"Es ist gut, dass es diese Stimme gibt"
Oskar Lafontaine zu den Delegierten des DGB-Bundeskongresses
BERLIN, 25. Mai - Mit anhaltendem, rhythmischen Beifall quittierten die Delegierten des DGB-Kongresses die Rede des Chefs der Fraktion DIE LINKE., Oskar Lafontaine. Zuvor war Lafontaine Zeuge, wie die Rede von Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) aufgenommen wurde: mit vielen Buhrufen und Pfiffen.
Lafontaine machte deutlich, dass es Auftrag der Linken sei, "die Achse der Politik nach links zu verschieben". Im außenpolitischen Teil seiner Rede sagte der Fraktionschef, konsequent spreche sich die DIE LINKE. gegen imperialistische Kriege aus. "Das sind Kriege um Rohstoffquellen." Die Bundesregierung wurde von Lafontaine aufgefordert, die linken Kräfte und die linken Präsidenten in Lateinamerika zu unterstützen.
Die neoliberale EU zu bekämpfen, sei ebenfalls Auftrag der Linken. "Das Ja zum Mindestlohn ist eine Voraussetzung zum Nein gegen Bolkenstein." Die Gewerkschaften ermutigte Lafontaine, sich weiteren Arbeitszeitverlängerungen in den Weg zu stellen. "Was unter Arbeitszeitverlängerung verkauft wird, ist in Wahrheit Stundenlohnkürzung. Dagegen müssen die Gewerkschaften und die Linke insgesamt kämpfen." Auch sei es begriffsverwirrend, wenn immer wieder von der Kürzung der "Lohnnebenkosten" die Rede ist. "Kürzung der Lohnnebenkosten heißt übersetzt Kürzungen im sozialen Bereich."
Die Gewerkschaften sollten sich auch nicht scheuen, das Wort "Kapitalismus" zu gebrauchen. "Es gibt die realen Machtverhältnisse wieder. Doch der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte." In Richtung Bundesregierung sagte der Linkspolitiker, die Politik habe alles zu unterlassen, was die Gewerkschaften schwächt. "Hartz IV ist ein Angriff auf die Gewerkschaften, deshalb muss Hartz IV weg."
Lafontaine kündigte an, dass die Fraktion demnächst einen Antrag in den Bundestag einbringen werde, der die alte Regelung des Paragrafen 116 Arbeitsförderungsgesetz wieder in Kraft setzt. Dieser Paragraf wurde 1984 verändert. Er sicherte Beschäftigten, die von den Fernwirkungen eines Streiks betroffen sind, Kurzarbeitergeld zu. Nach den großen Streiks für die 35-Stundenwoche wurde der Paragraf so verändert, dass in Folge die Gewerkschaften den von Fernwirkung Betroffenen Streikunterstützung gewähren müssen. Die Gewerkschaften brandmarkten die Änderung stets als "Antistreikparagrafen", der weg muss. In einer namentlichen Abstimmung wird es sich demnächst herausstellen, ob es die Sozialdemokraten ernst meinen mit dem Bekenntnis, etwas gegen den Antistreikparagrafen zu tun.
DIE LINKE. werde demnächst auch Anstöße geben, wie der Weg zum Recht auf Generalstreik geebnet werden kann, sagte Lafontaine unter großem Beifall der Delegierten. "Wir müssen französisch lernen."
Zur Steuerpolitik sagte Lafontaine, würden die ein Prozent der Bevölkerung, die zusammen Zweitausend Milliarden Euro Vermögen haben, ordentlich besteuert, hätte der Staat 100 Milliarden Euro mehr in der Kasse. Und Steuerflüchtlinge müssten - ähnlich wie in den USA - den Differenzbetrag im Land lassen, wenn sie ihr Kapital aus Steuergründen ins Ausland verschieben.
Lafontaines Rede wurde mit viel Beifall aufgenommen. "Der Applaus zeigt, Du hast Themen angesprochen, die auch uns unter den Nägeln brennen. Es ist gut, dass es diese Stimme im Bundestag gibt", so die Tagungsleiterin. (fre)