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Sparkassen und Landesbanken – ein Korrektiv zum Privatbankensektor gerät unter Privatisierungsdruck

Von Axel Troost und Martin Mathes (leicht gekürzt)

Knapp die Hälfte des Spar- und Kreditgeschäfts wird in Deutschland von öffentlichen Sparkassen und Landesbanken sowie von Genossenschaftsbanken abgewickelt – von Kreditinstituten also, die nicht das Ziel der unbedingten Gewinnmaximierung verfolgen. Weil sich diese Kreditinstitute – anders als die privaten Banken – nicht den Renditeerwartungen der deregulierten Finanzmärkte unterwerfen müssen, können sie gesellschaftliche Aspekte in ihrer Geschäftspolitik berücksichtigen. Angesichts beschleunigt fortschreitender Privatisierungstendenzen ist die Existenz dieses Korrektivs gefährdet: Anzeichen hierfür waren die Teilprivatisierung der Landesbank HSH Nordbank und die Aufweichung des Sparkassen-Bezeichnungsschutzes im vergangenen Jahr. Aktuell sorgen der Verkauf der Landesbank Berlin/Berliner Sparkasse, die Novellierungen der Landessparkassengesetze in NRW und Hessen und die EU-Kritik an angeblichen Wettbewerbsverzerrungen durch Sparkassen und Genossenschaftsbanken für weitere Angriffe auf das Geschäftsmodell der Sparkassen. Der folgende Text gibt einen Überblick über die aktuellen Privatisierungs-Entwicklungen, nachdem zuvor die Bedeutung öffentlicher Kreditinstitute für das Kredit- und Spargeschäft dargestellt und Entwicklungstendenzen innerhalb des öffentlichen Bankensektors skizziert wurden.

Charakteristisch für das deutsche Bankensystem ist das Nebeneinander von drei Anbietergruppen – von Privatbanken (z.B. der Deutschen Bank AG oder der privatisierten Postbank AG), von genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken sowie von öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Landesbanken. In diesem „Drei-Säulen-System“ haben genossenschaftliche und öffentliche Kreditinstitute derzeit eine relativ starke Marktposition: Der Anteil von Sparkassen und Landesbanken an der gesamten Bilanzsumme aller Kreditinstitute belief sich 2005 auf zusammen 33%, der von Genossenschaftsbanken auf 11% und der von privaten Großbanken auf 24%; der Rest (32%) verteilte sich auf kleinere Privatbanken und sonstige Institute. Somit wird das Kredit- und Spargeschäft in Deutschland fast zur Hälfte von Anbietern betrieben, die nicht der privatwirtschaftlichen Gewinnmaximierung unterworfen sind. Diese Anbieterstruktur hat die folgende Bedeutung für die Finanzdienstleistungs-Märkte.

Die Versorgung mit Finanzdienstleistungen ist auch in strukturschwachen Regionen relativ gut. Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind in allen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten präsent, während in 31 von 321 Landkreisen keine Niederlassung einer privaten Großbank existiert. Zudem besteht in zehn Bundesländern ein landesrechtlicher Anspruch auf ein Guthaben-Girokonto für jedermann bei Sparkassen. Ein Ländervergleich mit Großbritannien, wo keine öffentlichen Kreditinstitute in nennenswertem Umfang mehr existieren, zeigt: Im britischen Bankensystem stellt schon der Zugang zu einfachsten Finanzdienstleistungen, wie die Eröffnung eines Bankkontos, ein Problem dar, u.a. weil dort zahlreiche Bankfilialen geschlossen wurden.

Das deutsche Kreditgewerbe ist im internationalen Vergleich betriebswirtschaftlich wenig rentabel, aber volkswirtschaftlich hochproduktiv. Die starke Präsenz von Anbietern mit Mitglieder- oder Regionalorientierung, die relativ unabhängig von betriebswirtschaftlich verengten Rendite-Erwartungen der Finanzmärkte sind, sorgt zusammen mit einer hohen Wettbewerbsintensität dafür, dass auch private Großbanken in diesem Segment nur relativ niedrige Preise durchsetzen und damit vergleichsweise niedrige Renditen hinnehmen müssen. Öffentliche Kreditinstitute und ein hoher Wettbewerbsgrad begrenzen demnach die Gewinne auch der Privatbanken – zum Vorteil aller Bankkunden.

Sparkassen und Genossenschaftsbanken verfolgen eine gesamtwirtschaftlich und strukturpolitisch wünschenswerte aktivseitige Geschäftspolitik. Bei beiden Institutsgruppen haben Kredite an Unternehmen – im Unterschied zu anderen Finanzanlagen – einen relativ hohen Stellenwert. Für den Zeitraum zwischen 1992 und 2002 stellte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) fest, dass der Anteil der Unternehmens- und Privatkredite an der Bilanzsumme bei den Privatbanken von 62% auf 41% zurückgegangen ist. Der entsprechende Anteil ist bei den Sparkassen dagegen von 58% auf 60% leicht angestiegen. Eine Auswertung von Unternehmensdaten von knapp 7.000 kleinen oder jungen Unternehmen kommt zu dem Fazit: Private Banken spielen seit Anfang der 90er Jahren keine starke, statistisch signifikante Rolle bei der Kreditversorgung der Mehrheit junger, kleiner Unternehmen. Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben dagegen substantielle, signifikant positive Einflüsse. Dieses Ergebnis dürfte eine Konsequenz des „Regionalprinzips“ sein, das sich insbesondere positiv auf die Kreditvergabe in strukturschwachen Gebieten – wie Teilen Ostdeutschlands –auswirkt. Zudem ist zu beobachten, dass die Kreditvergabe von Sparkassen und Genossenschaftsbanken weniger von konjunkturellen Faktoren oder von der Entwicklung der Aktienpreise abhängig ist als die Kreditvergabe von Privatbanken. Damit haben Sparkassen und Genossenschaftsbanken einen stabilisierenden gesamtwirtschaftlichen Einfluss.

Sparkassen und Landesbanken können potenziell als effizientes Instrument einer zielgerichteten alternativen regionalen Wirtschaftspolitik genutzt werden. Der Einfluss der (Kommunal-)Parlamente bei der Besetzung der Entscheidungsorgane öffentlicher Kreditinstitute könnte z.B. genutzt werden, um gezielt politisch eingebettete Schwerpunkte bei der Kreditvergabe zugunsten regional-, beschäftigungs- oder sozialpolitisch erwünschter Investitionen umzusetzen, freilich unter Beachtung kreditwirtschaftlicher Rahmenerfordernisse.

Vor dem Hintergrund dieser knappen Skizze des „Drei-Säulen-Systems“ sollen im Folgenden zunächst die aktuellen Entwicklungen innerhalb des öffentlichen Banken-Sektors dargestellt und damit das bisher gezeichnete Bild etwas differenziert werden, bevor auf aktuelle Privatisierungs-Tendenzen eingegangen wird.

Öffentliche Kreditinstitute: Zwischen Gemeinwohlverpflichtung, Marktzwängen und öffentlich finanzierter Misswirtschaft

Sparkassen und Landesbanken ist für eine gemeinwohlorientierte Politik ein enger Rahmen gesetzt: Seitdem auf Druck der EU-Kommission im Jahre 2005 die staatlichen Haftungsgarantien (Gewährträgerhaftung und Anstaltslast) weggefallen sind, haben sich insbesondere für die Landesbanken die Refinanzierungsbedingungen verschärft. Sparkassen und Landesbanken müssen sowohl im Kredit- wie auch im Spargeschäft im Wettbewerb mit Privatbanken und Genossenschaftsbanken bestehen. Ferner müssen die Risiken im Kreditgeschäft so gemanagt werden, dass bankaufsichtliche Vorgaben erfüllt werden und die Existenz des Kreditinstitutes nicht gefährdet ist. Damit bewegen sich öffentliche Kreditinstitute in einem Spannungsfeld zwischen Gemeinwohl-Auftrag und betriebswirtschaftlichen wie aufsichtsrechtlichen Erfordernissen.

Innerhalb dieses Spannungsfeldes droht sich eine immer stärker an betriebswirtschaftlichen Kriterien orientierte Geschäftspolitik durchzusetzen. Ausdruck für diese Tendenz sind z.B. die vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV), dem Dachverband der Sparkassen, proklamierten Ziele, die die Sparkassen bis 2007 erreicht haben sollen: 15% Eigenkapitalrendite und eine Kosten-/Ertragsrelation von 60%. Um dies zu erreichen, finden innerhalb des Sparkassenlagers verstärkt Fusionen oder Kooperationen statt, werden vor- und nachgelagerte Tätigkeiten ausgegliedert oder Filialnetze in strukturschwachen Regionen ausgedünnt. So hat z.B. die Sparkasse Südwestpfalz Ende 2006 – gegen öffentliche Proteste – ein Drittel ihrer zuvor 60 Filialen geschlossen. Prof. Udo Reifner, Leiter des Instituts für Finanzdienstleistungen, sieht eine wachsende Diskriminierung armutsprekärer Haushalte bei der Kreditvergabe als Folge einer stärkeren Gewinnorientierung auch bei Sparkassen.

Gefahr einer überwiegend an betriebswirtschaftlichen Kriterien ausgerichteten Geschäftspolitik ist vor allem, dass die Gemeinwohlorientierung dabei in den Hintergrund tritt. Zudem kann ein Verlust der regionalen Anbindung und der dezentralen Kompetenzen die langfristige Folge sein, wenn im Rahmen von kurzfristig rentabilitätsorientierten Umstrukturierungen entscheidende Kompetenzen von einzelnen Sparkassen zu zentralen Einheiten verlagert werden. Die Gewerkschaft ver.di warnt: „Eine nur noch rechtlich selbständige, aber faktisch unselbständige Sparkasse widerspricht dem dezentralen Unternehmertum in einem Verbundmodell“.

Diese Entwicklungen werden auch innerhalb der Sparkassengruppe in Ansätzen kritisch diskutiert. So sagte der heutige geschäftsführende Präsident und damalige Verbandsgeschäftsführer des Ostdeutschen Sparkassenverbandes, Claus Friedrich Holtmann, bei der Vorstellung des Jahresergebnisses 2005 der Verbandssparkassen im Mai 2006: „Wir müssen uns jetzt fragen, ob diese Zahlen allein selig machend sind“. Nötig sei eine neue Balance zwischen der Orientierung an betriebswirtschaftlichen Vorgaben, die wichtig seien, und den Aufgaben, die nur eine Sparkasse erfüllen könne. Der öffentliche Auftrag müsse gemeinsam mit den Städten und Kreisen neu mit Leben gefüllt werden.

Damit wird deutlich, dass Kooperationsvorhaben, Fusionen und Auslagerungen innerhalb des Sparkassensektors stets vor dem Hintergrund des jeweiligen Einzelfalles und der konkreten institutionellen Ausgestaltung zu bewerten sind. Ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung konkreter Projekte ist, ob die kommunale Bindung einer leistungsfähigen Sparkasse erhalten bleibt. Nur wenn dies der Fall ist, kann eine Sparkasse als Instrument einer Wirtschaftspolitik auf Ebene eines konkreten Kreises bzw. einer Stadt genutzt werden.

Bei den Landesbanken ist die Hinwendung zu einer kommerziellen Geschäftspolitik besonders stark ausgeprägt und auch schon länger zu beobachten. Dazu nur ein Beispiel: Die NordLB ist zusammen mit privaten Unternehmen an einem Konsortium beteiligt, das eine Justizvollzugsanstalt in Sachsen-Anhalt als Public-Private-Partnership-Projekt baut und betreibt. Grundsätzlich gilt: Da Landesbanken kein Massengeschäft betreiben, sondern sich im Wesentlichen über den Kapitalmarkt refinanzieren, sind die Beurteilungen der Ratingagenturen für sie wichtig. Der Wegfall der Haftungsgarantien hat somit die Rahmenbedingungen ihres Geschäfts dramatisch verändert. Ein gutes Rating steht heute im Mittelpunkt ihrer Geschäftspolitik. Diskussionen über Fusionen, Kooperation oder Verbundkonzepte haben daher besonders hier Hochkonjunktur. Dies betrifft sowohl die Zusammenarbeit zwischen Landesbanken (horizontale Zusammenarbeit), als auch zwischen einer Landesbank und Sparkassen in deren Gebiet (vertikale Zusammenarbeit). So wurde in NRW über eine Fusion der WestLB und der Sparkasse Düsseldorf nachgedacht, um das Rating der WestLB zu verbessern. Solche vertikalen Fusionen bedrohen die Selbständigkeit der Institute und stellen damit eine der Stärken der Sparkassen in Frage, nämlich die Präsenz vor Ort und die daraus resultierenden Markt- und Kundenkenntnisse und -beziehungen. Sie führen dazu, dass die Landesbanken mit ihrer momentan eher kritikwürdigen Geschäftspolitik ein besseres Rating bekommen, während die Sparkassen geschwächt würden und an regionaler Bindung verlören. Vertikale Fusionen werden daher bislang von den Sparkassen und ihren Verbänden abgelehnt. Fakt sind solche Verschmelzungen dennoch in einigen bedeutsamen Fällen (z.B. in Stuttgart, Frankfurt und zum Teil in Sachsen). Zudem suchen einige Landesbanken andere Wege, die bisherige Arbeitsteilung zwischen Sparkassen und Landesbanken zu durchbrechen, um ihr Geschäftsfeld in Konkurrenz zu Sparkassen auszuweiten: So drängt die BayernLB mit ihrer Berliner Tochter „Deutsche Kreditbank AG“ bundesweit in den Markt mit Privatkunden und Kommunen, die WestLB wendet sich nach dem Kauf der Berliner „Weberbank“ bundesweit dem gehobenen Privat-Kundenkreis zu.

Im Unterschied zu diesen Vorstößen und vertikalen Fusionen ist eine verstärkte horizontale Zusammenarbeit zwischen Landesbanken durchaus ambivalent zu bewerten: Zwar führt sie zu einer weiteren Aufweichung des Regionalcharakters und zu Arbeitsplatzabbau. Andererseits gibt es in der Tat derzeit viele Doppelarbeiten, Ressourcen könnten effektiver eingesetzt werden und größere Landesbanken wären auch eher ein Gegengewicht zu den privaten Großbanken. Für eine Beurteilung solcher Fusionen bzw. Kooperationen sind daher wieder die institutionellen Details wichtig. Insbesondere muss eindeutig geregelt werden, dass die Zusammenarbeit dem Verbund aus Sparkassen und Landesbanken zu Gute kommt und dass die fusionierten bzw. kooperierenden Landesbanken eine Geschäftspolitik im gesamtwirtschaftlichen Interesse betreiben. Ferner ist die Geschäftsausrichtung aller Landesbanken so einzuengen, dass hoch riskante Geschäfte mit fragwürdigem strukturpolitischem Nutzen unterbleiben. Vor allem diese Geschäfte hatten in der Vergangenheit einigen Landesbanken mehrstellige Millionenverluste beschert, für die letztlich die öffentliche Hand als Eigentümer aufkommen musste. So verbuchte die BayernLB nach fragwürdigen Geschäften in Singapur 1997 rund 400 Mio. Euro Verluste, leichtfertig an die mittlerweile insolvente Kirch-Gruppe vergebene Kredite schlugen mit weiteren Verlusten in Milliarden-Höhe zu Buche. Die WestLB verbuchte im Jahr 2003 einen Verlust von 2,3 Mrd. Euro, der unter anderem auf Wertberichtigungen auf börsennotierte Beteiligungen und Ausfälle durch Kreditgeschäfte in Großbritannien zurückzuführen war. Die Berliner Landesbank brachte sich mit riskanten Immobilienfondsgeschäften an den Rand der Insolvenz, die durch Zahlungen des Landes Berlin in Höhe von bislang 2,6 Mrd. Euro verhindert wurde.

Die Gesamtschau verdeutlicht, dass Kreditinstitute in öffentlicher Trägerschaft bzw. in öffentlichem Eigentum differenziert zu bewerten sind: Öffentliche Trägerschaft bzw. öffentliches Eigentum allein ist noch kein hinreichendes Kriterium dafür, dass ein Kreditinstitut tatsächlich eine effiziente gemeinwohlorientierte Geschäftspolitik betreibt. Erst Recht ist es kein hinreichendes Kriterium dafür, dass es seine Spielräume für eine bewusst formulierte alternative Wirtschaftspolitik nutzt. Ob es das tut, hängt vielmehr von den regionalen politischen Kräfteverhältnissen und von den konkreten Rahmenbedingungen ab, denen sich ein öffentliches Kreditinstitut gegenübergestellt sieht. Gleichzeitig ist aber hervorzuheben, dass öffentliche Trägerschaft bzw. öffentliches Eigentum ein notwendiges Kriterium für eine effiziente gemeinwohlorientierte Beeinflussung der Kreditmärkte in zweierlei Hinsicht ist.

Erstens kann nur mit dieser Rechts- bzw. Eigentumsform eine effiziente gemeinwohlbeeinflusste Kreditvergabe sichergestellt werden. Private gewinnmaximierende Kreditinstitute können dies, selbst wenn ihnen Auflagen für die Kreditvergabepolitik gemacht würden, nicht, weil klare und durchsetzbare Auflagen in diesem Bereich nicht definierbar sind.

Zweitens kann durch diese Rechts- bzw. Eigentumsform das Spar- und Kreditgeschäft in einem gewissen Ausmaß von den Renditeerwartungen der Finanzmärkte entkoppelt werden. Nur wenn genügend viele effizient arbeitende Anbieter (oder ein gleichwertiger Anbieterverbund) von betriebswirtschaftlich verengten Renditeerwartungen entkoppelt sind und ihre Konditionen entsprechend gestalten, können die privaten Anbieter auf den Märkten – zum Vorteil aller Kunden – nicht die Konditionen durchsetzen, die ihnen bei oligopolartiger Marktstruktur möglich wären. Genau diese Funktion könnten öffentliche Kreditinstitute nach einer Privatisierung nicht mehr ausüben – weil sie dann ja ebenfalls die privatwirtschaftlich verengten Renditeerwartungen verfolgen und ihre Konditionen entsprechend gestalten müssten.

Privatisierung: Profiteure, Akteure und aktuelle Tendenzen

Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass öffentliche Kreditinstitute mit massiven Privatisierungsforderungen konfrontiert sind. Die Front ihrer Gegner ist breit: Neben dem Internationalen Währungsfonds, der in seinem jüngsten Jahresbericht Gesetzesänderungen zur Ermöglichung von Sparkassen-Privatisierungen fordert, und der marktorthodoxen Wirtschaftswissenschaft sind hierbei vor allem die privaten Großbanken zu nennen.

Private Großbanken haben ein handfestes ökonomisches Interesse an der Abschaffung öffentlicher Kreditinstitute, die einer Renditesteigerung im Wege stehen. Dies gilt insbesondere, seitdem die Privatbanken nach dem Aktiencrash im Jahr 2001 das Massengeschäft – in dem traditionell Sparkassen relativ stark sind – als Geschäftsfeld wiederentdeckt haben. Der Bankenverband, die Interessenvertretung der privaten Banken, unterlegt seine Privatisierungs-Forderung wie folgt: Zum einen hätten Sparkassen ihre Existenzberechtigung verloren, weil sie – wie das DSGV-Rendite-Ziel von 15% zeige – sich in ihrem Geschäftsgebaren nicht mehr von einer privaten Bank unterschieden. Zum anderen verhinderten sie eine Konsolidierung der deutschen Bankenbranche, da sie aus rechtlichen Gründen derzeit nicht zu kaufen seien. Dadurch gelänge es den privaten Banken nicht, sich Marktanteile zuzukaufen, Effizienzgewinne zu realisieren und ihre Renditen so zu erhöhen. Unzureichende Möglichkeiten zu größenbedingten Effizienzsteigerungen und eine zu große Zahl an Bankanbietern („Over-Banking“) seien die Ursachen niedriger Renditen im deutschen Kreditgeschäft, die wiederum bewirkten, dass sich ausländische Konkurrenten billig einkaufen könnten.

Selbst der – sonst eher privatisierungsfreundliche – Sachverständigenrat kommt allerdings zu dem Fazit, dass sich aufgrund der heutigen Datenlage die Frage nach den Effizienzverlusten nicht eindeutig beantworten lässt. Zuletzt heißt es in einer Studie des Finanzkonzerns „Citigroup“: Die Sparkassen- und Genossenschafts-Verbünde seien hoch erfolgreich. Nicht sie seien Schuld an der Fragmentierung des deutschen Bankensystems, sondern tatsächlich seien die börsennotierten Banken das Hauptproblem. Die Diskussion sei eine Ablenkung von der Notwendigkeit für die börsennotierten Banken, untereinander zu fusionieren. Diese verfügten über zu kleine Filialnetze, und überdies seien sie häufig an denselben Orten präsent. Beispiele der privatisierten Postbank AG oder der ING Diba zeigten darüber hinaus, dass es durchaus möglich sei, im angeblich betonierten deutschen Finanzsektor erfolgreich zu sein.

Einen mächtigen Verbündeten haben die Privatisierungsbefürworter in der EU-Kommission gefunden. Der „Kronberger Kreis“ – ein neoliberaler Think-tank – formulierte bereits im Jahr 2001, dass man sich ohne den Druck aus Brüssel den entscheidenden Sprung nach vorn kaum vorstellen könne. In der Tat waren es in den letzten Jahren politische Vorstöße aus Brüssel, die den öffentlichen Bankensektor geschwächt haben, wie die von der EU durchgesetzte Abschaffung staatlicher Haftungsgarantien im Jahre 2005 und das Ergebnis des Streits um den „Sparkassen“-Bezeichnungsschutz im letzten Jahr zeigen. Nach Auffassung der EU-Kommission verstößt der „Sparkassen“-Bezeichnungsschutz im Bundes-Kreditwesengesetz gegen die Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit. Private Investoren könnten das gute Image und damit den Wert der Bezeichnung „Sparkasse“ nicht nutzen und würden so davon abgehalten, Sparkassen zu erwerben. Im Sommer letzten Jahres hat die EU-Kommission ein ruhendes Vertragsverletzungsverfahren wieder aufgenommen und mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gedroht. Die vom Bundesfinanzministerium vorgelegten ersten „Kompromissvorschläge“ in Richtung Brüssel sahen eine faktische Abschaffung des Bezeichnungsschutzes vor – obwohl das Ministerium offiziell stets betonte, dass seiner Auffassung nach der Bezeichnungsschutz vereinbar mit dem EU-Recht sei. Wegen dieser undurchsichtigen Verhandlungsstrategie intervenierten die Bundesländer und der Bundestag. Die Gewerkschaft ver.di sammelte binnen weniger Wochen 120.000 Unterschriften unter Sparkassen- und Landesbank-Beschäftigten. Der Deutsche Landkreistag und der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, der Münchener Oberbürgermeister Christian Uhde, verteidigten den bestehenden Bezeichnungsschutz öffentlich. Ein Gutachten des Kasseler Wirtschaftsjuristen Prof. Bernhard Nagel untermauerte, dass der Bezeichnungsschutz vereinbar mit EU-Recht ist.

Ende letzten Jahres erreichten Finanzministerium und EU-Kommission dann eine Einigung, mit der zwar das Vertragsverletzungsverfahren eingestellt wurde. Allerdings hat das Finanzministerium im Gegenzug der EU-Kommission offenbar zugesichert, dass das Kreditwesengesetz in einer Weise angewandt werden wird, „die nicht gegen die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr verstößt“, so Bundesfinanzministerium und EU-Kommission in ihren gleich lautenden Mitteilungen über die Einigung – was nach Auffassung der EU-Kommission bedeutet, dass private Investoren die Bezeichnung „Sparkasse“ nutzen dürfen. In der Einigung wurde ferner festgehalten, dass im Fall des bevorstehenden Verkaufs der Berliner Sparkasse auch private Erwerber die Bezeichnung „Sparkasse“ nutzen dürfen – obwohl auch zu diesem Zugeständnis keine juristische Notwendigkeit bestand.

Die grundsätzliche Reichweite der Einigung bleibt offen. Bundesfinanzminister Steinbrück verwies darauf, dass die Frage des Bezeichnungsschutzes erneut zu diskutieren sei, wenn eine Sparkassen-Privatisierung anstehe. Der (private) Bankenverband dagegen interpretierte umgehend: Die Einigung habe zum Inhalt, dass Berlin „kein Sonder-, sondern ein Präzedenzfall“ sei, wird deren Hauptgeschäftsführer Manfred Weber in einer ddp-Meldung vom 06.12.2006 zitiert. Dies gelte „für die Berliner Sparkasse, es gilt aber auch in jedem anderen Fall, wenn eine Kommune ihre Sparkasse privatisieren will“. Damit hat die Bundesregierung in der Auseinandersetzung mit der EU-Kommission die bundespolitische Hürde für Sparkassen-Privatisierungen ins Wanken gebracht.

Ende Januar diesen Jahres, wenige Wochen nach der Einigung im Streit über den Sparkassen-Bezeichnungsschutz, die eigentlich für vorläufige Ruhe im Streit mit Brüssel um öffentliche Kreditinstitute sorgen sollte, legte die EU-Kommission nach. EU-Kommissarin Neelie Kroes vertritt die Auffassung, dass die Kooperation der Sparkassen im Sparkassen-Verbund einschließlich des „Regionalprinzips“ – genau wie beim Genossenschafts-Verbund – eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellen und den Eintritt neuer Marktteilnehmer verhindern könnte. Die EU-Kommission kündigte weitergehende Untersuchungen an. Über den weiteren Verlauf kann bei Drucklegung noch nichts Genaueres gesagt werden. Grundsätzlich besitzt die EU-Kommission in der Wettbewerbspolitik umfassende Befugnisse, die den Erlass von Strafzahlungen oder das Nichtigerklären von wettbewerbsbeeinträchtigenden Absprachen einschließt. Der erneute Vorstoß der EU-Kommission kann daher durchaus schwerwiegende Folgen für die öffentlichen Kreditinstitute haben. Dem müsste u.a. eine Alternativ-Interpretation des EG-Vertrages gegenübergestellt werden: Art. 295 des EG-Vertrages betont, dass Fragen der Eigentumsordnung Angelegenheit der Mitgliedsstaaten sind und nicht in den Kompetenzbereich der EU fallen.

Bereits vollzogen: Erste Privatisierungsschritte

Den Ausgangspunkt für die Privatisierungsentwicklung allein bei der EU-Kommission zu verorten, greift allerdings zu kurz. Zum einen ist hervorzuheben, dass in den vergangenen Auseinandersetzungen mit Brüssel die jeweilige Bundesregierung zwar verbal die öffentlichen Institute verteidigt, faktisch aber halbherzig verhandelt hat und schließlich eingeknickt ist. Die Verhandlungen um die staatlichen Haftungsgarantien ließ die damalige rot-grüne Bundesregierung z.B. von Staatssekretär Caio Koch-Weser führen, der heute ein Gehalt von der Deutschen Bank bezieht.

Zum anderen sind auch unabhängig von EU-Forderungen Privatisierungstendenzen in Deutschland festzustellen: So wurde es im Laufe der letzten Jahre den Sparkassen in etlichen Bundesländern ermöglicht, auch private Anleger als „Stille Gesellschafter“ aufzunehmen. Dadurch können sich Private an Sparkassen beteiligen und erwerben Gewinnansprüche. In der Regel haben sie formal keinen Einfluss auf die Geschäftspolitik – Ausnahmen sind Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland, wo private „Stille Gesellschafter“ in den Verwaltungsräten vertreten sein können. Allerdings kann ein starker „Stiller Gesellschafter“ auch ohne formale Mitwirkungsrechte über informelle Kanäle Einfluss auf die Geschäftspolitik einer Sparkasse nehmen – teils mit problematischen Konsequenzen für die Gemeinwohlorientierung einer Sparkasse.

Im Saarland wurde im letzten Jahr das Sparkassengesetz novelliert. Künftig können dort öffentlich-rechtliche Stiftungen Träger von Sparkassen sein. Kommunal- und Sparkassenvertreter sehen darin die Gefahr einer „Entkommunalisierung“. Das Beispiel in Italien ist in der Tat abschreckend: Dort haben sich die von Stiftungen getragenen Sparkassen zu reinen Geschäftsbanken entwickelt, die überregional und grenzüberschreitend fusionieren oder aufgekauft werden.

Im Sommer letzten Jahres wurde mit der HSH Nordbank AG erstmalig eine Landesbank teilprivatisiert – mit möglichem „Pilotcharakter für andere Landesbanken“, so die FinancialTimes vom 31.08.2006. Die WestLB AG, deren Besitzer das Land NRW und die nordrhein-westfälischen Sparkassen sind, hat ihren Anteil an der HSH Nordbank AG von rund 27 Prozent an eine Investorengruppe um den Finanzinvestor J. C. Flowers verkauft. Der Börsengang der HSH Nordbank ist für 2008 vorgesehen. Weder der Sparkassenverband in Schleswig-Holstein noch die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein haben von ihrem Vorkaufsrecht gebrauch gemacht. WestLB-Aufsichtsratschef Rolf Gerlach, Präsident des Westfälisch-Lippischen Sparkassenverbandes, äußerte sich wohlwollend über weitere Börsengänge von Landesbanken. Damit wird deutlich: Auch innerhalb des Lagers der Sparkassen und Landesbanken scheint eine Ablehnung von (Teil-)Privatisierungen nicht Konsens zu sein. Auch wenn die HSH Nordbank zunächst mehrheitlich in öffentlichem Eigentum verbleibt, wird die Teilprivatisierung den Druck zur Gewinnoptimierung weiter verstärken. Im Aufsichtsrat der HSH sitzen künftig Flowers und der Finanz- und Investmentberater Ravi Shina, der als Europachef von Flowers gilt. Dies ist umso problematischer, weil die übrigen Landesbanken sowie die Sparkassen für die Risiken der teilprivatisierten HSH Nordbank AG im Ernstfall einstehen müssen, weil sie noch Mitglied im Haftungsverbund der Landesbanken und Sparkassen ist.

Von den bevorstehenden Änderungen der Landessparkassengesetze in Hessen und NRW sowie der Umwandlung der SachsenLB in eine AG befürchten Kritiker, dass sie Schritte in Richtung auf eine Privatisierung darstellen.

Verkauf der Landesbank Berlin Holding AG/Berliner Sparkasse im Jahr 2007

Bis Ende des Jahres wird die Landesbank Berlin Holding AG und mit ihr die in sie integrierte Berliner Sparkasse verkauft. Zum Zeitpunkt der Drucklegung war noch nicht klar, wer Käufer wird – mehrere private Investoren haben ihr Interesse bekundet, aber auch der DSGV und verschiedene Landesbanken. Gewinnt ein privater Investor das Ausschreibungsverfahren um die Landesbank Berlin/Berliner Sparkasse, so wird es republikweit die erste privatisierte „Sparkasse“ geben. Derzeit ist noch unklar, ob dies der Fall sein wird oder ob ein Käufer aus dem öffentlich-rechtlichen Spektrum den Zuschlag bekommen wird und damit eine materielle Privatisierung verhindert werden kann.

Die Hintergründe des Verkaufs sind kompliziert: In den Jahren 2001 und 2002 hatte das Land Berlin Garantien für Risiken ihres komplexen Geflechts aus landeseigenen Banken übernommen und direkte Zahlungen geleistet. Ziel war zu verhindern, dass das öffentliche Banken-Konglomerat, das ins Strudeln geraten war und zu dem auch die Berliner Sparkasse gehörte, von der Bankenaufsicht geschlossen wurde. Diese Garantiezusagen und die Zahlungen des Landes Berlin wurden von der EU-Kommission als Beihilfe betrachtet, die eine Zustimmung der EU-Kommission benötigt. Nach Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Land Berlin und Bund hat die EU-Kommission die Beihilfe genehmigt. Teil der Genehmigung ist die Auflage, die jetzige Landesbank Berlin Holding AG bis Ende 2007 diskriminierungsfrei zu verkaufen. Die „Diskriminierungsfreiheit“erfordert u.a., dass Bieter aus dem öffentlichen Sektor nicht unbegründet anders behandelt werden dürfen als private Bieter. Daraufhin hat das Berliner Abgeordnetenhaus im Jahr 2005 ein neues Berliner Sparkassengesetz beschlossen, das die Umsetzung der Verkaufsauflage konkretisiert. Formuliert hat das Gesetz – im Auftrag des rot-roten Berliner Senats – die Rechtsanwaltskanzlei „Freshfields Bruckhaus Deringer“, die nach Angaben der Fernsehsendung „Report“ mit dem Bankenverband über Berateraufträge eng verbunden ist. Diese Kanzlei wählte eine juristisch umstrittene Form der Umsetzung der Verkaufsauflage der EU: Es wird eine „Berliner Sparkasse“ ermöglicht, die einen privaten gewinnorientierten Träger hat. Gleichzeitig ist der öffentliche Einfluss auf diese „Berliner Sparkasse“ minimal: Es gibt keinen Verwaltungsrat, stattdessen wird die Sparkasse faktisch vom Vorstand des privaten Trägers geleitet. Dem Gesetzestext nach ist diese „Berliner Sparkasse“ zwar weiterhin dem Gemeinwohl verpflichtet – im Gesetz sind aber weder hinreichende Konkretisierungen enthalten noch besondere Transparenz-Verpflichtungen, die zur Überprüfung der Geschäftstätigkeit der „Berliner Sparkasse“ nötig wären. Ebenso wenig wird die abstrakte Vorgabe konkretisiert, die Befriedigung des örtlichen Kreditbedarfs zu fördern. Die Gewinne fließen vollständig an den privaten Träger.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wertete dieses Gesetz als Verstoß gegen das Kreditwesengesetz, wonach eine Sparkasse öffentlich-rechtlich sein muss und forderte eine Gesetzesänderung. Dieser Aufforderung kam das Land nicht nach. Stattdessen drängte Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin die EU-Kommission, das damals ruhende Vertragsverletzungsverfahren wegen des „Sparkassen“-Bezeichnungsschutzes im Kreditwesengesetz weiterzuverfolgen – „Sarrazin drängt darauf, dass private Käufer den Begriff ‚Berliner Sparkasse’ nutzen dürfen. So erhöht sich die Kaufsumme erheblich", bewertete das Handelsblatt die Motivation. „Mein Job ist es, das Beste für Berlin zu tun und dabei die Auflagen der EU einzuhalten – und nicht, über die Rolle der öffentlich-rechtlichen Banken im deutschen System zu philosophieren“, so Sarrazin gegenüber der Financial Times Deutschland. Letztlich konnte sich Sarrazin durchsetzen und erhielt mit der fragwürdigen Einigung zwischen EU-Kommission und Bundesregierung zum „Sparkassen“-Bezeichnungsschutz „grünes Licht“ für die Umsetzung der gewagten Rechtskonstruktion.

Im Ergebnis wird mit dieser Konstruktion erstmals der Einstieg von Privatbanken in den Sparkassensektor gestattet und damit möglicherweise die klare Trennung des „Drei-Säulen-Modells“ aufgehoben.

Es bleibt zu hoffen, dass der Senat bei den Verkaufsverhandlungen berücksichtigt, dass „das Gesetz über die Berliner Sparkasse ... bereits folgende sparkassentypische Auflagen (regelt):

  • Die Konzentration des Dienstleistungsangebots unter der Marke Sparkasse im Geschäftsgebiet Land Berlin ist verpflichtend vorgeschrieben.
  • Der Sparkasse obliegt die Verpflichtung zur Förderung des Sparens und zur Befriedigung des örtlichen Kreditbedarfs, insbesondere der wirtschaftlich schwächeren Kreise und des Mittelstandes.
  • Entsprechend der für Sparkassen typischen Orientierung am Gemeinwohl legt das Sparkassengesetz fest, dass die Erzielung von Gewinn nicht der Hauptzweck des unter Beachtung allgemeinwirtschaftlicher Gesichtspunkte zu führenden Geschäftsbetriebs ist.

Diese Auflagen sind als verbindliche Vorgaben im Verkaufsverfahren zu berücksichtigen.“ (Antrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus Berlin vom 20.2.2007)

Der Berliner Senat jedenfalls wird von den beiden Berliner Regierungsparteien in diesem Antrag aufgefordert, „im Zuge der im Beihilfeverfahren zur Risikoabschirmung von der EU beauflagten diskriminierungsfreien Veräußerung der Landesbank Berlin folgende Aspekte im Rahmen des mit dem Erwerber abzuschließenden öffentlich-rechtlichen Vertrages über die im Sparkassengesetz verankerten sparkassentypischen Auflagen hinaus verbindlich festzuschreiben und durch Vertragsstrafe zu sichern:

  • Verpflichtung zur Sicherung des Unternehmenssitzes der Landesbank Berlin in der Stadt Berlin,
  • Verpflichtung zur Bereitstellung des Girokontos für alle, d.h. zur Entgegennahme von Einlagen in Euro für natürliche Personen mit Wohnsitz im Geschäftsgebiet, soweit kein vorangegangener Leistungsmissbrauch dies als unzumutbar erscheinen lässt, unter der Bezeichnung Sparkasse,
  • Verpflichtung zur Präsenz in der Fläche mit dem Ziel, den Zugang zu Bankdienstleistungen für Jede und Jeden zu sichern,
  • Verpflichtung zur langfristigen Erhaltung der Arbeitsplätze der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesbank Berlin.

Dem Abgeordnetenhaus ist über die Umsetzung zu berichten.“

Novellierungen der Landes-Gesetze in Hessen, NRW und Sachsen

In Hessen und in Nordrhein-Westfalen sind aktuell Novellierungen der Landessparkassengesetze in der politischen Diskussion. In beiden Ländern ist geplant, die Bildung von Sparkassen-Stammkapital zuzulassen. Dies ist bislang ausschließlich in Rheinland-Pfalz zulässig. Damit wird die Logik der bisherigen Organisationsform der Anstalt öffentlichen Rechts durchbrochen, die keine Eigentums-Titel des Trägers vorsieht. Es werden Eigentumsrechte geschaffen, die prinzipiell eine Handelbarkeit ermöglichen. Die Gewerkschaft ver.di kritisiert solche Vorstöße grundsätzlich: „Das Vermögen der Sparkassen ist dem öffentlichen Auftrag in der jeweiligen Region gewidmet und darf weder übertragbar, noch perspektivisch handelbar werden.“ Und: „Die Bildung und Handelbarkeit von Stammkapital ist der erste Schritt zur Privatisierung von Sparkassen.“ Für Hessen ist ein entsprechender Gesetzentwurf zur Zeit der Drucklegung in der parlamentarischen Diskussion. Er sieht vor, die Stammkapitalbildung zuzulassen, aber einen möglichen Verkauf auf Fälle zu begrenzen, in denen andere Sparkassen bzw. deren Träger oder die Landesbank Hessen-Thüringen als Käufer auftreten. Damit solle, so der hessische Wirtschaftsminister Rhiel (CDU), „die Leistungsfähigkeit der Sparkassen gestärkt werden“ und vertikale wie horizontale Fusionen vereinfacht werden. Wenn auch zunächst auf öffentliche Institutionen begrenzt, so ist die Einführung von grundsätzlich handelbarem Stammkapital das Einfallstor für spätere Privatisierungen. Dies gilt umso mehr, als dass die EU-Konformität der Beschränkung der Handelbarkeit fragwürdig ist. Eine Klage privater Banken gegen diese gesetzliche Einschränkung unter Bezugnahme auf die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit scheint durchaus erfolgversprechend. Der zuständige EU-Binnenmarktkommissar betonte auf Vorab-Anfragen nach der Konformität des hessischen Gesetzentwurfes mit EU-Recht, dass er im Voraus keine Zusicherung hierüber geben könne. Vielmehr behält sich die EU-Kommission ausdrücklich das Recht vor, zukünftige Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, wenn sie später den Schluss zieht, dass der EG-Vertrag verletzt wurde. Landes-Sparkassenverband, die Kommunalen Spitzenverbände sowie SPD, Grüne und Linkspartei in Hessen haben sich gegen die Einführung von Stammkapital gewandt. Die Gewerkschaft ver.di veranstaltete im Herbst 2006 eine Aktionswoche und sammelte knapp 10.000 Unterschriften.

In NRW arbeitete bei Drucklegung das Finanzministerium noch am Gesetzentwurf für eine Novelle des Sparkassen-Gesetzes. Laut Financial Times ist hier die Ermöglichung von Stammkapital geplant, das jedoch überhaupt nicht handelbar sein soll. Ferner soll die Restriktion entfallen, nach der die Kommunen ausgeschüttete Sparkassen-Gewinne nur gemeinnützig verwenden dürfen. Auch hier haben sich Landes-Sparkassenverband, die Kommunalen Spitzenverbände und die Gewerkschaft ver.di gegen entsprechende Überlegungen gewandt. Darüber hinaus sieht der Koalitionsvertrag der NRW-Regierung eine Teil-Privatisierung der WestLB vor.

Die sächsische Landesregierung plant, die Landesbank Sachsen LB in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Dies solle eine geplante Beteiligung der WestLB an der SachsenLB vereinfachen, so die offizielle Begründung. Offenbar stehen aber weiter gehende Gedanken hinter dem Vorhaben, wie die Financial Times berichtet: „Als AG sei die Sachsen LB beispielsweise interessanter für private Investoren, denen die Rechtsform Anstalt des öffentlichen Rechts fremd sei, hieß es in der sächsischen Landesregierung nahen Kreisen.“ Faktisch wird mit der Umwandlung also die Voraussetzung dafür geschaffen, die Sachsen LB – wie die HSH Nordbank AG – teilweise zu privatisieren.

Der Überblick über Privatisierungstendenzen im Bereich öffentlicher Kreditinstitute zeigt: In diesem Jahr stehen Auseinandersetzungen an, die den Sektor deutlich verändern können und die das Einfallstor für (weitere) Privatisierungen sein können. Es kommt auf die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse an, den Privatisierungsbestrebungen etwas entgegenzusetzen und ein wirkungsmächtiges Instrument gegen deregulierte Finanzmärkte zu sichern und weiterzuentwickeln.

Axel Troost ist Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand der WASG und finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Deutschen Bundestag
Martin Mathes ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von Axel Troost

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