Kombilohn: Verdrängung und Lohndruck, aber kaum zusätzliche Beschäftigung
Von Axel Troost, MdB
Verwirrend groß ist mittlerweile die Anzahl der unterschiedlichen Kombilohn-Modelle, gemeinsam ist allen: Sie subventionieren Löhne bzw. Sozialabgaben für Bezieher niedriger Einkommen. Im Zentrum der Diskussion stand in den letzten Monaten das Modell "Magdeburger Alternative", vorgeschlagen von Wirtschaftswissenschaftlern der Uni Magdeburg. Danach soll der Staat dauerhaft Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Sozialbeiträge für alle die Beschäftigten in den unteren Tarifgruppen übernehmen, die ein Unternehmen nach einem allgemeinen Stichtag zusätzlich einstellt. Das Versprechen der Wissenschaftler: Ein drastischer Abbau der Massenarbeitslosigkeit.
Subventionierte Beschäftigte verdrängen unsubventionierte
Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive sind die Folgen der "Magdeburger Alternative" klar: Unternehmen, die aufgrund ihrer Absatz- und Gewinnsituation ohnehin zusätzliche Arbeitskräfte einstellen wollen, nehmen die Lohnsubventionen als willkommenes Geschenk mit. Sie können ihre Produkte dann zu niedrigeren Preisen anbieten als ihre Konkurrenten. Unternehmen ohne subventionierte Beschäftigte werden vom Markt verdrängt, ihre Beschäftigten werden arbeitslos. Die Unternehmen, die ohnehin schon mit subventionierten Beschäftigten arbeiten, können diese Menschen dann wieder einstellen - und bekommen dafür ebenfalls eine Lohnsubvention, weil sie aus betriebswirtschaftlicher Perspektive zusätzliche Menschen einstellen. Nach einer gewissen Zeit wird in Folge dieses Verdrängungseffekts ein großer Teil aller Niedriglohnbeschäftigten subventioniert, auch ohne einen gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsanstieg. Die "Stichtagsregelung" der "Magdeburger Alternative" verhindert zwar, dass in ein- und demselben Unternehmen subventionierte Beschäftigte reguläre verdrängen - gegen den indirekten Verdrängungseffekt ist sie aber wirkungslos.
Lohnsubventionen - auch die nach der "Magdeburger Alternative" - ziehen außerdem mittelfristig eine Absenkung des gesamten Lohngefüges nach sich. Zwar sieht das Modell eine Garantie der tariflichen Entlohnung vor. Für die Unternehmen bedeutet die Subventionierung der untersten Gehaltsklasse aber de facto eine Absenkung der dort gezahlten Löhne. Die Folgen: Die Unternehmen versuchen verstärkt, neue Beschäftigte in die untersten Lohngruppen einzuordnen, damit sie Lohnsubventionen bekommen. Es entsteht ein Druck, unmittelbar über den subventionierten Einkommen liegende Tätigkeiten in die unterste, die subventionierte, Gehaltsklasse herabstufen.
Kein wirkungsvoller Abbau der Massenarbeitslosigkeit...
Berechnungen, nach denen Lohnsubventionen zu massenhaft gesamtwirtschaftlich zusätzlichen Arbeitsplätzen führen, werden nicht aufgehen. Lohnsubventions-Modelle argumentieren betriebswirtschaftlich und blenden gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge aus, wie folgendes einfache Beispiel zeigt: In der Ausgangssituation wird angenommen, dass in einer Volkswirtschaft Waren im Wert von 1.000 Mio. € produziert werden und damit ein entsprechendes Einkommen sowie eine entsprechende Nachfrage geschaffen wird. Es wird nun ein Kombilohn eingeführt, der zusätzliche Produktion z.B. zu 70% durch steuerfinanzierte staatliche Subventionen und zu 30% durch zusätzliche Lohnzahlungen finanziert wird. Die Unternehmen produzieren mit zusätzlichen Beschäftigten zusätzliche Waren im Volumen von - angenommen - 100 Mio. €. Damit geht zwar auch ein entsprechender Anstieg des Einkommens einher - nicht aber der Nachfrage, da von den 100 Mio. € zusätzlichen Einkommens 70 Mio. € durch Lohnsubventionen, also durch Umverteilung aus bereits erwirtschaftetem Einkommen gezahlt werden. Produzierten Waren im Wert von 1.100 Mio. € steht also eine Nachfrage von 1.030 Mio. € gegenüber - das Modell geht makroökonomisch nicht auf. Diesem Problem begegnen die Vertreter der "Magdeburger Alternative" in (neo)klassischer Manier unter Hinweis auf die segensreiche Wirkung "des Marktes" und dessen Fähigkeit zum Ausgleich von Ungleichgewichten - in der Volkswirtschaftslehre spätestens seit Keynes eine hoch umstrittene Position.
Auch die Hoffnung, durch Subventionen werde verbilligte Arbeit in bedeutendem Umfang Maschinen ersetzen und die Beschäftigung so steigern, ist fragwürdig. Indem die Subventionierung den Ausbau gering produktiver Routinetätigkeiten fördert, bremst sie die Qualifikationsentwicklung der Beschäftigten und damit den betrieblichen Produktivitätsfortschritt und die Innovationsfähigkeit. Zugespitzt formuliert: Eine Politik, die Bauarbeiter-Kolonnen subventioniert um einen Bagger zu ersetzen, wird langfristig eher schädliche quantitative Beschäftigungseffekte haben. Kurzfristig schafft sie - wenn überhaupt - eher Arbeitsplätze, deren Qualität fragwürdig ist.
Damit weisen umfassende Lohnsubventionsprogramme wie die "Magdeburger Alternative" ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis auf und entpuppen sich eher als milliardenschweres Gewinnsubventionierungsprogramm denn als sinnvolle Beschäftigungspolitik: Durch Verdrängung wird im Endeffekt ein großer Teil der Niedriglohn-Arbeitsplätze bezuschusst werden - ohne dass sie gesamtwirtschaftlich zusätzlich sind.