit 1995 im Durchschnitt ihre Ausgaben um 11 Prozent erhöht haben, während die öffentlichen Ausgaben in Berlin um 11 Prozent abgesenkt wurden. Berlin könne, so offensichtlich der Schluss des Gerichtes, mit großer Wahrscheinlichkeit (Richter Hassemer) aus eigener Kraft seine Ausgaben im erforderlichen Maß weiter absenken. Damit hat das rigorose Sparen der letzten Jahre das Gegenteil von dem zuwege gebracht, was angestrebt wurde, nämlich Sanierungshilfen des Bundes.
Was tun? Kann man darauf setzen, dass Berlin sein Interesse an höheren Zuwendungen bei der künftigen Föderalismusreform II durchsetzen wird? Aber wann wird es diese Reform geben, wie mächtig werden die Gegner der Berliner Interessen sein? In der Zwischenzeit müssen die Ausgaben weiter gesenkt werden. Der Spielraum für Sozialverträgliches war von Anfang an gering; er wird zwingend weiter abnehmen: Wenn aber die Linkspartei wegen der vergangenen fünf Jahre Wähler verloren hat, dann wird sie notwendigerweise bei noch weniger Spielraum auch diejenigen verlieren, die diszipliniert sind und hart im Nehmen.
Bleibt noch das Argument des Unabweislichen zu überprüfen, nämlich, ob im Interesse des allgemeinen Wohls die Linke die Politik des Sparens – koste es, was es wolle – mit durchziehen muss. Wenn das Urteil des Verfassungsgerichtes keinen Ausweg mehr aus dem Sparen lässt, wenn sich der Spielraum weiter verengt, die Gestaltungsmöglichkeiten rasch abnehmen, dann wird sich eine einzige Politik durchsetzen – unabhängig davon, ob die Linke mit in der Regierung ist. Dann ist die Frage hinfällig, ob die Linke mitregieren muss, weil ohne sie alles noch schlechter käme. Wenn die Dinge so liegen, muss sich die Linke in einer Koalition nicht mehr krumm legen. Sie muss keine Bedenken mehr haben, wenn sie sich nicht an der Regierung beteiligt.