Dilemma linker Landes- und Kommunalpolitik
Von Michael Schlecht
Rot-Grün begann mit der Zurückdrängung des Staates. Von der CDU/CSU immer unterstützt. Es wurde organisiert durch Senkung der Steuern. Vorrangig die der Reichen und Konzerne. Die Steuerquote – der Anteil des Staates am Bruttoinlandsprodukt – sank von 23 Prozent auf rund 20 Prozent. Keines der großen EU-Industrieländer liegt niedriger. Ein Verzicht auf jährlich 60 Milliarden Euro Steuereinnahmen! Von der Mehrwertsteuererhöhung werden zwar 20 Milliarden Euro Mehreinnahmen erwartet, jedoch sind davon bereits mindestens 10 Milliarden Euro reserviert für die nächsten Steuergeschenke an Konzerne.
So produziert man Haushaltsnöte, um das Herunterfahren der Ausgaben zu erzwingen. Die Maastrichtkriterien – von der deutschen Regierung eingefordert – gehören zu diesem Szenario des Sachzwangs. Auch auf Länderhaushalte und Kommunen wirkt sich dies massiv aus. Landespolitik hat auf die Einnahmeseite über die Mitwirkung im Bundesrat nur sehr begrenzt Einfluss. Kommunalpolitik kann die Steuereinnahmen lediglich in homöopathischen Dosen beeinflussen. Der stumme Zwang klammer Kassen zwingt Landes- und Kommunalpolitiker so zu Ausgabensenkungen. Trotz konjunkturell bedingter Entspannung ist die generelle Unterfinanzierung von Landes- und Kommunalhaushalten nicht gelöst.
Rund zwei Drittel der öffentlichen Investitionen für Infrastruktur, also Straßenbau, Kanal- und Gebäudesanierung und vieles mehr wird durch die Kommunen beauftragt. Auch Erziehung und Bildung wird weitgehend durch Landes- und Kommunalpolitik bestimmt. Zuletzt wurden in Deutschland gerade einmal nur 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukt für staatliche Investitionen ausgegeben. Nur Österreich hat mit 1,1 Prozent eine niedrigere Investitionsquote. Der Durchschnitt der EU-25 liegt bei 2,4 Prozent.
Linke in Regierungsverantwortung
In vielen Kommunen, vorwiegend in Ostdeutschland, sind Politikerinnen und Politiker der Linkspartei vertreten. Zum Teil in Regierungsverantwortung. Auf Landesebene zur Zeit nur in Berlin. Hier hat sich die Linkspartei in den letzten Jahren in die Sachzwänge stark eingefügt, hat sich das Mitwirken an einer neoliberalen Politik, an einer Politik des Sozialabbaus aufzwingen lassen. Als Erfolg wurde ausgegeben, dass man Schlimmeres verhindert hat. Die Menschen haben bei der Wahl im September 2006 jedoch deutlich gemacht, dass so die Glaubwürdigkeit der Linken leidet! Pragmatische Realpolitik ist notwendig. Wenn sie aber den Verlust von Zustimmung in der Bevölkerung bewirkt, entzieht sie unserer Politik den Boden.
In vielen Kommunen und Ländern erscheint als Ausweg der Verkauf öffentlichen Vermögens: Privatisierung! Kein Wunder, dass gerade in den letzten fünf Jahren die Privatisierungen einen besonderen Schub erhielten. Viel Tafelsilber wurde verscherbelt. Von der Abfallwirtschaft, der Energieversorgung bis hin zum Wohnungsbestand.
Vielerorts haben auch Politiker der Linkspartei Privatisierungen mitgetragen, zum Teil sogar vorangetrieben. Häufig in dem Glauben, so der Logik des Sozialabbaus zu entgehen. Haushalte konnten zwar zum Teil entschuldet und Spielräume für sinnvolle soziale Ausgaben gewonnen werden. Allerdings ist die Privatisierung keine nachhaltige Politik. In manchen Kommunen haben die Gemeinderäte in wichtigen Fragen der Daseinsvorsorge kaum noch etwas zu entscheiden. Leistungen privater Dienstleister haben sich verschlechtert. Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten wurden massiv verschlechtert; konkret: Arbeitsplatzverluste und erzwungene Lohnsenkungen. Auch eine Form des Sozialabbaus. Und was ist, wenn die Verkaufserlöse aufgebraucht sind? Dann droht neuerlicher Sparzwang in unter Umständen härterer Dimension. Denn geringe Zahlungen für Schuldzinsen wurden erkauft durch den Verzicht auf Gewinnausschüttungen öffentlicher Unternehmen. Faktisch macht sich so eine privatisierende Linke zum Vorkämpfer neoliberaler Entstaatlichung.
Positiv ist, dass in der neuen Koalitionsvereinbarung in Berlin "für Betriebe der Daseinsvorsorge ... eine Privatisierung ausgeschlossen" ist. Von besonderer Bedeutung ist dies für die Wohnungsbaugesellschaften. Aber die eigentliche "Nagelprobe" in Sachen Privatisierung steht noch bevor: Der Erhalt der Sparkasse. Der Bundesvorstand der WASG lehnt eine Privatisierung der Sparkasse ab. Sollte tatsächlich eine unumstößliche Verpflichtung gegenüber der EU zum Verkauf bestehen, muss sichergestellt werden, dass nach einem Verkauf die Sparkasse weiterhin ihrem Gemeinwohlauftrag gerecht wird.
Politik für die Menschen
Die Linke muss eine Politik für die Menschen machen. Sie muss an den Alltagsnöten ansetzen und Lösungen bieten. Erziehung und Bildung sowie unsere Infrastruktur sind von herausragender Bedeutung. Wie dies ausgestaltet wird, wird weitgehend auf Landes- oder kommunaler Ebene entschieden. Ob jedoch finanzielle Spielräume vorhanden sind, hängt von der Politik auf Bundesebene entscheidend ab. Nicht von kommunalen Privatisierungen. Deshalb ist es von herausragender strategischer Bedeutung, die Linke auf Bundesebene stärker und einflussreicher zu machen. Damit eine andere Finanzpolitik durchgesetzt wird. In dem Maße, wie das gelingt, besteht ein nachhaltige Chance finanzielle Spielräume für die Kommunen und Ländern zu schaffen, um linke Politik vor Ort umzusetzen. In dem Maße, in dem es gelingt die steuerpolitische Privilegierung von Reichen und Vermögenden zu beenden, erweitern sich vor Ort die Möglichkeiten, eine fortschrittliche Politik für unsere Kinder, für unser Land zu organisieren.
Alle bekräftigen nach dem Karlsruher Urteil gegen eine Entschuldungshilfe für Berlin, dass Berlin mit Sparen nicht die Konsolidierung schaffen kann. Wie denn dann? Eine Chance besteht nur, wenn wir die Kraft erlangen, auf Bundesebene eine andere Finanz- und Wirtschaftspolitik durchzusetzen. Die Berliner Genossinnen und Genossen müssten als erste ein Interesse daran haben, dass durch ihre Landespolitik die Glaubwürdigkeit und die Linke auf Bundesebene gestärkt wird.
Zu viele Menschen im ganzen Land bleiben gerade wegen "Berlin" misstrauisch. Viele Linke, vor allem in der WASG, haben erlebt, wie sehr uns die Berliner Politik in Duisburg, Mannheim, Osnabrück oder sonst wo – auch in Berlin selber und in Schwerin – auf die Füße fällt. Linke Politik wird nur vorankommen mit Glaubwürdigkeit. Im Interesse unseres Gesamtprojektes!
Michael Schlecht ist Mitglied im Bundesvorstand der WASG