Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit
Eine andere Politik ist möglich!

Parteibildungsprozess

Neue Herausforderungen an eine geeinte Linke

Stein des Anstoßes

Partei ergreifen – eintreten für Arbeit und soziale Gerechtigkeit

Programmatische Eckpunkte III – brauchbare Grundlage für die Parteibildung der Linken

In Sorge um den Parteibildungsprozess

Die Bildung der neuen linken Partei - Zwischenbilanz und Ausblick

Anmerkungen zu den Programmatischen Eckpunkten auf dem Weg zu einer neuen Linkspartei in Deutschland (Eckpunktepapier)

Keine tragfähige Programmbasis? Zum „Aufruf aus der PDS zur neuen deutschen Linkspartei“

Neue Linke - neue Partei?

Stellungnahme des VVN zu den „Programmatischen Eckpunkten“

Anmerkungen zum Eckpunktepapier und zum Aufruf zur Gründung einer neuen Linken

Basis und Überbau

Wem gehört die Partei? Moderne Linkspartei, Offene Organisation, Offener Sozialismus

Verantwortung für die Linke übernehmen

Lieber ein klares Profil als Regierungsämter

WASG und „sozialdemokratischer Stallgeruch“

Für eine antikapitalistische Linke

Noch nicht angekommen oder schon das Ziel verfehlt? – Die neue Linke nach dem „Superwahltag“ 26. März 06.

Programmatische Eckpunkte auf dem Weg zu einer neuen Linkspartei in Deutschland

Was für eine neue Linke brauchen wir?

Zum Widerspruch zwischen Parteientwicklung und Linksradikalisierung

Doppelmitgliedschaft von Gysi und Lafontaine ist positives Signal für Parteibildung

Kann die deutsche Linke zusammenkommen?

Gehört die deutsche Linke zusammen?

Polemik aus Mecklenburg-Vorpommern

Zur Strategie der WASG

Fraktion und Bewegung

Zukunft und Perspektiven

illusionärer Populismus ?

Wahlkooperation?

Schwarze Agenda

"Ein Kessel Grünes"

In Sorge um den Parteibildungsprozess

Von Hüseyin Aydin

Berlin, 30. September 2006

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Parteifreunde und Parteifreundinnen,

ich schreibe Euch in Sorge um den Parteibildungsprozess. Gemeinsam mit Heinz Hillebrand, Bernhard Sander und anderen war ich von Beginn an aktiv beim Aufbau der WASG in Nordrhein-Westfalen engagiert. Unser Projekt zielte darauf ab, angesichts der Entfremdung der SPD von Ihrer gewerkschaftlichen Basis eine neue wählbare Linke in Deutschland zu etablieren. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg war die Beteiligung an der Landtagswahl in NRW im Mai 2005.

Unser respektables Abschneiden hat den damaligen Kanzler Schröder dazu veranlasst, vorgezogene Bundestagswahlen herbeizuführen. Sein Versuch bestand darin, durch die Erhöhung des Tempos der sich entwickelnden neuen Linken den Weg abzuschneiden.

Schröder hatte sich gründlich verkalkuliert. Über 4,1 Millionen Wähler gaben im September 2005 der neuen Linken die Stimme. Heute sitzen 53 Abgeordnete für die Linksfraktion im Bundestag.

Dieser Erfolg basierte auf zwei Grundlagen. Zum einen öffnete sich unter der maßgeblichen Initiative von Oskar Lafontaine die Perspektive für eine gemeinsame Wahlkampagne von PDS und WASG. Unsere Wähler gaben ihre Stimme nicht für die eine oder die andere Partei ab, sondern für DIE LINKE. Im Kopf von Millionen besteht die gemeinsame Partei bereits seit mehr als einem Jahr.

Zum anderen haben wir uns im Wahlkampf an den fundamentalen Interessen der Lohnabhängigen und Arbeitslosen in diesem Land orientiert. Jeder und jede versteht, dass wir die Partei gegen Hartz-4 sind. Dass wir die sind, die für die gewerkschaftliche Forderung nach einem angemessenen Mindestlohn sind. Dass wir gegen die immer weitere Ausdehnung von Bundeswehreinsätzen stehen.

Die Einheit der Linken und der Kampf gegen Sozialabbau gehören untrennbar zusammen, wenn wir Erfolg haben wollen.

Leider verstehen das nicht alle in unserer WASG. In Mecklenburg-Vorpommern und Berlin wurde die Kritik an der Regierungspolitik der rot-roten Koalitionen instrumentalisiert, um einen Alleinantritt bei den Landtags- bzw. Abgeordnetenhauswahlen zu rechtfertigen. Die Folgen waren katastrophal.

Die Dynamik im Parteibildungsprozess wurde untergraben. In beiden Ländern wurde vornehmlich gegen die Linkspartei.PDS Front gemacht, anstatt die Parteien der großen Koalition anzugreifen. Am Wahltag haben wir für diesen sektiererischen Kurs die Quittung erhalten.

In Mecklenburg-Vorpommern lag das Ergebnis der WASG unter der Wahrnehmbarkeitsschwelle. In Berlin blieb man mit 2,9 Prozent weit hinter den „6 Prozent plus x“ zurück, die uns auf einem der WASG-Landesparteitage von Spitzenkandidatin Lucy Redler prophezeit wurden. Sogar „Die Grauen“ konnten mehr Protestpotenzial auf sich vereinigen. Schlimmer: Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch in Berlin bekamen die rechtsextremen Parteien NPD und REP zusammengenommen mehr Stimmen als die WASG.

Die Erfolge der Nazis sind eine ernste Warnung. Wer die Einheit der Linken untergräbt, zerstört die Hoffnung auf soziale Verbesserungen. Dort, wo sich ein Klima der Verzweiflung breit macht, kommen die Braunen wieder hoch.

Lasst uns gemeinsam an dem anknüpfen, was uns stark gemacht hat. Fast 80 % unserer Mitglieder haben vor einem halben Jahr in einer Urabstimmung bestimmt, dass der Vereinigungsprozess mit der Linkspartei nicht mehr ergebnisoffen ist. Die neue gemeinsame Partei soll kommen. Das ist ein Auftrag, die verbliebenen Klippen zu beseitigen, und nicht immer neue Hürden aufbauen.

In der Programmdiskussion treffen zum Teil sehr unterschiedliche Positionen aufeinander, weil die Partner aus sehr unterschiedlichen Traditionen kommen. Hier gilt die Devise: Weniger ist manchmal mehr. In der Programmdiskussion kommt es darauf an, sich gegebenenfalls auf die gemeinsamen Leitgedanken zu beschränken und nicht durch immer neue zugespitzte Forderungen und Formulierungsvorschläge die Debatte ewig hinauszuziehen. Wichtig ist, dass sich Gewerkschafter und Aktive in den Nichtregierungsorganisationen in unserem Programm wiederfinden. Die künftige Praxis unserer gemeinsamen Partei wird Ergebnis lebendiger Prozesse sein, und kann auch durch das ausgefeilste Papier nicht vorweggenommen werden.

In der Satzungsdiskussion kann es nicht um die Aufstellung von Ultimaten gehen, die wir an unseren Partner richten. Die Trennung von Amt und Mandat zu einem Dogma zu erheben, hieße den Parteibildungsprozess zu verschleppen. Hier können wir mit einem Kompromiss weiterkommen, der die Zahl von Vorstandsmitgliedern mit parlamentarischer Funktion begrenzt. Das Beispiel der Grünen zeigt, dass reine Strukturmaßnahmen wie die Trennung von Amt und Mandat ohnehin keinen wirksamen Schutz gegen innere Bürokratisierung oder Anpassung an bürgerliche Politik darstellen. Von einer selbstauferlegten Schwächung des Bundesvorstandes profitieren ausschließlich unsere Gegner.

Wir haben eine hohe Verantwortung. Die Zersplitterung zu den Berliner Abgeordnetenhauswahlen hat wesentlich dazu beigetragen, dass wir gegenüber der Bundestagswahl einige Zehntausend Linkswähler wieder an die SPD verloren haben. Gerade in den Gewerkschaften warten noch viele Kolleginnen und Kollegen ab, wie sich die Linke entwickelt. Wenn wir einen überzeugenden, entschlossenen und solidarisch geführten Parteibildungsprozess hinbekommen, können wir diese potenziellen Bündnispartner für uns gewinnen.

Wenn wir aber zulassen, dass einige überzeugte Sektierer den Parteibildungsprozess lediglich als Vehikel für die Profilierung der eigenen Minderheitenposition nutzen, dann werden sich diese Gewerkschafter und viele unserer Wähler wieder von uns abwenden. Ein derartiges Versagen der Linken würde auf Jahre hin das politische Gleichgewicht in Deutschland zugunsten der Unternehmer verschieben.

Lasst uns gemeinsam die neue Partei anpacken. Zusammen mit unseren Freunden und Freundinnen in der Linkspartei, im Bündnis mit den Kollegen und Kolleginnen in den Gewerkschaften und den Aktiven in den verschiedenen sozialen Bewegungen.

Solidarische Grüße,
Euer Hüseyin Aydin

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