Alltagsbewusstsein, gesellschaftliches Klima und die Strategie der WASG
Joachim Bischoff, Murat Cakir, Thomas Händel, Björn Radke
Die Linkspartei.PDS wird dem neuen Bundestag mit einer starke Fraktion der politischen Linken angehören. Dass die politische Linke und damit die vielen oppositionellen Bewegungen gegen den Neoliberalismus eine kräftige Stimme im nationalen Parlament haben, ist ein deutlicher Schritt nach vorn, aber es ist noch nicht die Lösung der uns bedrängenden gesellschaftlich-politischen Probleme.
Wenn die bürgerlichen Parteien die rotgrüne Regierungskoalition ablösen können, wird mit dem künftigen Regierungsprogramm unmittelbar nach den Wahlen eine neue Qualität der sozialen Auseinandersetzungen eröffnet. Die bürgerlichen Parteien werden die Mehrwertsteuer erhöhen, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um zwei Punkte auf 4,5 % senken, das Betriebsverfassungsgesetz und das Tarifvertragsgesetz ändern, betriebliche Bündnisse für Arbeit ermöglichen.
Dem tarifpolitischen Systemwechsel gehen weitere grundlegenden Veränderungen im Bereich des Arbeitsmarktes, der gesetzlichen Krankenversicherung und der Steuer- und Finanzpolitik einher. Wir werden nach den Wahlen mit einer neuen Generaloffensive auf auf die sozialen Rechte und den Lebensstandard der lohnabhängigen Bevölkerung konfrontiert sein.
Sollte die SPD in eine Große Koalition eintreten, wird diese Tendenz zur Umwandlung der >sozialen Marktwirtschaft< bestenfalls auf das Niveau der Agenda 2010 abgeschwächt werden; damit wird die SPD-Kritik im gewerkschaftlichen Lager und der Ausbau von Bündnisoptionen der WASG/Linkspartei in die gesellschaftlichen Bewegungen zunehmen, was aber auch heißt: die politischen Anforderungen an Linkspartei und WASG werden rasch ansteigen.
Was denkt die Bevölkerung ?
Die Herrhausen-Gesellschaft, das internationale Forum der Deutschen Bank, hat in Zusammenarbeit mit dem anderen rechtskonservativen Think Tank, der >Quandt-Stiftung< das Reformklima in Deutschland vor der Bundestagswahl untersuchen lassen. Die wichtigsten Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Seit Jahren ist die Bevölkerungsstimmung, sind ihre wirtschaftlichen Erwartungen überwiegend von Pessimismus und Skepsis geprägt. Die Mehrheit der Bevölkerung ist mittlerweile überzeugt, dass es sich bei der Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft nicht um eine vorüber-gehende Schwächephase handelt, die bald überwunden sein wird.
2. Die Mehrheit der Bevölkerung erwartet eine Fortsetzung der Agenda 2010 oder einer radikalisierten Version. 77 Prozent der Bevölkerung setzen die Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme auf den zweiten Rang – nach der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit- ihrer Forderungen; gleichzeitig rechnen es jedoch 66 Prozent zu den politischen Prioritäten der nächsten vier Jahre, dass die Sozialleistungen nicht weiter gekürzt werden. Durchgängig zeigen die Untersuchungen zur Reformbereitschaft der Bevölkerung den Widerstreit zwischen der Einsicht in die Notwendigkeit von Reformen und der Sorge, selbst weitere Einschränkungen auferlegt zu bekommen.
3. Bei einer CDU-geführten Regierung erwartet die Mehrheit der Bevölkerung neben einer Erhöhung der Mehrwertsteuer die Lockerung des Kündigungs-schutzes, die Erhöhung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre sowie massive Einsparungen des Staates und einen gravierenden Abbau staatlicher Subventionen.
Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters wie auch massive Einsparungen des Staates und Subventionskürzungen werden auch in hohem Maße von einer SPD-geführten Regierung erwartet. Bei einer solchen Regierung rechnet die Bevölkerung jedoch tendenziell mit weniger Zumutungen für die eigene sozioökonomische Lage.
4. Die grundsätzliche Unterstützung der großen Mehrheit der Bevölkerung für weitere >Reformen< geht in erster Linie auf die Beunruhigung über die anhaltende Wachstumsschwäche, die hohe Arbeitslosigkeit und die instabile Lage der sozialen Sicherungssysteme zurück.
Doch die Hegemonie des Neoliberalismus ist brüchig: Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt die neoliberale Strategie des Gesellschaftsumbaus ab. Gleichzeitig sind die Erwartungen einer Fortführung der Agenda 2010 auch negativ. Bei dem überraschend klaren Blick eines Großteils der Bevölkerung auf die politische Programmatik der beiden politischen Lager muss doch festgehalten werden, dass noch relevante Teile der Bevölkerung in Resignation bei wachsendem Vertrauensverlust in die Institutionen und Formen demokratischer Willensbildung verharren.
Damit hat die politische Linke durchaus Chancen mit ihrer politischen Option einen großen Teil der Bevölkerung dauerhaft für eine alternative Strategie zu gewinnen. Denn wir fordern gegenüber diesen gescheiterten neoliberalen Konzeptionen einen radikalen Kurswechsel. Unsere politische Alternative setzt auf die gerechte (Steuer)finanzierte Reform und den Ausbau des Sozialstaates, eine Expansion der Binnenwirtschaft, eine Erholung der kleineren und mittelständischen Unternehmen und damit eine Rückkehr zu einer wachstums- und arbeitsplatzschaffenden Dynamik. Ein solcher Kurswechsel eröffnet zusätzliche finanzielle Spielräume und entsprechende Zeiträume für eine Rekonstruktion und solidarische Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme.
Strategische Option der Linken
Das Projekt zu den vorgezogenen Bundestagswahlen ein Bündnis der linken Parteien PDS und Wahlalternative mit einer Perspektive der Entwicklung einer neuen breiten politischen Formation der demokratischen Linken zu verknüpfen, findet schon jetzt eine breite Unterstützung vor allem in Teilen der bislang nicht – oder nicht mehr partei- und wahlpolitisch aktiven Bevölkerung. Die überraschend große Unterstützung und Sympathie zu einem politischen Projekt, das in der politischen Alltagrealität noch gar nicht angekommen ist, bestärkt uns dabei. Denn eine neue politische Formation bleibt die große Aufgabe nach den vorgezogenen Bundestagswahlen.
Die Popularisierung von gerechten sozialen und politischen Alternativen – nicht nur aus den Strukturen einer linken Fraktion heraus - ist dabei die Hauptaufgabe um breitere gesellschaftliche Verankerung zu gewinnen Mit einer neuen Linkspartei kann es gelingen, aus dem bisherigen politischen Schattendasein herauszukommen und viele wahlpolitisch auf Distanz gegangene Bürger zu einem neuen Engagement zu ermutigen. Die große Sympathie- und Unterstützungswelle bedeutet für die politischen Akteure eine große Herausforderung.
Die eigentliche Perspektive liegt darin, ...
dass die Beteiligten bereit sind, über eine kurzfristig vereinbarte Wahlliste hinaus, ernstlich zu prüfen, ob genug Verständigungs- und Veränderungspotenzial vorhanden ist für eine gemeinsame neue politische Formation, deren wesentliches Erfolgskriterium es sein muss, für andere linke Strömungen und Organisationen offen zu sein. Eine solche Formation kann die Kraft entwickeln unter den Bedingungen des Kapitalismus im 21.Jahrhundert und der Verstärkung eines neoliberalen Generalangriffs zum Kristallisationspunkt des gesellschaftlichen Widerstands zu werden.
Wie können wir stärker werden?
Gegenwärtig befinden wir uns zusammen mit den Gewerkschaften Sozialverbänden, globalisierungskritischen Bewegungen u.a. in der gesellschaftlichen“Defensive. Es gibt sicherlich keinen Königsweg, um aus dieser Defensivposition herauszukommen. Sicher gibt es Stolpersteine und Widerstände gegen den Versuch mit Beteiligung einer neuen Linkspartei eine Ablösung der neoliberalen Hegemonie einzuleiten.
Zunächst besteht die Gefahr, dass das neue politische Projekt sich in den Fallstricken des Parlamentarismus verfängt. Es existiert die Chance zu einer Öffnung und Veränderung der politischen Willensbildung – diese Chance darf nicht vertan werden. Die Linkspartei und die WASG haben noch unterschiedliche Auffassungen, wie die sozialen Sicherungssysteme weiter zu entwickeln sind; es bestehen Differenzen darüber, wie der Mix Lohnerhöhung, Erhöhung von Mindesteinkommen, Arbeitszeitverkürzung und öffentliche Investitionen zu gestalten ist, um das Kräfteverhältnis dauerhaft zu verändern. Debattiert werden muss dabei auch, was eine strategische Option eines demokratischen Sozialismus für das 21. Jahrhundert bedeutet.
Aber diese Gefahr einer parlamentarischen „Verselbständigung“ sollte beherrschbar sein, wenn das neue Projekt von einem relevanten Teil der Bevölkerung unterstützt und kontrolliert wird. Im Unterschied zu früheren Anläufen ist der gesellschaftliche Druck auf eine Parteibildung aus Teilen der Zivilgesellschaft eine neue Qualität.
„Wiederaneignung von Politik durch das Volk“
Lafontaine sprach auf dem Linksparteitag zurecht von einer neuen politischen Konstellation: „Das Volk will sich die Politik wieder aneignen. Das Volk will endlich wieder politische Entscheidungen treffen können.“ Große Teile der Wahlbevölkerung haben das Geschäft der Regelung der allgemeinen Angelegenheiten bisher den wirtschaftlich-politischen Eliten überlassen, die sich dabei stets selbst zu bereichern wussten. Diese Phase ist zu Ende. Die Mehrheit der Franzosen und Niederländer hat sich gegen die neoliberale Deformierung Europas gewandt. Sie wollen kein Europa des Lohndumpings, des Sozialabbaus und der Steuersenkungen mehr. Es war eine Absage an ein Europa der wirtschaftlichen Eliten und ein Plädoyer für ein Europa der ArbeitnehmerInnen.
Eine Wiederaneignung der Politik steht auch in Deutschland auf der Tagesordnung. Die Entwicklung der WASG ist ein Erfolg, weil sich die BürgerInnen einen Teil der entfremdeten Regelung der allgemeinen Angelegenheiten zurückholen. Der Austritt tausender Mitglieder aus der SPD, die Wahlverweigerung und das immer stärker werdende Bestreben, wieder Bewegung in die deutsche Politik zu bringen – das ist zunächst die Leistung der WASG, dem sich letztlich auch die PDS nicht entziehen konnte und wollte.
Turbo-Vereinigung oder ergebnisoffener Verständigungsprozess?
Logischerweise gibt es unterschiedliche Vorstellungen in dem Linksbündnis, in welchen Schritten und in welchem Tempo die Vereinigung in organisatorische Formen umgesetzt werden kann. Die Möglichkeiten eines eigenständigen Wahlkampfes sind restriktiv: geprägt von geringem Etat und den Vorgaben der Linkspartei bzgl. Wahlkampforganisation und Konzeption.
Die WASG organisiert einen eigenständigen Wahlkampf, aber wegen der geringen Finanzmittel hält sich die Aufmerksamkeit in Grenzen.
Mit der Umbenennung in „Linkspartei.PDS“ oder als Kürzel „Die Linke“ wird in einem Großteil der Öffentlichkeit der Eindruck verstärkt, als wäre die politische Linke schon »vereint«.
Aber nach wie vor schlägt sich die Mitgliederbewegung überwiegend bei der WASG nieder; aktueller Mitgliederstand: über 10.500. innerhalb der WASG – und damit eine Verdoppelung der Mitgliederzahl seit Mai -gibt es eine eindeutige Mehrheitsmeinung. Der nächste Schritt - eine dauerhafte Verschmelzung der Parteien - wird in der Urabstimmung der Mitlieder der WASG mit über 85% einhellig begrüßt; dennoch ist die Erwartung ebenso groß, dass dieser Prozess gründlich bedacht, erörtert und entschieden sein will.
Diese Meinung wird von einigen nicht geteilt. „PDS und WASG im Land haben ein ausgezeichnetes Verhältnis, wir bescheißen uns nicht. Da die WASG stärkeren Zulauf und dichtere Strukturen hat – sie hat 1.500 Mitglieder, die PDS nur 500 –, wird sie auf Landesebene kandidieren, denn eine Fusion beider Organisationen bis zur Landtagswahl wird nicht zu schaffen sein. Natürlich muss auch eine WASG-Kandidatur das eingeführte Label ›Die Linke‹ mitverwenden – wir müssen juristisch prüfen, wie wir das hinbekommen. Ich selbst bin übrigens Mitglied bei WASG und PDS. Als überzeugter Integrationist werbe ich für einen schnellen Zusammenschluss. Wenn sich so eine Vereinigung der demokratischen Linken in diesem Land vollzieht, ist das wirklich eine historische Chance.“ (Ulli Maurer)
Diese Position einer »Turbo-Vereinigung« wird von einem Großteil des Bundesvorstandes der Linkspartei.PDS geteilt. Dort gibt es die Tendenz, die Verschmelzung bis zum März 2006 durchzusetzen.
Innerhalb der WASG gibt es eine durch Parteitagsbeschlüsse und Mitgliederabstimmung festgelegte Position die der Bundesvorstand völlig teilt und in mehreren Beschlüssen bekräftigt hat:. Organisiert werden soll auf allen Ebenen der Partei ein Verständigungsprozess von WASG und Linkspartei über programmatische und organisatorische Fragen.
Die große Mehrheit der Mitglieder und der Landesverbände der WASG fordern den Zusammenschluss der Linken auf der Grundlage inhaltlicher Diskussionen. Diese Diskussionen müssen die Möglichkeit eröffnen, bislang aufgeschobene Probleme aufwerfen zu können. Dazu soll das Fuldaer Papier über die Ausgestaltung dieses Prozesses (siehe Newsletter 17) in den nächsten Wochen in Ländern und Kreisen debattiert und in der Sitzung des Länderrates am 9. Oktober (vorläufig) abgeschlossen werden.
Kein Zusammenschluss im Schnellverfahren
In der Tat ist die WASG bei der Aufstellung der Wahllisten und dem Wahlkampf der kleinere Partner. Im gesamten Nominierungs- – und Wahlprozess hat die Linkspartei die Rolle des führenden und überlegenen Partners – nicht nur auf dem Hintergrund der realen partei- und wahlrechtlichen „Sachzwänge“ - voll ausgespielt.
Die WASG organisiert nun einen eigenständigen, ergänzenden Wahlkampf. Aber wegen der geringen Finanzmittel hält sich die Aufmerksamkeit in Grenzen. Vielerorts sind es ausschließlich die Wahlkämpfer der WASG, die die „Musik“ machen.
Aber die politischen Gewichte in der neuen Fraktion liegen auf Seiten der Linkspartei. Ein zügiger Beitritt der WASG zur Linkspartei scheint in dieser Perspektive die unausweichliche Konsequenz. Allerdings würden etliche ungeklärte politische Probleme dabei unter den Teppich gekehrt und die Vereinigung würde selbst zu einer Operation der Führungen degenerieren und große Teile der Mitgliedschaft nicht mitnehmen. Diesen Topdown-Prozeß gilt es mit einer nachhaltigen Stärkung der Partei(en) zu verhindern.
Richtig ist aus unserer Sicht aber auch: Die Debatte ergebnisoffener Verständigungsprozess versus Anhänger einer Turbo-Vereinigung hilft uns nicht weiter. Noch fragwürdiger ist das Unternehmen, bezogen auf Pressemeldungen KandidatInnen oder BUVO-Mitglieder den unterschiedlichen Tendenzen zu ordnen zu wollen.
Wir sollten uns auf die Organisation eines Verständigungs- und Auseinandersetzungs-Prozesses konzentrieren. Die Wahlalternative hat in den letzten Monaten beweisen, dass sie zu einem geschlossenen und zügigen Handeln in der Lage ist, falls wir durch politisch-gesellschaftliche Umstände dazu aufgefordert werden. Unsere Marschrichtung sollte daher sein: Wir befürworten keinen Zusammenschluss im Schnellverfahren. Wir bestehen auf den verabredeten inhaltlich-organisatorischen Diskussionsprozessen.
„Blutkonserve für die PDS“
und „alles nur ein Trick der stalinistischen SED?“
Erschwerend kommt hinzu, dass das Projekt einer neuen politischen Formation von den wirtschaftlichen und politischen Eliten, entsprechend ausgerichteten >think tanks< und einem Teil der Medien angegriffen wird. Ein Hauptangriffspunkt: Es handele sich nicht um eine grundlegende Erneuerung und einen Aufbruch der Linken, sondern um ein irreführendes Manöver von politischen Kräften, die aus der Geschichte nicht gelernt hätten.
Folglich wird das Linksbündnis als bloßer Formwandel der SED angegriffen und die WASG als bloße Blutauffrischung stalinistischer Politik eingestuft. Hier wird versucht mit den ideologischen Trümmern aus der Zeit der System-konfrontation Stimmungen zu schüren.
Die WASG ist sich darüber im Klaren, dass wir mit einer Partei zusammengehen, die ein komplexes geschichtliches Erbe einbringt. Wir können und wollen nicht über jedes Parteimitglied einen historisch- ideologischenGesinnungs-TÜV veranstalten. Wir sind uns sicher, dass in der neuen Partei die Auseinandersetzung um die Geschichte der politischen Linken – aller Strömungen und Fraktionen – und ihrer Irrtümer einen Stellenwert haben muss.
Wiederaneignung der Politik ist nur möglich bei einer Überwindung der Geschichtsvergessenheit, wie sie allen Versionen des Neoliberalismus eigen ist. Eine gemeinsame politische Formation der demokratischen Linken eröffnet eben auch das Terrain der Geschichtsinterpretation neu. Eine neue Linksformation hat nur Zukunft, wenn sie sich beständig all ihrer historischen Wurzeln versichert. Dazu gehört eben auch eine Auseinandersetzung mit der Phase staatsozialistischer Gesellschaften – mit der wirksamen politische Opposition im Realsozialismus und den Versuchen, gegen die Verkrustungen des Stalinismus im System der damaligen DDR anzugehen.
Gegen den „Zeitgeist“ heißt es anzuerkennen, dass Menschen einen Kampf gegen Deformationen einer sich selbst als sozialistisch definierenden Gesellschaftsordnung eingegangen sind, auch wenn sie diesen Kampf letztlich verloren haben.
Wir wissen, dass sich in der Linkspartei. PDS die verschiedenen Strömungen der gesellschaftlichen Opposition gegen die staatsozialistische Einheitsmeinung gesammelt haben. Wir schätzen es überaus mit BürgerInnen zusammenzuarbeiten, die sich nicht dem damaligen Zeitgeist angepasst haben.
Wiederaneignung der demokratisch-sozialistischen Positionen innerhalb der DDR und Wiederaneignung der Politik in der kapitaldominierten Bundesrepublik gehören zusammen. Das bedeutet aber auch, die gegenseitige Akzeptanz der damit verbundenen politisch/kulturellen Biografien der handelnden Akteure. Wiederaneignung der Politik heißt schließlich: „Das jetzige Weltwirtschaftssystem kann niemals von der Linken akzeptiert werden... Es können doch nicht irgendwelche Finanzkapitalisten die Politik bestimmen. Die Linke beharrt darauf, dass das Volk die Politik bestimmt... Wir müssen dem Neoliberalismus einen linken Gegenentwurf entgegensetzen.“ Ein nicht mehr zu ignorierender Teil der Bevölkerung will das. Sie will aber auch: „um einer zukünftigen Gerechtigkeit willen, darf man den jetzt Lebenden niemals ins Gesicht schlagen.“(Albert Camus)
Kurzfristiges Ziel einer linken oder alternativen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik ist die Rückführung der bundesdeutschen Wirtschaft auf einen höheren qualitativen Wachstumspfad, zunächst und vornehmlich durch eine expansive Politik der binnenwirtschaftlichen Nachfragestabilisierung. Wir brauchen höhere Arbeitseinkommen, eine Ausweitung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse und eine Stabilisierung der Sozialkassen durch Einführung einer Bürgerversicherung.
Es kommt daher auf einen radikalen Politikwechsel an. Auf längere Sicht müssen wir eine tragfähige Konzeption einer nicht Profit beherrschten Ökonomie und Gesellschaft entwickeln, also: eine moderne Konzeption eines demokratischen Sozialismus mehrheitsfähig machen. Diese Gedanken teilen wir mit anderen europäischen Linken:
„Wir denken, dass eine radikal linke, alternative Kraft Gestalt annehmen kann, als Antwort auf die Krise der Politik, die die Reform der Politik einleitet, indem sie die Pluralität der Erfahrungen auch in den verschiedenen Organisationsformen anerkennt, die die Politik angenommen hat (Parteien, Vereinigungen, soziale, gewerkschaftliche, kommunitäre Ausdrucksformen, Zeitungen, Organismen der Forschung. Und indem sie auch die verschiedenen Formen anerkennt, die der Aktivismus angenommen hat.
Die alternative Linke verlangt nicht nur nach einem Sprung in den politischen Kulturen, sondern auch in den Organisationsformen der Politik. Der Einklang so vieler Diskurse sagen, dass nicht einmal die Grenze zwischen reformistischen Parteien und der radikalen Linken als hinderliche Grenze aufgefasst werden muss. An den Erfahrungen, an den politischen Kulturen, an der politischen Initiative arbeiten; gemeinsam arbeiten und suchen ist der Königsweg.
....Die Idee ist der Ausgang von links aus der Krise der Arbeiterbewegung mit der Schaffung einer politischen Subjektivität, die fähig ist, die alternative Linke aus der Minderheit zu tragen, um ihr die Vorreiterrolle im Leben des Landes und Europas zu gewinnen. Die Politik der Einheit... stützt sich auf ein reales Erfordernis des Landes und kann mit Erfolg nur geführt werden in einer Perspektive... des Aufbaus einer alternativen Linken, die der Politik einen starken Sinn wieder gewinnt, die Fähigkeit, das Leben und die Gesellschaft zu verändern.“ (Fausto Bertinotti)