Stellungnahme zu den „Programmatischen Eckpunkten“
Liebe Freundinnen und Freunde,
unsere Organisation, die VVN-BdA ist die größte und älteste antifaschistische Organisation in Deutschland. Wir sind überparteilich und arbeiten mit vielen Gruppen und Verbänden zusammen, die bereit sind Neofaschismus zu bekämpfen, so auch in vielen Städten mit Gruppen der WASG und der PDS. Aus dieser erfreulichen Zusammenarbeit, aber auch aus der intensiven Arbeit gegen rechts von Mitgliedern eurer Landtags- und Bundestagsfraktionen haben wir einen guten Eindruck von eurer Einstellung und eurem Handeln in den uns betreffenden Fragen. Die Vorschläge zur Einführung von antifaschistischen Klauseln und die konsequente Haltung, die ihr beim früheren Verbotsverfahren gegen die NPD hattet, fanden unsere volle Zustimmung. Es wäre schön, wenn dies bei anderen Parteien auch so wäre.
Umso überraschter sind wir über die indifferente Haltung eurer Parteien zur Wiederaufnahme des Verbotsverfahrens gegen die NPD. Wörtlich heißt es in eurem Eckpunktepapier: „Eines der strittigen Themen in der gesellschaftlichen Diskussion ist, ob das Verbot neonazistischer und rechtsextremer Organisationen und Parteien im Kampf gegen Rechtsextremismus sinnvoll ist.“ Mehr findet sich in dem Text nicht dazu.
Wir möchten deshalb noch einmal nachdrücklich betonen, dass wir ein Verbot der NPD für zwingend notwendig und auch für möglich halten.
Die NPD hat keinen Anspruch auf Legalität.
Das Grundgesetz ist nach Geist und Buchstaben eine antifaschistische Verfassung. Es wurde als ein Gegenentwurf zum nazistischen Verbrecherstaat geschaffen. So unterschiedlich die Vorstellungen damals auch waren, soviel an ihm in den Jahrzehnten auch verschlechtert wurde und so reaktionär wie es oft ausgelegt wurde, ist dies doch in Erinnerung zu rufen. Politisch, historisch und moralisch ist Faschismus keine Meinung unter vielen, sondern ein unzulässiges politisches Verbrechen.
Die NPD ist die gefährlichste neofaschistische Organisation.
Die NPD steht nicht nur als Hauptträger der Kontinuitätslinie zum historischen Faschismus da, sondern hat sich in den letzten Jahren zum gefährlichen Kristallisationskern des gesamten Neofaschismus entwickelt. Ausgehend von relativ realistischen Einschätzungen hat die NPD-Führung ein funktionsfähiges Bündnis mit gewaltbereiten Gruppen, den sogenannten Kameradschaften, geschlossen. Ein solches Bündnis gab es in der Geschichte der Bundesrepublik bislang noch nie. Es besteht die Aussicht, dass die NPD in hohem Maße von der sozialen und wirtschaftlichen Verelendung profitieren wird und sich dabei übrigens als aktivster Feind gerade von WASG und PDS profiliert.
Ein zweiter Anlauf für ein Verbotsverfahren ist juristisch möglich.
Die Bundesverfassungsrichter Papier und Hassemer haben am 29.01.05 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein neues Verbotsverfahren juristisch möglich ist. Es hat entgegen weit verbreiteter Annahmen gar keine Sachentscheidung gegeben, sondern nur eine Prozessentscheidung. Der entscheidende Satz im Beschluss des BVG vom 18.03.03 benennt eindeutig die Bedingung: „Die Beobachtung einer politischen Partei durch V-Leute staatlicher Behörden, die als Mitglieder des Bundesvorstands oder eines Landesvorstands fungieren, unmittelbar vor oder während der Durchführung eines Verfahrens zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei ist in der Regel unvereinbar mit an Anforderungen, an ein rechtsstaatliches Verfahren, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 Ggi.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3GG, ergeben.“ Das tatsächliche praktische Hindernis bildet also das Verhalten der VS-Behörden, die doch angeblich gegen Rechtsextremismus arbeitet.
Eine gesellschaftliche Mehrheit für ein Verbot der NPD ist möglich.
Die Ablehnung des Neofaschismus und speziell der NPD geht weit über den Kreis der politischen Linken hinaus. Die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Wowereit, Platzeck, Simonis und Ringstorff haben sich Anfang letzten Jahres für eine Neuaufnahme ausgesprochen, Wowereit hat dies am 22. Mai wiederholt. Das gleiche gilt für den DGB Bundesvorstand und speziell die Gewerkschaft der Polizei. Natürlich wissen wir, dass politisches Taktieren bei manchen Unterstützern des Verbotsverfahrens eine große Rolle gespielt hat und dass sie offensichtlich nicht ganz dahinter standen. Die Wiederaufnahme des Verfahrens setzt aber voraus, dass Kooperationen auch mit anderen geschlossen werden. Die Landtagsfraktion der Linkspartei.PDS in Mecklenburg-Vorpommern hat dies im gemeinsamen Antrag mit der CDU und SPD vom 22.03.06 vorgeführt.
Um diese gesellschaftliche Mehrheit zu gewinnen sind Aussagen eurer Parteien überaus wichtig.
Aus den genannten Gründen fordern wir euch auf, zu einer eindeutigen Haltung pro NPD-Verbot zurückzukehren.
Prof. Heinrich Fink
Vorsitzender