Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit
Eine andere Politik ist möglich!

Generalangriff der Konzernzentralen

von Klaus Ernst

Man kann sich nur noch die Augen reiben: Gutverdienende Unternehmen und bestverdienende Spitzenmanager fordern von ihren Belegschaften „Beiträge zur Wettbewerbsfähigkeit“. Die Arbeitszeiten sollen verlängert werden, selbstverständlich ohne Lohnausgleich. Auf Weihnachts- und Urlaubsgeld soll zumindest zum Teil verzichtet werden. Pausen sollen gestrichen werden.

Die Begleitmusik dazu kommt aus der Politik: Feiertage streichen (Bundesregierung), wenn nicht den Tag der deutschen Einheit, dann eben den 1. Mai (FDP), oder wie wäre es mit etwas weniger Urlaub (CSU)? Und die „Lohnnebenkosten“ sollen sinken, nicht für die Arbeitnehmer, aber für die Unternehmen. Die Beschäftigten sollen künftig ihren Zahnersatz und ihr Krankengeld selbst bezahlen, für die Rente soll privat vorgesorgt werden, damit die Beiträge für die Arbeitgeber sparen. Die Beiträge der Beschäftigten für die Gesundheit und die Altersvorsorge steigen, denn die 10 Euro Praxisgebühren oder die Zuzahlungen für Medikamente, ebenso wie die Ausgaben für die private Altersvorsorgung, führen dazu, dass Arbeitnehmer mehr zahlen.

Alles dient nach offizieller Lesart der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und damit der Sicherung der Arbeitsplätze, welcher Unsinn: Jeder merkt, die Arbeitslosigkeit steigt, trotz hervorragender Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten. Die Deutsche Bundesbank schreibt dazu im letzten Jahr:

„Seit Mitte der 90er Jahre hat Deutschland einen kräftigen Anstieg der realen Weltmarktanteile zu verzeichnen, der sich auch nach dem Beginn der Währungsunion fortsetzte“. Und etwas später im selben Bericht: „Dies belegt die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft gegenüber den Unternehmen aus anderen EU-Ländern“.

Worum geht es dann, wenn die Wettbewerbsfähigkeit offensichtlich nicht das Problem ist, wenn die Bundesrepublik sogar Exportweltmeister ist?

Der Binnenmarkt in der Bundesrepublik, die private Nachfrage, schränkt die Absatzmöglichkeiten der Unternehmen ein. Durch Kostensenkung, insbesondere bei den Einkommen der Arbeitnehmer, lässt sich der Gewinn steigern, auch wenn nicht mehr verkauft wird. Im „Spiegel“ 48/2004 schreiben fünf Autoren dieses Magazins in einem gemeinsamen Artikel: „Zunächst wird die Binnenkonjunktur geschwächt, weil die Konzerne in den vergangenen Jahren enorme Anstrengungen unternommen haben, Kosten zu drücken, insbesondere Personalkosten. Diese Sparaktionen haben den Konsum gedämpft, aber gleichzeitig wesentlich dazu beigetragen, dass die Gewinne der Unternehmen so außerordentlich gestiegen sind“. In der „Financial Times Deutschland“ wird auf einen aktuellen Bericht der Deutschen Bundesbank verwiesen, nach dem die Gewinnquote, also der Anteil der Gewinne am Volkseinkommen, den höchsten Stand der letzten 30 Jahre erreicht hat.

Die Strategie der Absenkung der Lohnkosten geht einher mit Steuersenkungen, die alle Regierungen der letzten Jahre den Unternehmen als „freundliche Gabe“ zukommen ließen. „Vor 40 Jahren kamen noch 20% des Steueraufkommens aus Gewinn- und Vermögenseinkommen, heute sind´s noch 6%“, schreibt der „Stern“ am 21.10.2004 in einem Artikel, der mit der Überschrift „Der Putsch von ganz oben“ zu lesen war.

Bei all den Unverschämtheiten, die mit erpresserischen Methoden Arbeitnehmern zugemutet werden sollen, geht es offensichtlich nur um eins: In den Kassen der Unternehmen soll es klingeln, die Arbeitnehmer sollen zahlen.

Den Arbeitnehmern werden damit nicht nur ihre Einkommen reduziert, sondern ihre Arbeitsplätze und damit ihre Existenz gefährdet. Die ökonomische Entwicklung ist gespalten, den Arbeitnehmern soll es schlechter gehen, dem Land wird es schlechter gehen, aber die Unternehmen und die Vorstände sahnen kräftig ab.

Zu dieser Entwicklung stellt selbst Heiner Geissler, früherer Generalsekretär der CDU, in der „Zeit“ fest: „Die Arbeiter in den Industriestaaten und ihre Gewerkschaften, die angesichts der Massenarbeitslosigkeit mit dem Rücken an der Wand stehen, fühlen sich anonymen Mächten ausgeliefert, die von Menschen beherrscht werden, deren Gier nach Geld ihre Hirne zerfrisst“.

Er moniert sich darüber, dass insbesondere die Gehälter der Vorstandsmitglieder, die an die Aktienkurse gekoppelt sind, dann steigen, wenn Entlassungen bekannt gegeben werden. „Wo bleibt der Aufschrei“, fragt er in diesem Aufsatz und kritisiert damit das Vorgehen von Unternehmen und Regierung.

Wir stehen in einer Zeitenwende, und wenn Gewerkschaften angesichts dieser Entwicklung aufschreien - leider noch viel zu leise - dann nicht, weil wir Besitzstandswahrer sind, sondern weil wir uns gegen die Besitzstandsmehrer in Unternehmen und Politik zur Wehr setzen müssen. Längst geht es im Unternehmerlager nicht um das Gemeinwohl, um Wohlstand für alle oder soziale Verantwortung. Es geht um die Sicherung und Mehrung der eigenen Profite.

Ein Mittel, das dabei noch im Wege steht, sind Gewerkschaften, sind Betriebsräte, sind Sozialverbände, sind Arbeitnehmer, die sich mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze, sind Arbeitslose, die sich mit dem Entzug ihrer Existenzgrundlage nicht abfinden wollen.

Sie gilt es nun, zu disziplinieren und ihren Widerstand zu brechen. Streikende Arbeitnehmer, die gegen den Verlust ihres Arbeitsplatzes demonstrieren, werden in die Illegalität gedrängt (Hundt), Montagsdemonstranten in den neuen Ländern verunglimpfen die Demokratiebewegung in der ehemaligen DDR (Clement), Gewerkschaften sind eine Plage für unser Land (Westerwelle).

Vorbereitet werden soll damit, Tarifverträge zu brechen: Löhne senken, Arbeitszeiten ohne Bezahlung erhöhen, Urlaubstage streichen, Überstundenzuschläge nicht mehr bezahlen, Arbeiten rund um die Uhr, auch an Sonntagen, das sind die Ziele, die damit erreicht werden sollen. Dem Angriff auf die Renten, auf die Versorgung der Arbeitslosen, auf die Leistungen und die paritätische Finanzierung des Gesundheitssystems, der Umverteilung von unten nach oben durch die Steuerpolitik folgt jetzt die Offensive der Konzerne und ihrer Verbände in den Betrieben und Verwaltungen.

16.12.2004

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