Prima Idee
Von Michael Schlecht
Prima Idee. Endlich soll es eine bessere Kinderbetreuung geben. Die Zahl der Krippenplätze soll auf 750.000 verdreifacht werden. Das wäre ein wichtiger Schritt. Aber wird er auch gegangen? Familienministerin Ursula von der Leyen will für den Ausbau drei Mrd. Euro einsetzen. Ihr Problem: Bislang sucht sie noch, woher das Geld kommen könnte. Will man eine wirklich gute Erziehung, dann kostet das viel Geld. Bei den jährlichen Zusatzkosten wird die Zehn-Mrd.-Marke schnell überschritten. Nimmt man noch den dringenden Ausbau der Schulen zu Ganztagsschulen hinzu, dann liegt der Finanzbedarf bei mindestens 20 Mrd. Euro. Unter Rot-Grün wurde eine Steuersenkungspolitik für Reiche, Vermögende und Konzerne forciert. Fortwährender, jährlicher Steuerverzicht: rund 60 Mrd. Euro. Die große Koalition setzt dies mit der weiteren Senkung der Unternehmenssteuern fort. Jährliche Steuerausfälle von zehn Mrd. Euro drohen. Länder und Gemeinden sollen bis 2012 allein auf mindestens 16 Mrd. zugunsten der Konzerne verzichten. Mindestens 75 Prozent der Eltern mit Kindern unter sechs Jahren wollen Beruf und Kinder miteinander vereinbaren. Und dies geht nur mit ausreichender sozialer Infrastruktur. Der Fortschritt ist, dass in Teilen der CDU und der SPD Reformnotwendigkeiten akzeptiert werden. Aber woher das Geld nehmen, das man doch gleichzeitig mit vollen Händen an Reiche, an Konzerne verschenkt? Eine Familien- und Erziehungspolitik im Interesse der Menschen, vor allem unserer Kinder, macht eine Umkehr in der Steuerpolitik erforderlich. Allein mit der Wiedereinführung der Vermögenssteuer und einer Reform der Erbschaftsteuer können jährlich zusätzlich 20 Mrd. Euro eingenommen werden. Was ist wichtiger für unser Land, für unsere Kinder: Die Privilegierung von Reichen und Vermögenden oder bessere Erziehung, bessere Bildung? Aber selbst mit optimal ausgestatteten Krippen, Kitas und Ganztagsschulen bliebe ein Problem: Die Arbeitswelt! In vielen Branchen, in vielen Betrieben wird nur noch befristet eingestellt. Und dann auch häufig nur in Teilzeit. Besonders Frauen sind hiervon betroffen. Seitdem Rot-Grün die Leiharbeit 2002 »dereguliert« hat, kam sie bei Unternehmern richtig in Mode. Und Unternehmer erwarten den flexiblen Beschäftigten, der sich für die Firma verbiegt, immer länger arbeitet, wenn viel zu tun ist, immer da ist, wenn er oder sie gebraucht wird. Mit Kindern passt das schlecht zusammen. 24-Stunden-Kitas sind noch kaum verbreitet. Und wohl auch nicht besonders erstrebenswert. Es gibt zwar ein Erziehungszeitgesetz mit dem Anspruch auf befristete Freistellungen von der Arbeit oder sogar einen Anspruch auf Teilzeit. Aber was nutzt dieses Recht, wenn der befristete Job kürzer ist als die gewünschte Freistellungszeit? Was nutzt dieses Recht den vielen Frauen in kleinen und mittleren Betrieben? Gerade mit Hartz IV ist der freie Fall der Löhne eingeleitet worden. Sieben Millionen arbeiten für Niedriglöhne. Viele wissen nicht, ob sie demnächst nicht ebenfalls abrutschen. Woher soll man da den Mut nehmen, um sich den Kinderwunsch zu verwirklichen? Mit der Wahlfreiheit, ein Kind zu haben, Beruf und Familie zu vereinbaren, ist es heute nicht weit her. Um Paaren wirklich die freie Entscheidung über ihr Leben, über ihr Lebensglück zu ermöglichen, bedarf es weit mehr als ein paar Hunderttausende Krippenplätze. So wichtig das für den Anfang ist. Notwendig sind grundlegende Veränderungen in der Arbeitswelt. Sichere, planbare Beschäftigung. Gleiche Chancen für Frauen und Männer. Menschenwürdige Bezahlung. Arbeitszeiten, die sich auch einmal nach den Kindern richten.
Michael Schlecht ist Mitglied im Bundesvorstand der WASG