Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit
Eine andere Politik ist möglich!

Putsch in der SPD? - Von rechts!

Axel Gerntke/Dieter Staadt

Von der Entsozialdemokratisierung zur Entdemokratisierung der SPD

Nachdem Andrea Nahles mit deutlicher Mehrheit vom Parteivorstand als Generalsekretärin vorgeschlagen wurde, machten die Worte vom „Linksruck“ und „Putsch der Linken“ die Runde. Insbesondere der Seeheimer -Kreis zeigte sich entsetzt. Diese Dolchstoßlegende hatte offensichtlich den Zweck, die tatsächlichen Vorgänge zu verschleiern. Die SPD soll für die Fortsetzung des Agenda-Kurses in der großen Koalition vollständig gefügig gemacht werden.

Keine Analyse der Wahlniederlage

Franz Müntefering und Gerhard Schröder hatten das Bundestagswahlergebnis als ein Votum für ein „Weiter so!“ mit der Agenda 2010 interpretiert. Nicht nur die verheerenden Ergebnisse der letzten Landtagswahlen wurden ignoriert. Auch das Bundestagswahlergebnis wurde zu einem SPD-Sieg umdeklariert. Gerhard Schröder rief sich unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen zur Verblüffung aller Fernsehzuschauer zum Dauerkanzler aus. Dies war ein erstaunlicher Realitätsverlust angesichts der Tatsache, dass die SPD eines der schlechtesten Wahlergebnisse ihrer Nachkriegsgeschichte eingefahren hatte.

Die Flucht aus der Wirklichkeit hatte in diesem Fall aber eine reale politische Funktion: Das Führungsduo der SPD wollte eine kritische Auseinandersetzung mit dem Agenda 2010-Kurs auch nach der Bundestagswahl verhindern.

Zur Erinnerung: Gerhard Schröder hatte den Agenda-Kurs nur mit Rücktrittsdrohungen gegen die Mehrheit in der eigenen Partei durchsetzen können. Der „Basta-Kanzler“ und sein Vorsitzender mussten nun fürchten, dass die Partei bei einer Analyse der zahlreichen Wahlniederlagen auch die Agenda-Politik auf die Tagesordnung hätte setzen können, ohne dass Schröder noch die Möglichkeit hatte, mit Rücktritt zu drohen; schließlich war er bereits abgewählt worden.

Eine kritische und realitätsbezogene Analyse der Wahlniederlage wäre hinderlich dabei gewesen, die rot-grüne Agenda-Politik nahtlos durch eine große Koalition fortzuführen. Die SPD- Ministerriege für die große Koalition wurde diesem Ziel entsprechend von der Parteispitze zusammengesetzt. Neben einigen bisherigen Ministerinnen und Ministern des Agenda-Kabinetts sollten nun Wolfgang Tiefensee, Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und nicht zuletzt Franz Müntefering hinzu kommen. Von einem Linksruck konnte keine Rede sein.

Das bestätigen die ersten in der Diskussion befindlichen Eckpunkte der neuen Koalition, auch wenn manche Vorschläge möglicherweise noch modifiziert werden. Die Stichworte sind Mehrwertsteuererhöhung, Steuererleichterungen für Unternehmen, weitere Aufweichung des Kündigungsschutzes, Rente mit 67, Verschärfungen bei Hartz IV und Konsolidierung des Staatshaushalts durch verschärfte Kürzungspolitik.


Entmachtung des SPD- Parteivorstandes

Dass nach der Niederlage bei der Bundestagswahl der SPD-Parteivorstand nun gegen das Votum des Vorsitzenden eine Generalsekretärin vorschlug, die dafür stand, sozialdemokratisches Profil in einer Großen Koalition zu bewahren, lag im Organisationsinteresse der SPD und war politisch nachvollziehbar. Der Wahlvorschlag wurde nicht putschartig durchgesetzt, sondern die Kandidatur von Andrea Nahles war vorher angekündigt und wurde öffentlich und parteiintern diskutiert. Es gab keinen Dolchstoß in den Rücken, sondern es war eine demokratische Wahl zwischen einer Kandidatin und einem Kandidaten.

Mit seiner Dolchstoßlegende ging es dem Seeheimer Kreis um die Zerschlagung der verbliebenen Reste der Linken innerhalb der SPD. Die Vertreter des rechten Flügels forderten den Rücktritt des gesamten Parteivorstandes und setzten sich weitgehend durch – ohne durch irgendein Parteigremium oder eine Wahl politisch legitimiert zu sein.

Mehr noch: Nach der Erklärung Münteferings, nicht wieder für den Parteivorsitz zu kandidieren, bildete sich eine Gruppe von SPD-Funktionären, die Matthias Platzeck jenseits der satzungsrechtlich legitimierten Gremien – Präsidium und Parteivorstand – als neuen Parteivorsitzenden inthronisierten, wobei dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten die Rolle des Primus inter Pares zugebilligt wurde.

Mit Matthias Platzeck fiel die Wahl auf einen SPD-Ministerpräsidenten, der die hohe Kunst der Verdrängung ebenso beherrscht wie sein Vor- und sein Vor-Vorgänger. Für Platzeck, der in Brandenburg fast zehn Prozent der Wählerstimmen verlor, zeigt sich im Ergebnis der Bundestagswahl, „dass immer mehr Menschen in Deutschland die Gründe verstehen, die den Aufbruch der ›Agenda 2010‹ notwendig gemacht haben“.


Fazit

Mit einer Mischung aus Realitätsverlust und politischem Kalkül wurde in der SPD eine Diskussion über die Ursachen der Wahlniederlage verhindert. Den Rücktritt Münteferings nutzte die Parteirechte, um Parteilinke ohne eine demokratische Wahl aus Parteigremien zu verdrängen. Die in der SPD bereits zuvor geschwächte Linke hat eine verheerende Niederlage erfahren. Die Parteirechte hat unmissverständlich gezeigt, dass sie kein Interesse an einer Integration aller Parteiflügel hat. Offensichtlich sind auch die Netzwerker nicht an einer eigenständigen sozialdemokratischen Profilierung der SPD interessiert.

Auf dem bevorstehenden Parteitag besteht für die Delegierten – eigentlich der demokratische Souverän einer jeden Partei – kaum eine Möglichkeit, die zukünftige Politik der SPD zu bestimmen. Personaltableau und inhaltliche Ausrichtung sind festgezurrt. Die Delegierten dürfen nur noch abnicken – die Basta-Politik wird mit anderem Personal fortgeführt. Innerparteiliche offene Diskussionen über die Agenda-Politik und den künftigen Kurs der Großen Koalition sind faktisch zur Zeit nicht möglich. Für die jetzt handelnden Personen in der SPD ist die Große Koalition Vorbedingung für das politische Überleben. Sie werden versuchen jede Auseinandersetzung um den großkoalitionären Kurs oder auch nur Inhalte dieses Kurses abzuwürgen.

Um so wichtiger ist es für Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und die politische Linke, öffentlich die Debatte um die Notwendigkeit eines Politikwechsels zu führen und gleichzeitig den Widerstand gegen den durch die große Koalition geplanten Sozialabbau zu organisieren.

Axel Gerntke und Dieter Staadt Arbeiten im Funktionsbereich Gesellschaftspolitik/Grundsatzfragen/strategische Planung der IG Metall

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