Offener Brief an die Mitglieder der WASG zur Lage in Darfur
von Hüseyin Aydin
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die humanitäre Lage in der sudanesischen Provinz Darfur hat sich in den vergangenen Monaten zugespitzt. Hintergrund ist ein seit 2003 tobender Bürgerkrieg zwischen verschiedenen Milizen und der Zentralregierung in Khartum. Die sudanesische Diktatur unter Präsident Umar el-Bashir versucht die Kontrolle über Darfur durch die Aufrüstung der so genannten Janjaweed zu behalten. Diese Milizen definieren sich selbst als rassisch überlegen. Sie haben den Bürgerkrieg maßgeblich eskaliert und sind für die massenhafte Vertreibung, Vergewaltigung und Ermordung von Schwarzafrikanern anderer Ethnien verantwortlich.
In dem Bürgerkrieg kamen wahrscheinlich 200.000 Menschen um. Derzeit befinden sich rund 1,4 Millionen Flüchtlinge in Lagern.
Zu Beginn dieses Jahres konnten wir auf Besserung der Lage hoffen. Die Zentralregierung und die SLA, eine der darfurischen Rebellengruppen, unterschrieben ein Friedensabkommen. Doch seitdem hat sich die SLA gespalten und der Krieg ist erneut aufgeflammt.
Nach UN-Angaben sind in Darfur fast drei Millionen Menschen auf internationale Hilfe für Lebensmittel, Unterkunft und medizinische Versorgung angewiesen. Doch aufgrund der Kämpfe sind derzeit einige Hunderttausend Binnenvertriebene vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten. Im Juli verhinderte die unsichere Lage die Versorgung von 470.000 hilfsbedürftigen Menschen durch das Welternährungsprogramm der UNO. Im August konnte das Programm endlich wieder die Arbeit in Süddarfur aufnehmen, aber im Norden blieben 355.000 Menschen unerreichbar.
Auch die Arbeit der vieler Nichtregierungsorganisationen ist akut bedroht. Mindestens zwölf Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen wurden seit dem Mai von Milizen ermordet.
Unter diesen Bedingungen müssen wir die Kriterien überprüfen, nach denen wir die Entsendung von Truppen beurteilen.
Die Abgeordneten der Linken haben sich im Bundestag bislang konsequent gegen militärische Interventionen gestellt. Wir haben den Kongo-Einsatz abgelehnt, da es in diesem Fall offensichtlich nicht um den vorgeschobenen Schutz des Wahlprozesses ging, sondern um die bloße Erprobung der Einsatzfähigkeit der geplanten europäischen Battlegroup. Wir haben den Einsatz vor der Küste Libanons abgelehnt, da er einseitig ist und Deutschland zum Teil des Konfliktes macht.
In Darfur stellt sich die konkrete Frage anders: Wie kann der unmittelbare Schutz der Flüchtlingslager und des internationalen Hilfseinsatzes gewährleistet werden?
Die in Darfur stationierten Truppen der Afrikanischen Union im Rahmen der Mission AMIS sind zu schlecht ausgestattet, um Angriffe der Milizen auf die Bevölkerung zu verhindern. Deshalb fordert nun die UN-Resolution 1706 die Umwandlung von AMIS in eine UN-geführte Mission. 22.000 Soldaten und Polizisten sollen entsandt werden, um den Konflikt zu befrieden. Die Linke im Europaparlament unterstützt diese Resolution.
Ich halte dies für eine richtige Entscheidung. Die Bewertung von internationalen Militärmissionen kann nicht von abstrakten Prinzipien abhängig gemacht werden. Wenn die neu entstehende gemeinsame Partei der Linken bei den Menschen im Land glaubwürdig sein soll, muss sie das Wohl der großen Bevölkerungsmehrheit ins Zentrum ihrer Politik stellen. In Bezug auf den Darfur hieße das: Wir befürworten die Entsendung von Truppen unter UN-Mandat zur Einrichtung von sicheren Zonen für die bedrohte Zivilbevölkerung.
Es ist klar, dass dies allein nicht das Grundproblem lösen kann. Das Instrumentarium des Zivilen Friedensdienstes bleibt unentbehrlich zur Beilegung der Konflikte und Aussöhnung der Konfliktparteien. Die zugesagten Mittel zum Beispiel für das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR zur Wiedereingliederung der Flüchtlinge in Süd-Sudan und Darfur dürfen nicht nur auf dem Papier stehen bleiben, sondern müssen real erhöht werden. Die Waffenlieferungen an die Milizen, wie auch an das Regime in Khartum müssen eingestellt werden. Zugleich muss politischer Druck auf das Bashir-Regime ausgeübt werden, damit die Zentralregierung einer UN-Mission zustimmt.
Die Linke bleibt sich selbst treu, wenn sie entlang solch klar definierter Kriterien über die Frage einer Beteiligung an humanitären Einsätzen entscheidet. Denn eines können wir uns ganz sicher nicht leisten: Dass wir uns den Vorwurf der Verweigerung konkreter Hilfe einhandeln.
Mit solidarischen Grüßen,
Hüseyin Aydin
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