Keine akzeptable Grundlage für einen gemeinsamen Wahlkampf von WASG und Linkspartei.PDS in Berlin
Zur Kritik der „Inhaltlichen Positionen“ vom 05.04.2006
An die Vorstellung der „Inhaltlichen Positionen für einen gemeinsamen Wahlkampf der Linkspartei.PDS (L.PDS) und WASG Berlin“ am 5. April wurden vielfältigen Hoffnungen geknüpft. Nicht alle dieser Hoffnungen werden sich erfüllen, denn das vorgestellte Papier stellt keine Neupositionierung der Berliner Linkspartei dar. Wie der Berliner Vorsitzende Klaus Lederer zwei Tage später auf dem Landeparteitag am 7. April 2006 betonte, zielen sie auf eine Fortsetzung der bisherigen Politik der L.PDS in der Stadt. Er betonte, dass es sich um »keine Umkehr und keine Richtungsänderung« handele.
Die WASG hat auf Bundes- und Landesebene immer wieder die gefährlichen Fehlentscheidungen der PDS in der Berliner Landesregierung deutlich kritisiert:
- den Tarifbruch Anfang 2003, der mit dem Ausscheiden Berlins aus dem Flächentarifvertrag und der erpresserischen Arbeitszeitverlängerung für Beamte auf 42 Wochenstunden einen Präzedenzfall schuf,
- die Politik der Einkommenssenkung für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst ("Anwendungstarifvertrag") und bei den so genannten "Zuwendungsempfängern",
- die Politik der Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich,
- der massive Einsatz von Ein-Euro-Jobs, ungeachtet der heftigen Kritik der Gewerkschaften und des Hauptpersonalrates
- und schließlich die Fortsetzung und Ausweitung der Privatisierungen öffentlichen Eigentums.
Diese Kritik an der Berliner Regierungspolitik, die in der WASG breit geteilt wird, trifft bei der Linkspartei allerdings bis heute auf Unverständnis. Sie sieht sich als "letzte Verteidigungslinie gegen den Neoliberalismus" (Stefan Liebich) und wird in ihrer positiven Bewertung der Senatspolitik neuerdings durch Oskar Lafontaine unterstützt, der bei der Vorstellung der „Inhaltlichen Positionen“ den durch den Tarifbruch erpressten „Anwendungstarifvertrag“ als Vorwärtsweisende Arbeitszeitverkürzung lobte. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nimmt allerdings eine andere Haltung ein: In derselben Ausgabe der „Berliner Zeitung“, in der auf die Pressekonferenz zu den „Inhaltlichen Positionen“ eingegangen wird (7. April 2006), findet sich auf Seite eins eine ausführliche Wiedergabe einer Studie des DIW zu den Folgen der Berliner Kürzungspolitik unter dem knappen Titel: „Berlin spart sich kaputt.“
Interessanter Weise nehmen die „Inhaltlichen Positionen“ in keinem Punkt explizit zur Haushaltspolitik und zum von der L.PDS vertretenen Primat der Haushaltskonsolidierung Stellung. Tatsächlich lässt sich jedoch in allen zentralen Punkten der Einfluss dieser politischen Grundentscheidung nachweisen: in Auslassungen, Einschränkungen oder Relativierungen der herausgestellten positiven Ziele.
Fortsetzung von Lohnkürzungen und Stellenabbau
1) Zur Tarifsituation im Land Berlin findet sich das scheinbar selbstverständliche ganz am Anfang: die Forderung, die Tarifverträge und Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sollten gesichert werden. Keine Erwähnung findet jedoch, dass seit 2003 eine Reihe von Absenkungstarifverträgen die Einkommen der berliner Beschäftigten deutlich vermindert hat. Gilt bei den meisten - nicht allen! -Landesbeschäftigten, dass dieser Kürzung eine entsprechende Verkürzung der Arbeitszeit und ein Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen gegenübersteht, so wurden die Einkommenskürzungen bei der "Zuwendungsempfängern", z.B. im sozialen und Pflegebereich ohne jedes Zugeständnis durchgesetzt. Nicht erwähnt wird auch, dass am Universitätsklinikum Charité seit 2003 bis heute ein tarifloser Zustand herrscht und die Unternehmensleitung mit Rückendeckung des Eigentümers, des Landes Berlin, ihre Kürzungsziele aktuell mit der Vorbereitung von 1500 betriebsbedingten Kündigungen zu erreichen sucht.
Offener Hohn ist die Formulierung, mittelfristig solle der Berliner Anwendungs-Tarifvertrag an die bundesweiten Flächentarifverträge des öffentlichen Dienstes angekoppelt werden. Mittelfristig ist ein Begriff aus der Finanzplanung und meint einen Zeitraum von etwa 5 Jahren. Doch bereits zum Ende des Jahres 2009 ist die Rückkehr zum nicht abgesenkten BAT/BMT-Tarifgefüge im „Solidarpakt“ vertraglich vereinbart. Die - für Kürzungen offene - „Ankopplung“ macht nur Sinn, wenn man tatsächlich die beschlossene Rückkehr zum Flächentarif gar nicht mehr anstrebt. In der Tat verbucht der Senat die direkten Einsparungen aus dem „Anwendungstarifvertrag“ von 250 Millionen Euro jährlich bereits als langfristigen „Konsolidierungsbeitrag“ der Beschäftigten. Eine Fortführung dieser Lohnsenkungspolitik ist mit dem vorgelegten Formelkompromiss also nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr beabsichtigt. Offenbar geht es darum, statt der Rückkehr zum Flächentarifvertrag Ende 2009 eine andere Billiglösung zu etablieren.
2) Als weiteres Ziel wird formuliert: „öffentliche Aufgaben, für die bereits im Landesdienst qualifiziertes oder qualifizierbares Personal vorhanden ist, werden in öffentlicher Regie ausgeführt“. Was heißt das? Bundesweit positioniert sich die Linke klar gegen Privatisierungen. Auch Teilprivatisierungen sind dabei keine akzeptablen Kompromisse: Mit ihnen erfolgt der Dammbruch, marktwirtschaftliche Logik in einem öffentlichen Betrieb an die Stelle der demokratischen Entscheidungen zu setzen. Die Einführung des Begriffs "öffentliche Regie" macht dagegen deutlich, dass die Eigentumsfrage nur nachrangig beachtet werden soll. Entsprechend der Praxis der letzten Jahre wird das Hauptaugenmerk darauf gelegt, durch Privatisierungen Kosten zu senken - wobei das öffentliche Interesse durch vertragliche Klauseln gesichert werden soll. In allen Fällen erwiesen sich solche "Regie-Leistungen" aber als ungeeignet, das Profitinteresse der Privaten zu zügeln, so z.B. im Falle der Teilprivatisierten Wasserbetriebe.
Zweifellos sind Schulen „öffentliche Aufgaben“. Aber ist es auch „öffentliche Aufgabe“ die Schule zu heizen? Weddinger und Charlottenburger Eltern beschwerten sich im März (Tagesspiegel, 16.3.06) über kalte Klassenzimmer. Private „Energiesparpartner“ halfen „Energie zu sparen“. Privatisierung durch die Hintertür, während zugleich arbeitslose Lehrer als Ein-Euro-Jobber die Schulbibliothek sortieren.
3) Der „Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen“ aus den „Inhaltlichen Positionen“ als Wahlkampfforderung wäre wichtig und positiv. Sie steht allerdings im Kontrast zur Praxis des L.PDS-Wissenschaftssenator Thomas Flierl. Er ist Aufsichtsratsvorsitzender an der Uni-Klinik Charité. Wenn „Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen“ ernst gemeint ist, sollte Senator Flierl in seinem Zuständigkeitsbereich unmittelbar Taten folgen lassen.
4) Zudem bedeutet der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen keinesfalls einen Erhalt des Personalbestandes. Seit 1991 wurden im unmittelbaren Landesdienst 67.000 Stellen (37%) abgebaut. Seit 2002 (SPD-PDS-Senat) waren es allein 15.000. Bis 2012 sollen es weitere 18.000 Stellen sein. Der Stellenabbau bei BVG, BSR, Vivantes, städtischen Wohnungsbaugesellschaften, privatisierten Unternehmen der Daseinsvorsorge sowie ausgegliederten Kindergärten kommt hinzu. Arbeitsverdichtung und unbezahlte Mehrarbeit sind im Land Berlin an der Tagesordnung.
Doch in den vorgelegten „Inhaltlichen Positionen“ findet sich die „Erweiterung des Einstellungskorridors im öffentlichen Dienst“ - letztlich eine Akzeptanz des Stellenabbaus im öffentlichen Sektor: Der SPD-PDS-Senat verpflichtete sich angesichts des von ihm mit betriebenen Arbeitsplatzabbaus Ende 2003 dazu, ungefähr jede dritte Stelle, die frei wurde, neu zu besetzen, um das „dringend erforderliche Minimum an Nachwuchskräften“ zu erhalten (taz, 1. Oktober 2003). Das wurde „Einstellungskorridor“ genannt. Eine Erweiterung des Einstellungskorridors wäre eine Verlangsamung, aber eben auch eine Fortsetzung der Arbeitsplatzvernichtung im öffentlichen Dienst durch Fluktuation.
Keine Absage an Ein-Euro-Jobs und die Verdrängung von ALG II Empfängern, keine Übernahme von Verantwortung für bezahlbaren Nahverkehr
5) Zur Beschäftigungspolitik heißt es unter der Überschrift „Förderung von existenzsichernder Arbeit statt bezahlter Arbeitslosigkeit“, dass ein Einstieg „in einen Sektor öffentlicher geförderter Beschäftigung als dauerhaft existenzsichernde Arbeit zu tariflichen Bedingungen“ erprobt werden soll, wobei die Mittel aus „Unterstützung von ALG-II-Empfängerinnen/-Empfängern und aus Eingliederungsmitteln“ zu gewinnen sind. Die Gefahr des Lohndumpings durch öffentlich geförderte Niedriglohnarbeitsplätze wird jedoch nicht thematisiert und eine Ablehnung der Ein-Euro-Jobs fehlt gänzlich. Damit ist dieser sehr positiv formulierte Punkt zwar für ein Niedriglohnmodell offen, wie es vom L.PDS-Wirtschaftssenator und Spitzenkandidat Harald Wolf offensiv propagiert wird, nicht aber für die Interessen der Betroffenen.
6) Zum 1. Juli läuft in Berlin die Übergangszeit der vollen Wohnkostenübernahme für ALG II Empfänger aus. Seit Anfang des Jahres machen die Jobcenter verstärkt Druck, in vielen Fällen werden Umzugsaufforderungen und Drohungen verschickt, ohne sich auch nur um die vom Senat erlassenen "AV Wohnen" zu scheren. In einer solchen Situation ist es dringend nötig, die Stellung der Betroffenen durch eine öffentliche Kampagne gegen Zwangsumzüge zu stärken. Zwar steht in den "Gemeinsamen Positionen", Zwangsumzüge sollten abgewendet werden. Tatsächlich sind Zwangsumzüge aber nur der letzte Schritt der Verdrängung, wenn die Betroffenen nicht schon früher das Handtuch geworfen und ihre Wohnung geräumt haben. Diesem Umstand wird die Orientierung aus „Beratung und Unterstützung beim Geltendmachen der Ansprüche“ nicht gerecht. Es geht vielmehr um die öffentliche Ermutigung der Betroffenen und offenen Druck auf die Behörden, endlich die Gesetze und Verordnungen einzuhalten.
7) Es gibt in Berlin eine offene Auseinandersetzung um das Sozialticket. Dieses war von den Berliner Verkehrsbetrieben BVG nach der Kürzung der Senatszuwendungen gestrichen und erst nach einem Jahr zum Preis von 33 Euro wieder eingeführt worden. Die Mobilitätspauschale im ALG II liegt bekanntlich bei 18 Euro. Es wäre zu begrüßen, dass sich die L.PDS endlich der Forderung nach einem 18-Euro-Ticket anschließt, wenn es nicht zugleich hieße: „Zur Finanzierung dieser Maßnahme wollen wir die Verantwortung der Agentur für Arbeit und der Nahverkehrsbetriebe einfordern.“ Denn genau diese Verlagerung der Verantwortung auf andere hatte vor zwei Jahren zur Abschaffung des Sozialtickets geführt.
Privatisierung sozial gestalten?
8) „Verteidigung und Erhaltung der Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand“ - endlich mal ein Punkt, der einen Bruch mit der bisherigen Politik des SPD-L.PDS-Senats verspricht. Doch direkt im Anschluss wird er durch die folgenden Spiegelstriche relativiert und de facto aufgehoben: So ist die „Sicherung der öffentlichen Trägerschaft von Vivantes und Charité“ ein Formelkompromiss, der gerade die Knackpunkte ausspart: Auch in den letzten Jahren blieb die Trägerschaft insgesamt öffentlich; Teil-Privatisierungen und Kürzungen auf Kosten der PatientInnen und Beschäftigten wurden aber rege getätigt.
Der Klinikbetreiber Helios, jetzt Teil des Fresenius-Konzerns, stieg schon 2001 bei der Charité im Standort Berlin-Buch ein. Helios weitete seine Aktivitäten dann unter dem SPD-PDS-Senat auf die Pädiatrie am Steglitzer Charité-Campus Benjamin Franklin aus. Seit 1. Januar 06 ist der gesamte Bereich von Reinigung, Catering, Logistik und technischem Service für die vier Standorte des Berliner Unternehmens privatisiert und ausgelagert.
9) In der Amtszeit des SPD-PDS-Senates wurden seit 2001 mehr Wohnungen privatisiert, als in den 10 Jahren zuvor. Dabei handelte es sich nicht nur um Komplettverkäufe ganzer Wohnungsunternehmen, vielmehr wurden auch Teilbestände von tausenden Wohnungen veräußert. Wenn nun gefordert wird, keine weiteren Wohnungsbaugesellschaften zu verkaufen, so wird das eigentliche Problem damit bewusst umgangen. Bei der Wohungsbaugesellschaft Mitte wird zur Zeit der Verkauf tausender Wohnungen vorbreitet - mit dem Argument, nur so sei die Gesellschaft in öffentlicher Hand zu erhalten. Wie daher eine „Neuordnung und ökonomische Stabilisierung des städtischen Wohnungsbestandes“ aussehen soll, kann man sich lebhaft vorstellen. Es fehlt dem Papier - im Unterschied z.B. zur Beschlusslage bei der Berliner SPD - jede Festlegung auf einen Wohnungsbestand, der unbedingt in öffentlicher Hand zu erhalten ist. Damit hängen aber auch die weiteren schönen Absichten („Sicherung von bezahlbarem Wohnraum“, „offensive Vermietungspolitik für die soziale Mischung“) in der Luft. Tatsächlich ist der verbliebene Wohnungsbestand in öffentlicher Hand in einigen Regionen der Stadt, vor allem in Ostberlin, konzentriert.
10) In Berlin ist aktuell der Erhalt des Drei-Säulen-Modells aus Sparkassen, Genossenschafts- und Privatbanken bedroht. Verhinderte die Existenz der Sparkassen bis heute, dass die Privatbanken ihre Renditeerwartungen wie z.B. in Italien im Privatkundengeschäft realisieren können, so droht mit dem Verkaufsverfahren für die Berliner Sparkasse diese Schranke zu fallen. Die Wettbewerbshüter der EU-Kommission forderten als Folge des Berliner Bankenskandals, dass sich die Bankgesellschaft von mehreren Tochtergesellschaften trennt und bis 2007 selbst verkauft wird. Bis jetzt steht dem Betreiben einer Sparkasse durch eine Privatbank der Paragraph 40 des Kreditwesengesetzes entgegen. Mit dem Berliner Sparkassengesetz (seit Juni 2005 in Kraft) versucht der Berliner Senat mit juristischen Tricks die öffentlich-rechtliche Fassade zu erhalten und gleichzeitig den Erwerb der Berliner Sparkasse durch Private zu ermöglichen. Die Konstruktion ist ähnlich wie damals bei der Bankgesellschaft bzw. den Berliner Wasserbetrieben: Die Sparkasse bleibt eine öffentlich-rechtliches Institut allerdings unter dem Dach einer AG (der Landesbank). Die von der Sparkasse erzielten Gewinne, sollen in die Taschen der Privaten fließen. Auch hier käme es wie bei der Bankgesellschaft zu unheilvollen Vermischungen privater Interessen mit öffentlich-rechtlichen Haftungsgarantien. Es geht nicht um „Ausschöpfung von Möglichkeiten“ sondern schlicht zumindest um die Revision des Sparkassengesetzes, wenn man glaubhaft eine Abkehr von der bisherigen Privatisierungspolitik des rot-roten Senates darstellen will. Es geht darum die Berliner Sparkasse als vollrechtliche Anstalt des öffentlichen Rechtes mit eigenen Organen, eigenem Vermögen und eigener Bankerlaubnis zu erhalten und es geht vor allem darum, dass die Gewinne für gemeinnützliche Zwecke im chronisch finanzschwachen Berlin verwendet werden und nicht in privaten Taschen verschwinden. Wieder wie beim Ausscheiden aus dem Flächentarifvertrag droht Berlin mit der Privatisierung der Sparkasse ein Präzedenzfall zu werden - im negativen Sinne.
11) Am 11. Dezember 2003, in einer Rede vor dem Abgeordnetenhaus Berlin bezeichnete der heutige Vorsitzende der LP.PDS, Klaus Lederer, den Verkauf der Wasserbetriebe noch als „Wahnsinnsprojekt“. Die Vorteile liegen nur bei den Privaten und das überschuldete Land Berlin verzichtet nach Berechnungen des (linken) Donnerstagskreises (Do-Kreis) der Berliner SPD in 25 Jahren auf 840 Mio. Euro, um die Renditeerwartungen der Privaten zu bedienen. Allerdings hatte sich zu diesem Zeitpunkt die PDS bereits deutlich für die Privatisierung positioniert. In der Novellierung des geheimen Konsortialvertrages in Verantwortung des Wirtschaftssenators Wolf (L.PDS) wurde zudem eine disparitätische Gewinnaufteilung vereinbart, d.h. das Land Berlin (der Mehrheitsaktionär) verzichtet teilweise oder ganz auf seine Gewinnanteile, wenn die privaten Investoren keine sieben bis achtprozentige Gewinnausschüttung auf das „betriebsnotwendige Kapital“ erzielen können. Selbst die Industrie und Handelskammer (IHK) Berlin-Brandenburg spricht von einem sehr schlechten Vertrag. Selbstverständlich blieb die Betriebsführung durch die privaten Minderheitenaktionäre bestehen.
Es geht also nicht verschleiernd um „strategischen Varianten für eine Rückgewinnung“ sondern um sofortige Schadensbegrenzung durch Rekommunalisierung der Wasserbetriebe. Dies ist umso dringlicher, da die RWE ihre Wassersparte (Thames Water) und damit ihre Anteile an der Berliner Holding verkaufen will.
Bildungsförderung: Anspruch und Realität
12) Bildung, zum Ersten: Kitas. „Verbesserung der frühkindlichen Entwicklungsförderung: erleichterter Zugang, Intensivierung der Sprachförderung und Gesundheitsförderung, Verbesserung der Betreuung“ werden von den Autoren der „Inhaltlichen Positionen“ proklamiert. Bedeutet aber „erleichterter Zugang“ eine Abkehr vom „sozial gestaffelten“ Kita-Gebühren-Modell, das der SPD-PDS-Senat im Januar 04 einführte? Für niedrige Einkommen gab es keine Erhöhungen, aber, so der DGB, „ab einem Familieneinkommen von € 26.339 brutto - das wären € 2.194 monatlich - steigen die Kosten für Kinderbetreuung stark an.“ Plätze zum Beispiel für 0- bis 3-Jährige gibt es nur noch nach eng ausgelegtem Bedarf der Eltern. Die Finanzierung der Kitas wurde budgetiert – unterhalb der vollen Kosten der Kindertagesstätten.
13) Bildung zum zweiten: Schulen. Gefordert wird der „Einstieg in ein durchgängig integratives und leistungsfähiges Schulsystem für alle Berliner Kinder unabhängig von ihrer sozialen, kulturellen oder ethnischen Herkunft und unabhängig von Alter und Geschlecht“. Wenn dies ernst gemeint wäre, müsste aus Sicht der WASG Berlin damit die Rücknahme der Kürzungen des SPD-PDS-Senats beschlossen werden: Die Arbeitszeit für LehrerInnen wurde um 2 Stunden verlängert. 400 Referendariatsstellen wurden und werden 2005 / 06 abgeschafft. Die Berliner Lehrerschaft ist "überaltert". Die „rot-rote“ Koalition hat die Lernmittelfreiheit abgeschafft, um 15 bis 20 Millionen im Jahr zu „sparen“. Den Konflikten an den Berliner Schulen ist nicht mit schönen Visionen zu begegnen.
14) Bildung zum Dritten: Hochschule
„Keine Einführung von Studiengebühren bzw. vergleichbaren Studienkontenmodellen; keine Privatisierung der Universitäten“ - mit dieser Forderung wird wenigstens der L.PDS-Parteitagsbeschluss nochmals bestätigt, keine Studiengebühren einzuführen. Dennoch ist es richtig, diesen Punkt gesondert aufzuführen, denn 2004 hatte die Partei erst nach massiven Protesten der Studierenden ihren Wissenschaftssenator in letzter Sekunde gestoppt. Eine gewisse Vorsicht ist daher berechtigt.
Schlussbilanz
Bei der Präsentation der "Inhaltlichen Positionen" war am 6. April von vielen schönen Dingen die Rede. Axel Troost sprach von einer "inhaltlich neuen Situation", Ulrich Mauerer gar von einer "historischen Stunde" und dass die Gründe für einen eigenständigen Wahlantritt der Berliner WASG entfallen wären. Unsere kurze Analyse des Papier bestätigt diese Euphorie nicht. Zwar werden einige zentrale Konfliktfelder angesprochen - aber nur, um vorschnelle Formelkompromisse zu verkünden. Die begründete Kritik nicht nur der Berliner WASG am Regierungshandeln der L.PDS hat keinen Niederschlag in diesem Text gefunden. Das Papier hätte dennoch der Ausgangspunkt einer Diskussion sein können, wie sie von der L.PDS mehrfach ausgeschlagen wurde. Es soll aber nicht eine Diskussion eröffnen, sondern die Debatte beenden. Das wird nicht funktionieren.
Die Art und Weise, wie diese Positionen an der Mitgliedschaft in beiden Parteien vorbei ausgehandelt wurden, macht uns Sorgen. Es kann nicht sein, dass die Linksfraktion den Willensbildungsprozess in WASG und L.PDS zu dominieren versucht. Eine solche Top-Down-Strategie riskiert, bewusst oder unbewusst, die Zustimmung großer Teile der Mitgliedschaft in beiden Parteien für das Projekt einer Neuen Linken zu verspielen. Jegliche Konsequenz in Bezug auf die Frage der Koalition, der Regierungsbeteiligung und über die Politik in den verbleibenden fünf Monaten fehlt.
An den „Inhaltlichen Positionen“ ist nichts neu. Unsere Einschätzung, dass es sich um ein Programm des „weiter so“, um ein Programm zur Fortsetzung der bisherigen SPD-PDS-Regierungspolitik handelt, wurde auf dem Landesparteitag der L.PDS am Freitag voll bestätigt. Nicht nur mit der Wahl Harald Wolfs zum Spitzenkandidaten und der Würdigung der „Inhaltlichen Positionen" durch den Vorsitzenden Klaus Lederer, der nichts neues in ihnen ausmachen konnte. Der Fraktionschef im Abgeordnetenhaus Stefan Liebich präsentierte auf dem Landesparteitag am 7. April 06 eine Arbeitsbilanz der Fraktion in der Koalition mit dem Titel: „Fortsetzung folgt ...“. Eine Fortsetzung dieser Politik? Mit uns nicht.
Der Landesvorstand der WASG Berlin