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Sozialverträgliche Arbeitsplatzvernichtung – der Fall Opel

von Renate Hercher-Reis und Joachim Bischoff

Wiederum wird uns ein »Erfolg« verkauft: Der Vorstand der Adam OpelAG hat sich mit dem Betriebsrat und der IG Metall auf ein sozialverträgliches Sanierungskonzept geeinigt.

Was sind die Fakten? In allen europäischen Standorten von General Motors Europe (inklusive Saab und Vauxhall) sollen bis Ende 2005 12.000 Arbeitsplätze gestrichen werden. In Deutschland werden davon rund 10.000 MitarbeiterInnen betroffen sein, davon 5.500 im Stammwerk Rüsselsheim, 3.600 in Bochum und 400 in Kaiserslautern. Wie soll diese Massenvernichtung von Arbeitsplätzen und Schicksalen nun sozialverträglich ablaufen?

Zunächst werden den Beschäftigten je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit Abfindungen von 10.000 € bis über 200.000 € angeboten. Schauen wir uns diese – nach Meinung der IG Metall –beispiellos hohen Abfindungen an und halten wir uns an den möglichen Fall von über 200.000 €. Vorraussetzung dafür ist, dass die/der Mitarbeiter/in über 50 Jahre alt ist und mindestens 30 Jahre bei Opel beschäftigt war. Das klingt in der Tat großzügig. Genauer betrachtet: Wenn der Mitarbeiter über 50 Jahre ist, hat er kaum je wieder eine Chance für eine neue Beschäftigung. Das bedeutet, dass er von diesem Geld ca. 15 Jahre seinen Lebensunterhalt bestreiten muss. Beim nachfolgenden Bezug von Arbeitslosengeld wird diese Abfindung angerechnet, und auch beim Krankenkassenbeitrag wird die Abfindung berücksichtigt. Doch damit nicht genug. Er muss mindestens noch 5 Jahre in die staatliche Rentenkasse einzahlen, um 35 Jahre Anwartschaft zu erreichen. Die Abfindung ist also nur für die KollegInnen eine Lösung, die aus dem sozialen Statuts der ArbeitnehmerIn aussteigen. Der Großteil der KollegInnen wird sich mit bescheideneren Beträgen zufrieden geben müssen. Auch in diesen Fällen dürften letztlich die Nachteile überwiegen.

Automobilwerker, die älter als 58 Jahre sind, können ein Altersteilszeit-Programm in Anspruch nehmen. Dabei handelt es sich um Ansprüche aus früheren Modernisierungsprogrammen; rund 1.000 Kollegen sollen in die bereits abgeschlossenen Verträge einsteigen können. Allerdings werden hierfür Mittel der Agentur für Arbeit in Anspruch genommen und in der Regel gilt hier die Vorraussetzung, dass für den, der in Altersteilzeit wechselt, ein anderer jüngerer und/oder arbeitsloser Mitarbeiter eingestellt wird. Da GM in der Summe Arbeitsplätze abbauen will, wird hier eine Teil der Sanierung des Großunternehmens über Sozialbeiträge unter Sonderbedingungen vollzogen.

Rund 2.000 OpelanerInnen werden in andere Firmen oder ausgegliederte Unternehmensteile »verschoben«. Diese werden von GM als Joint Venture bezeichnet und sind sicher mit erheblichen Lohneinbußen und einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verbunden.

Für den »Rest« sollen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften eine Zukunft erschließen. Diese Gesellschaften werden zu einem großen Teil von der Agentur für Arbeit mit finanziert, nämlich mit dem Transferkurzarbeitergeld von 60% - 67% des pauschalierten vorigen Nettoentgeltes (es gilt die Beitragsbemessungsgrenze von 4.500 € Brutto) für maximal ein Jahr und der Finanzierung von Schulungen bis zu 2.500 € pro MitarbeiterIn. Die Sozialabgaben und die Aufstockung des Gehaltes auf 95 % des vorigen Bruttoentgeltes, muss vom Arbeitgeber getragen werden. Bei diesen Zahlen ist nicht schwer ausrechnen, dass das die BeitragszahlerInnen die Agentur für Arbeit sehr viele Millionen € ihrer Beiträge kosten wird. Ein gutes Beispiel, wie die Umverteilung von unten nach oben funktioniert. Denn alles, was hier von den bundesrepublikanischen Beitragszahlern finanziert wird, erspart den Aktionären von GM Abfindungszahlungen und Ausgaben für Sozialpläne. In strukturschwachen Regionen geht man von einer Vermittlungsquote aus diesen Transfergesellschaften von ca. 40% bis max. 60 % aus. Das bedeutet dann für die verbleibenden KollegInnen im Anschluss ein Jahr Arbeitslosengeld und danach Arbeitslosengeld II. Für die Zukunft des Großteils der OpelanerInnen, die diesen Weg gehen, heißt das also, dass sie einen kleinen Zeitgewinn haben bis zum Zustand der Arbeitslosigkeit und der nachfolgenden Enteignung über Hartz IV.

Neu ist die Verpflichtung der ArbeitnehmerInnen, vor ihrer Überleitung in eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit ein Profiling-Modul zu durchlaufen. Die ArbeitnehmerInnen sollen dadurch in die Lage versetzt werden, die eigenen Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt besser einzuschätzen und danach zu handeln. Das neue Transferkurzarbeitergeld beträgt – wie bisher das Struktur-Kurzarbeitergeld – 60% bzw. 67% des pauschalierten Nettoarbeitsentgelts und wird für eine Höchstbezugsdauer von 12 Monaten gewährt. Die derzeit bestehende Verlängerungsmöglichkeit auf bis zu 24 Monate entfällt. Für Arbeitnehmer, die bis zum Jahresende 2003 mit dem Bezug von Struktur-Kurzarbeitergeld begonnen haben, bleibt es bei der Bezugsfrist von 24 Monaten (längstens bis Ende 2005).

An der Gesamtzahl der zur Vernichtung anstehenden Arbeitsplätze hat sich trotz der betrieblichen Auseinandersetzungen und Verhandlungen kaum etwas geändert. Es ist schon rätselhaft, wie dieses Abkommen als Erfolg eingeschätzt werden kann. Wirtschaftsminister Clement begrüßt es als »sozialverträgliche Lösung« und freut sich, dass es zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommt. Faktisch heißt dies aber nur, dass der Übergang in die Arbeitslosigkeit zeitlich verzögert erfolgt.

 

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