Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit
Eine andere Politik ist möglich!

Parteibildungsprozess

Neue Herausforderungen an eine geeinte Linke

Stein des Anstoßes

Partei ergreifen – eintreten für Arbeit und soziale Gerechtigkeit

Programmatische Eckpunkte III – brauchbare Grundlage für die Parteibildung der Linken

In Sorge um den Parteibildungsprozess

Die Bildung der neuen linken Partei - Zwischenbilanz und Ausblick

Anmerkungen zu den Programmatischen Eckpunkten auf dem Weg zu einer neuen Linkspartei in Deutschland (Eckpunktepapier)

Keine tragfähige Programmbasis? Zum „Aufruf aus der PDS zur neuen deutschen Linkspartei“

Neue Linke - neue Partei?

Stellungnahme des VVN zu den „Programmatischen Eckpunkten“

Anmerkungen zum Eckpunktepapier und zum Aufruf zur Gründung einer neuen Linken

Basis und Überbau

Wem gehört die Partei? Moderne Linkspartei, Offene Organisation, Offener Sozialismus

Verantwortung für die Linke übernehmen

Lieber ein klares Profil als Regierungsämter

WASG und „sozialdemokratischer Stallgeruch“

Für eine antikapitalistische Linke

Noch nicht angekommen oder schon das Ziel verfehlt? – Die neue Linke nach dem „Superwahltag“ 26. März 06.

Programmatische Eckpunkte auf dem Weg zu einer neuen Linkspartei in Deutschland

Was für eine neue Linke brauchen wir?

Zum Widerspruch zwischen Parteientwicklung und Linksradikalisierung

Doppelmitgliedschaft von Gysi und Lafontaine ist positives Signal für Parteibildung

Kann die deutsche Linke zusammenkommen?

Gehört die deutsche Linke zusammen?

Polemik aus Mecklenburg-Vorpommern

Zur Strategie der WASG

Fraktion und Bewegung

Zukunft und Perspektiven

illusionärer Populismus ?

Wahlkooperation?

Schwarze Agenda

"Ein Kessel Grünes"

Anmerkungen zu den Programmatischen Eckpunkten auf dem Weg zu einer neuen Linkspartei in Deutschland (Eckpunktepapier)

Von Christine Buchholz

Das Eckpunktepapier ist ein guter Ausgangspunkt für die Diskussion um das Programm einer neuen Linken. Die Linke will die verschiedenen Strömungen zusammenführen, die sich in der Ablehnung von Krieg und Neoliberalismus einig sind. Es wird daher in der Linken Gemeinsamkeiten in vielen Punkten geben und gleichzeitig unterschiedliche Meinungen zu verschiedenen Fragen. Das Eckpunktepapier benennt beides: Gemeinsamkeiten und Differenzen.
Im Folgenden werde ich zu einigen in den Eckpunkten benannten Aspekten und Streitfragen Stellung beziehen. Dabei gehe ich von folgenden Prämissen aus:

  • Der Neoliberalismus ist nicht nur eine falsche Politik, sondern Ausdruck einer falschen Wirtschaft. Er ist die Antwort des Kapitals und seiner politischen Verbündeten auf die Stagnationskrise des Kapitalismus. Weil der Kapitalismus auf Konkurrenz beruht, werden die Angriffe von oben nicht einfach aufhören. Die Stagnationskrise verschärft die Konkurrenz auf den Weltmärkten und dadurch steigt der Druck zu deregulieren, zu privatisieren und die Löhne und Sozialleistungen zu senken. Diese Politik wird von den globalen Institutionen wie WTO, IWF und Weltbank vorangetrieben. In der EU wird diese Politik über die Lissabonstrategie umgesetzt. Vor diesem Hintergrund wird es keinen neuen sozialen Kompromiss geben. Im Gegenteil: der Klassenkampf von oben hat begonnen: Das Kapital hat die Sozialpartnerschaft aufgekündigt.
    Bündnispartner der Linken sind die Gewerkschaften, soziale Bewegungen und fortschrittliche Kräfte hierzulande, in Europa und der ganzen Welt.
  • Der Neoliberalismus ist untrennbar mit dem Imperialismus verbunden. Die schärfere militärische Konfrontation ist ein Spiegelbild der verschärften wirtschaftlichen Konkurrenz. Imperialismus bezeichnet die Verflechtung der Konkurrenz zwischen Staaten mit der ökonomischen Konkurrenz zwischen Kapitalien. Im globalisierten Kapitalismus ist der Staat im geopolitischen Konkurrenzkampf angewiesen auf die ökonomische Stärke seiner Unternehmen, während umgekehrt die global operierenden Kapitalien auf verschiedene Formen staatlicher Unterstützung, von Schutzzöllen und Subventionen bis hin zu der Ausübung militärischer Macht, angewiesen sind, um im ökonomischen Konkurrenzkampf zu bestehen. In der äußersten Zuspitzung geht dies bis hin zur zeitweiligen völligen Ersetzung der wirtschaftlichen durch politische Machtmittel, das heißt zum Einsatz militärischer Gewalt im Interesse der nationalen Ökonomie.
  • Angesichts der politischen und sozialen Unterdrückung im heutigen Kapitalismus steht für eine neue Linke die Selbstbestimmung der Menschen im Vordergrund, in dem Bewusstsein, dass eine Befreiung der Arbeiter nur das Werk der Arbeiter selbst sein kann. Die Debatte um die programmatischen Eckpunkte muss verbunden werden mit einem gemeinsamen Kampf in der politischen Praxis. Wie Marx in seiner Kritik des Gothaer Programm formulierte: „Jeder Schritt wirklicher Bewegung ist wichtiger als ein Dutzend Programme.“

1) Arbeit

Als konsensuale Forderungen nennen die Eckpunkte:

  • Demokratisierung der Wirtschaft
  • Humanisierung der Arbeit
  • solidarische Einkommens- und Reichtumsverteilung
  • soziale Absicherung
  • Widerstand gegen Arbeitszeitverlängerung und kräftige Arbeitszeitverkürzungen
  • gesetzlicher Mindestlohn
  • Einkommensentwicklung und Arbeitszeitverkürzung mindestens entsprechend Produktivitätssteigerung und Inflation
  • Eindämmung von befristeter Beschäftigung und Leiharbeit
  • Ausbau des Kündigungsschutzes
  • Stärkung von Gewerkschaften und Betriebsräten
  • Kampf gegen die Spaltung zwischen Kernbelegschaften, unsicher Beschäftigten und Erwerbslosen
  • Verstärkte Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, Erweiterung des Entsendegesetzes
  • deutliche Lohnsteigerung in Branchen mit hohem Frauenanteil
  • Ausbau von Ganztageseinrichtungen für Kinder und von Pflegeangeboten
  • Aufbau eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors
  • ökologische Orientierung zusätzlicher Beschäftigung
  • aktive Arbeitsmarktpolitik

Für ein linkes Projekt ist es unabdingbar, dass diese Forderungen Konsens sind. Zum öffentlichen Beschäftigungssektor wäre noch hinzuzufügen, dass die Entlohnung der Qualifikation entsprechen muss, dass er also nicht dazu dienen darf, einen Niedriglohnbereich im öffentlichen Dienst zu schaffen.
Die Eckpunkte stellen folgenden Dissens in der Linken fest:

„Unter Linken wie in der Gesellschaft ist umstritten, ob die Forderung nach Erwerbsarbeit für alle Arbeitsuchenden noch ein realistisches und zentrales Ziel alternativer Politik sein kann“

Hinter der Annahme, dass Vollbeschäftigung nicht mehr erreichbar sei, steckt die Vorstellung, dass der Produktionsfaktor Arbeit gegenüber Kapital oder Wissen an Bedeutung verliert.
Diese Vorstellung ist falsch. Menschliche Arbeit ist in ihrer Verbindung mit der Natur die einzige Quelle von Wert. Maschinen sind Arbeitsprodukte. Wissen trägt zur Schaffung von Reichtum bei, soweit es Arbeit effektiver macht. Maschinen und Wissen ersetzen Arbeit nicht, sie machen sie produktiver. Ohne Arbeit lässt sich nichts produzieren, eine Arbeitsstunde jedoch produziert heutzutage sogar mehr als je zuvor. Eine Arbeitsstunde produzierte 2004 in Deutschland durchschnittlich Werte in Höhe von 40 Euro. 1991 waren es nur 33 Euro, 1970 nur knapp 18 Euro (jeweils in Preisen von 2004). Die Arbeitsproduktivität hat sich also seit 1970 mehr als verdoppelt. 1991 gab es in Deutschland 38,45 Millionen Erwerbstätige, 2004 waren es 38,44 Millionen. Der Anteil der Arbeitnehmer an den Erwerbstätigen sank von 1991 bis 2005 von 90,9 Prozent auf 88,7 Prozent. In Westdeutschland war er zwischen 1950 und 1991 kontinuierlich von 68,4 Prozent auf 89,6 Prozent angestiegen.
Die geleistete Arbeit nimmt also kaum ab, sie wird überwiegend als Lohnarbeit geleistet.
Umso krasser ist die dramatische Zunahme von Arbeitslosigkeit, unsicherer Beschäftigung und Scheinselbständigkeit. Hierfür gibt es zwei Gründe:
Erstens ist die kapitalistische Wirtschaft nicht in der Lage, die ständig wachsende Arbeitsproduktivität und das Bedürfnis nach Arbeit in wachsenden Wohlstand umzusetzen.  Seit den 70er Jahren befindet sich Deutschland in einer Stagnationskrise. Das durchschnittliche jährliche Wirtschaftswachstum fiel von 8,2 Prozent in den 50ern und 5,4 Prozent in den 60ern auf 2,9 Prozent in den 70ern und bewegt sich seit 1980 unter 2 Prozent.
Zweitens hat die entstehende Arbeitslosigkeit das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit verschoben. Steigende Arbeitszeiten und das Ausufern unsicherer Beschäftigungsverhältnisse sind die Folge. Beides erhöht die Arbeitslosigkeit.

Das Problem der Arbeitslosigkeit wäre leicht zu lösen: Die gestiegene Arbeitsproduktivität muss wohlfahrtssteigernd umgesetzt werden. Das bedeutet entweder mehr Produktion oder kürzere Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich, oder eine Kombination von beidem.
Die erhöhte Produktion könnte für bessere und ökologisch sinnvolle gesellschaftliche Güter, wie Schulen, Krankenhäuser und Verkehrsmittel verwendet werden. Sie kann auch zur Stärkung des privaten Verbrauchs verwendet werden, der seit Jahren stagniert.
Daraus ergibt sich eine Fülle von sinnvollen Projekten, die von Regierungen und Tarifparteien sofort umgesetzt werden könnten. Jede Maßnahme, die zusätzliche öffentliche Ausgaben in gesellschaftlich sinnvolle Bereiche lenkt oder die Arbeitszeit verkürzt, ohne die Stundenlöhne zu senken, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Jede Maßnahme, die in die Gegenrichtung geht, verschärft das Problem.

Diese zunächst einfache Lösung ist zunehmend schwer durchzusetzen. Höhere öffentliche Ausgaben und höhere Löhne gehen unmittelbar zulasten der Unternehmensgewinne. Hier ergibt sich folgendes Problem: Die Kapitalrendite bleibt nur erhalten, wenn die Gewinnsumme genauso schnell wächst wie die Menge an Kapital. In einer stagnierenden Wirtschaft kann die jedoch die Gewinnsumme nur wachsen, wenn die Lohnsumme schrumpft.
Wie leicht ein Ausbau des Sozialstaates durchzusetzen ist, hängt also entscheidend vom Wirtschaftswachstum ab. Anders als im Nachkriegsboom ist in jetzt mit erbittertem Widerstand des Kapitals zu rechnen. So ist die Äußerung des ehemaligen Gesamtmetall-Präsidenten Werner Stumpfe von 1996 zu verstehen, man brauche weniger sozialen Frieden, wenn es weniger koste.

Die SPD wollte den Ausbau des Sozialstaates, aber nicht im Konflikt mit dem Kapital. Als das Kapital die Sozialpartnerschaft aufkündigte, gab die Sozialdemokratie in Politik und Gewerkschaft den Ausbau des Sozialstaates auf und schwenkte um auf Standortpolitik.
Das Kapital wird seine Macht nutzen, um eine linke Wirtschaftspolitik zu verhindern. Wie Lidl lieber Filialen dichtmacht, bevor es einen Betriebsrat akzeptiert, werden die Konzerne mit Standortverlagerung, Investitionsstreiks und Kapitalflucht versuchen, eine soziale Umverteilungspolitik zu Fall zu bringen. Sollte das nicht ausreichen, ist es auch zu gewaltsamen Lösungen bereit. Einen Vorgeschmack bietet die Äußerung von Guido Westerwelle, er würde für die Entmachtung der Gewerkschaftsfunktionäre auch Straßenschlachten in Kauf nehmen.

Zunächst muss die Linke also bereit sein, dem Kapital Paroli zu bieten. Langfristig wird die notwendige Umverteilung ohne die Entmachtung des Kapitals nicht durchzusetzen sein.
Wer sich eine Entmachtung des Kapitals nicht vorstellen kann, wird also das Ziel Vollbeschäftigung aufgeben müssen.

2) Öffentliche Investitionen und Haushaltspolitik

Das Eckpunktepapier fordert:

  • ein öffentliches Zukunftsinvestitionsprogramm
  • eine gerechte Steuerpolitik

„Strittig unter Linken ist, welche Stellung die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zur Rückgewinnung politischer Gestaltungsräume in linker Politik haben sollte. Dazu gehören auch Fragen danach, in welchem Umfang angesichts der Finanzprobleme öffentlicher Haushalte eine Ausweitung von öffentlichen Investitionen, Kreditfinanzierung und von Beschäftigung im öffentlichen Dienst finanzierbar und vertretbar ist.“

Seit Anfang der 80er Jahre haben die verschiedenen Regierungen mit einer groß angelegten Umverteilung von unten nach oben die öffentlichen Kassen geplündert. Der Staat versucht so dem Fall der Profitraten entgegen zu steuern – auf Kosten der Arbeitnehmer.
In den frühen 80er Jahren kamen etwas mehr als 30 Prozent der staatlichen Steuereinnahmen aus Steuern auf Gewinn und Vermögen und 30 Prozent aus der Besteuerung von Lohn und Gehalt. Jetzt ist der Anteil der Steuern auf Gewinn und Vermögen auf 15 Prozent zurückgegangen ist, während 35 Prozent der Steuereinnahmen inzwischen aus der Besteuerung von Lohn und Gehalt stammen. Es ist eben immer eine Frage des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses, wer für die Stagnationskrise bezahlt. Die Politik von CDU und SPD hat dazu beigetragen, dass es die Arbeitnehmer waren.
Die dramatischen Steuersenkungen zugunsten von Unternehmen und Spitzenverdienern haben die Steuerquote auf den historischen Tiefstand von 20 Prozent gebracht. Die öffentlichen Haushalte sind chronisch unterfinanziert. Deswegen kann man sie durch das Verscherbeln des Tafelsilbers langfristig nicht sanieren. Diesem Irrglauben sind Christine Ostrowski, Ronald Weckesser und sieben weitere Stadtratsmitglieder der Dresdener Linkspartei aufgesessen, als sie im März 2006 gegen den Widerstand ihrer Partei für den Verkauf der städtischen WOBA gestimmt haben.

Sie leugnen die langfristigen negativen Folgen von Privatisierungen,  rechtfertigen den Verkauf mit gestiegenen Handlungsmöglichkeiten durch die gefüllten Kassen und erheben das Ziel der Haushaltskonsolidierung zum „sozialpolitischen Imperativ“. Sie schreiben in einem offenen Brief an ihre Mitglieder: „Gerade angesichts unbestreitbarer Fakten wie demographische Entwicklung und Globalisierung ist unsere soziale Idee nur dann langfristig für viele, gerade jüngere Menschen attraktiv und in der politischen Konkurrenz wettbewerbsfähig, wenn wir sie aus den Fesseln altsozialdemokratischen und altkommunistischen Denkens befreien. Wir sind nur erfolgreich, wenn wir innovativ sind und zu situationsadäquaten Lösungen kommen. Den WOBA-Verkauf halten wir unter den konkreten Bedingungen für eine solche Lösung.“
Ostrowski und Weckesser machen drei entscheidende Fehler. Zum einen nehmen sie an, dass Privatisierung populär sei. Laut einer Forsa-Umfrage lehnen aber 68 Prozent „Privatisierungen wie in Dresden“ ab. Nur 23 Prozent sind dafür. 75 Prozent der Befragten erwarten Nachteile als Folge der Privatisierung. Nur 9 Prozent glauben an positive Folgen und 11 Prozent meinen, dass die positiven und negativen Auswirkungen sich die Waage halten.
Zum zweiten übernehmen sie den Irrglauben der Neoliberalen, dass auf diese Weise die Finanzkrise gelöst werden kann. Aber auch ein kurzfristiger Geldsegen löst nicht die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen. Genauso wenig wie Sozialabbau und Steuererhöhungen für die Bevölkerungsmehrheit Jobs schaffen. Unser Ziel ist es ja gerade, die Rahmenbedingungen zu ändern.
Zum Dritten sehen sie nicht, dass sie mit der Entscheidung der Privatisierungswelle in Deutschland Vorschub leisten und die Linke in ein Glaubwürdigkeitsproblem hineinmanövrieren. Denn Privatisierung der Wohnungen bedeutet nichts anderes, als Geld aus den Mietern herauszuziehen. Die Fonds verfolgen, wie jedes kapitalistische Unternehmen, das alleinige Ziel, den Gewinn zu maximieren.

Die Alternative zu diesem Einknicken vor dem neoliberalen Zeitgeist sind die in dem Eckpunktepapier aufgeführten Forderungen nach einem öffentlichen Zukunftsinvestitionsprogramm und einer gerechten Steuerpolitik.

3. Soziale Sicherheit

Als Konsens stellen die Eckpunkte folgende gemeinsame Forderungen fest:

  • Rechtsanspruch auf soziale Sicherung für Alle
  • Stärkung und Erneuerung des Sozialstaats
  • keine Privatisierung, sondern Ausweitung der öffentlichen Daseinsvorsorge (v.a. Bildung, Gesundheit, Wohnung, Betreuung, Kultur, Mobilität, Wasser, Gas und Strom
  • solidarische Bürgerversicherung gegen Krankheit, zu der die Arbeitgeber hälftig beitragen
  • Strukturreformen im Gesundheitswesen, die Effizienz bei hoher Qualität ohne Klassenunterschiede sichern
  • individuelle, bedarforientierte soziale Grundsicherung
  • Rücknahme der Verschlechterungen durch Hartz IV: Berücksichtigung der Beitragsdauer bei Arbeitslosengeld, Berücksichtigung von Qualifikation und tariflicher Bezahlung bei Arbeitsangeboten
  • Nein zu Rentenkürzungen, Kopplung der Rentenentwicklung an die Löhne, keine Diskriminierung ostdeutscher Rentenansprüche, Umwandlung der Rentenversicherung in eine solidarische Erwerbstätigenversicherung für Alle, keine Erhöhung des Renteneintrittsalters

Die Eckpunkte stellen dann fest:

„Umstritten im Spektrum alternativer Debatte ist die Frage, ob eher einem bedingungslosen individuellen Grundeinkommen als Rechtsanspruch für alle Bürgerinnen und Bürger der Vorzug zu geben ist oder einer bedarfsorientierten Grundsicherung für Menschen in sozialer Not. Da wir Zwang zur Arbeit ablehnen, stellt sich das Problem: Wie können zumutbare Arbeit und Bedürftigkeit bestimmt werden.
Eine weitere Frage ist, wie stark und an welchen Stellen statt des Versicherungsprinzips staatliche Verantwortung unter Einsatz von Steuermitteln zum Tragen kommen soll? Schließlich wird kontrovers debattiert, welche Reformen der demografische Wandel insgesamt erfordert.“

Es gibt gewichtige Gründe für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Es würde die Schikanierung und Demütigung von Erwerbslosen beseitigen. Schuld an der Massenarbeitslosigkeit ist nicht der Einzelne, sondern die Unfähigkeit der kapitalistischen Wirtschaftsform, die steigende Arbeitsproduktivität zum Wohle der Menschen einzusetzen. Jeder, der einen Arbeitsplatz findet, verdrängt unter diesen Umständen einen Anderen. Mehr Arbeitsplätze entstehen dadurch nicht.
Der Zwang durch Hartz IV, jeden Arbeitsplatz, selbst 1-€-Jobs anzunehmen, hat keine zusätzlichen regulären Arbeitsplätze geschaffen. Das wirkliche Ziel hat die Reform dennoch erreicht: Sie verbreitet Angst unter den Belegschaften und führt zu einem dramatischen Lohnverfall vor allem in Branchen mit niedrigem Organisationsgrad, in Ostdeutschland, bei unsicheren Beschäftigungsverhältnissen und bei Berufseinsteigern. Dieser Zwang muss beseitigt werden. Zumutbar sind nur tariflich bezahlte, sozial abgesicherte Arbeitsverhältnisse, die der Qualifikation entsprechen und vom Wohnort aus erreichbar sind.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen hat jedoch gravierende Nachteile. Entscheidend ist die Höhe. Ist es niedrig, stärkt es nicht die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer, sondern läuft auf flächendeckende Kombilöhne hinaus.
Entscheidend ist auch, wer es finanziert. Wird es aus Massensteuern finanziert, stellt es eine Umverteilung von Beschäftigten zu Erwerbslosen dar. Die Gewinne werden verschont. Das ist Sozialismus innerhalb der Klasse der Ausgebeuteten und kein Kampf gegen Ausbeutung. Eine bessere Spaltungsstrategie kann man sich gar nicht ausdenken.  Der Vorschlag von Götz Werner, Chef der Drogerie-Kette dm, verwundert nicht: Werner schlägt ein Grundeinkommen von 1.500 € vor. Dafür will er alle Gewinnsteuern abschaffen. Der gesamte Staat, also 45 – 50 Prozent des Sozialproduktes, sollen über eine Konsumsteuer finanziert werden. Das wäre ein Mehrwertsteuersatz von 80 - 100 Prozent .1.500 € sind dann nicht mehr viel.

Im Rahmen der Sozialversicherung ist soziale Absicherung an die Lohnarbeit gebunden. Dies entspricht der Tatsache, dass die hohe Arbeitsproduktivität einen starken Sozialstaat ermöglicht. Die Arbeit schafft den gesellschaftlichen Reichtum, sie ermöglicht und verdient daher einen starken Sozialstaat. Sozialabbau ist mit Lohndrückerei zu vergleichen: Beides erhöht die Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital.
Das Versicherungsprinzip hat den politischen Vorteil, dass es Sozialleistungsansprüche aus der Arbeitsleistung ableitet und damit nicht den Charakter von Almosen hat. Sozialkassen sind vom Staatshaushalt getrennt und damit nicht ganz so leicht als politische Manövriermasse zu missbrauchen. Die Steuern werden immer stärker von den Masseneinkommen bezahlt, die Gewinneinkommen tragen immer weniger dazu bei. Bei den Sozialbeiträgen, die von Unternehmern und Arbeitnehmern gezahlt werden, war es bisher deutlich schwerer, eine vergleichbare Umverteilungspolitik durchzusetzen.

Die renditeorientierte Jobvernichtung nimmt vielen Menschen die Chance, einen angemessenen Arbeitsplatz zu bekommen. Das Versicherungsprinzip muss deshalb um eine bedarfsabhängige Grundsicherung ergänzt werden, die im Gegensatz zu ALG II ein Leben in Würde ermöglicht. Damit sie nicht zum Kombilohn wird, ist eine minimale Bedarfsprüfung notwenig. Sie darf nicht zur abschreckenden Schikane missbraucht werden.
Sie darf keinen Zwang zu unzumutbarer Arbeit vorsehen. Alle Erfahrung zeigt, dass Menschen akzeptable Arbeit annehmen, wenn sie sie angeboten bekommen. Eine Million Menschen verdienen sogar weniger als ALG II und arbeiten dennoch.

Entscheidend für Umverteilungsforderungen ist, dass sie mobilisierungsfähig sind. Die Forderung nach einem bedarfsunabhängigen Grundeinkommen ist es nicht. Unsere Forderungen müssen das Bündnis von Erwerbslosen, unsicher Beschäftigten und Kernbelegschaften ermöglichen. Wir brauchen einen Ausbau des Sozialstaates, der eine lebensstandardsichernde (also einkommensabhängige) Sozialversicherung mit einer bedarfsabhängigen, ausreichenden Grundsicherung verbindet.
Die krasse Gegenüberstellung der Interessen von Erwerbslosen und Arbeitnehmern geht an der Realität vorbei. Erstens sind über 60 Prozent der offiziell Arbeitslosen sind weniger als 1 Jahr  erwerbslos. Das bedeutet umgekehrt, dass Millionen von heutigen Arbeitnehmern in den letzten Jahren zumindest kurzzeitig erwerbslos waren. Zweitens hängt die Lohnentwicklung mit von der Situation der Erwerbslosen ab. Hartz IV schürt die Angst auch in den Kernbelegschaften und war entscheidend für den Absturz der Löhne seit 2003.

Unsere Gesellschaft ist reich genug, um ein Leben in Würde für alle zu ermöglichen. Sie könnte viel reicher sein, wenn alle Menschen ihre Fähigkeiten einbringen könnten. Um eine soziale und ökologische Gesellschaft aufzubauen, muss der gesellschaftliche Skandal erzwungener Massenarbeitslosigkeit beseitigt werden. Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen gibt dieses Ziel auf.
Es muss ein gutes öffentliches Angebot an Kinderbetreuung und Pflege geben. Diese Arbeit wird heute überwiegend von Frauen erledigt und nicht abgegolten. Gesellschaftlich sinnvolle Tätigkeit, auch künstlerische, muss sozial abgesichert und entlohnt werden. Ehrenamtliche Tätigkeit ist daher kein Ersatz für Lohnarbeit. Lohnarbeit ist in unserer Gesellschaft jedoch nicht selbstbestimmt. Wir wollen über die Ausweitung von Mitbestimmung Arbeit demokratisieren.
Eine ernst gemeinte Demokratisierung der Wirtschaft ist gleichbedeutend mit der Entmachtung des Kapitals.

Im Abschnitt 1) Arbeit wurde argumentiert, dass Arbeitslosigkeit aus der ungenutzten gestiegenen Arbeitsproduktivität entsteht. Die Löhne inklusive Sozialleistungen sind daher nicht zu hoch, sondern zu niedrig. Niedrigere Lohnkosten schaffen keine zusätzliche Beschäftigung. So lässt sich also nicht begründen, dass der Sozialstaat weniger über lohnbezogene Abgaben und stärker über Steuern finanziert werden müsste. Ein Teil der Lösung ist auch die Verkürzung der Lebensarbeitszeit bei anhaltend hohem Lebensstandard. Der demographische Wandel ist daher nicht das Problem. Im Gegenteil: Gäbe es mehr Menschen im erwerbsfähigen Alter, wäre die Arbeitslosigkeit höher.

4. Integration-Migration gestalten, Rechtsextremismus und Antisemitismus bekämpfen

In dem Eckpunktepapier wird die Ablehnung gegen jegliche Form von Rassismus und Antisemitismus als Grundlage gemeinsamen Handelns genannt. Das Papier fordert

  • die Wiederherstellung des Grundrechtes auf Asyl
  • die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Neofaschismus.

„Eines der strittigen Themen in der gesellschaftlichen Debatte ist, ob das Verbot neonazistischer und rechtsextremer Organisationen und Parteien im Kampf gegen Rechtsextremismus sinnvoll ist.“

Leider fehlt in den Eckpunkten die Nennung der Islamophobie als der akutesten Form des Rassismus. Seit dem 11. September 2001 wird von rechter Seite der Rassismus besonders gegen Muslime geschürt und dient als Legitimation für Verschärfung der Inneren Sicherheit und einer aggressiven Außenpolitik. Dieser neue Rassismus ist seit dem 11. September 2001 auch in Deutschland rasant angestiegen. So ergab eine Umfrage der FAZ vom 17. Mai 2006, dass inzwischen 56 Prozent der Deutschen überzeugt sind, wir lebten in einem Kampf der Kulturen, 2004 waren es noch 46 Prozent, 65 Prozent rechnen mit Konflikten zwischen der muslimisch-arabischen und der westlichen Kultur.
In den programmatischen Grundlagen einer neuen Linken muss diesem neuen Rassismus, der Islamophobie, in genau derselben Weise der Kampf angesagt werden, wie allen anderen Formen des Rassismus.

Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen und darf nicht toleriert werden. Entscheidend beim Kampf gegen Faschismus ist der Aufbau von breiten Bündnissen und breite, entschlossene Mobilisierungen, um alte und neue Nazis zu konfrontieren und gesellschaftlich zu isolieren.
Das heißt auch, dass die Linke im Kampf gegen Rechts andere Differenzen zurückstellen muss. Eine gespaltene Linke ebnet den Nazis den Weg, wie die fatale Politik von SPD und KPD in den frühen 30er Jahren schmerzhaft gezeigt hat.
Verbotsverfahren sind zwiespältig. Zum einen darf die Linke den Widerstand gegen Nazis nicht wegdelegieren und sich im Kampf gegen Rechts auf den Staat verlassen. Zum anderen können Verbote dazu führen, dass sich neue Strukturen bilden. Die NPD ist hat durch die Verbote von Kameradschaften in den 90er als Auffangbecken fungiert und so erst wieder an Bedeutung gewonnen.

5. Ostdeutschland

Die Linke will sich die Lebensbedingungen in Ostdeutschland und anderen strukturschwachen Regionen verbessern. Dabei formuliert das Eckpunktepapier das Ziel, die Wirtschaft in diesen Regionen mit der Orientierung auf Wachstumskerne und Zukunftsbranchen zu entwickeln.
Als Dissenspunkt wird das Problem genannt, wie vermieden werden kann, „dass mit einer Konzentration auf Wachstumskerne und Schwerpunktbranchen, periphere Regionen nicht noch weiter abgehängt werden.“

Ostdeutschland wurde seit 1990 zum Experimentierfeld für die neoliberale Arbeitsmarkttheorie: Durch längere Arbeitszeiten, niedrigere Löhne, Steuervergünstigungen und Subventionen für Unternehmen sollte die Arbeitslosigkeit bekämpft werden. Die Ergebnisse widerlegen diese Theorie.  Trotz inzwischen modernster Technik und Infrastruktur ist die Arbeitslosigkeit im Osten deutlich höher als im Westen. Dies liegt nicht daran, dass die bisherige Politik nach dem Gießkannenprinzip vorgegangen wäre und sich nicht auf viel versprechende Wachstumskerne konzentriert hatte. Dies liegt daran, dass die bisherige Politik vom Ansatz verfehlt ist: Die Krise in Ostdeutschland ist nicht auf schlechte Angebotsbedingungen zurückzuführen. Deshalb geht die Diskussion um Wachstumskerne am Grundproblem vorbei.

Die Krise in Ostdeutschland ist ein spezieller Ausdruck der Stagnationskrise insgesamt. Bei der Wiedervereinigung traf Ostdeutschland auf eine westdeutsche Wirtschaft, die erhebliche Überkapazitäten aufgebaut hatte.  Teilweise mussten die Kapazitäten erweitert werden, um den ostdeutschen Markt abzudecken. Dies geschah jedoch ebenfalls vor allem im Westen. Hunderttausende von Arbeitskräften wurden dafür im Osten abgeworben. Die Unfähigkeit des Kapitalismus, die gestiegene Arbeitsproduktivität wohlfahrtssteigernd zu verwenden, trifft deshalb den Osten besonders stark.

Die Probleme in Ostdeutschland sind eine Herausforderung für die gesamtdeutsche Arbeiterbewegung. In Ostdeutschland und den westdeutschen Krisenregionen kann es nur aufwärts gehen, wenn in ganz Deutschland das Problem der Arbeitslosigkeit durch einen Ausbau des Sozialstaats, durch höhere Stundenlöhne und durch Arbeitszeitverkürzung entschieden angegangen wird. Die IG Metall fordert zu Recht, die Schulden von Ländern und Kommunen bis 1995 zu erlassen, bzw. in den Fonds Deutsche Einheit zu überführen.

Die Linke muss sich gegen Vorschläge stellen, aus Ostdeutschland eine Sonderwirtschaftszone zu machen. Erstens ist Ostdeutschland mit niedrigen Löhnen und längerer Arbeitszeit bereits eine Sonderwirtschaftszone. Zweitens würden Vorschläge wie die von Klaus von Dohnanyi weit reichende Deregulierungsmaßnahmen im Bereich Steuer, Arbeit und Umwelt bedeuten – Auch mit dem entsprechenden Sog auf westdeutsche Standards und Tarife. Die Niederlage der Ostmetaller im Kampf um die 35-Stunden-Woche 2005 hat eine Offensive der Arbeitgeber zur Folge gehabt, die Arbeitszeiten im Westen wieder zu verlängern.

6. Frieden und internationale Politik

„Regionale und lokale Konflikte, der Kampf um Naturressourcen und Märkte bergen die Gefahr eines weltweiten Flächenbrandes in sich.“ Heißt es in dem Eckpunktepapier, ebenfalls, dass der angebliche „Krieg gegen den Terror“ nur die Bedrohung verschärft und zur „Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen“ geführt hat.
In der Analyse der Ursachen dieser Gefahren bleibt das Eckpunktepapier sehr unbestimmt. Sehr viel präziser nennt der „Aufruf zur Gründung einer neuen Linken“ von Oskar Lafontaine u.a. die Ursachen für Armut und Kriege:
„Hunger und Unterernährung sind das Ergebnis einer barbarischen Weltwirtschaftsordnung. Der Kapitalismus ist auf seine ständige Expansion angewiesen. Er erobert Absatzmärkte und Rohstoffquellen, auch mit militärischer Gewalt. Ob Afghanistan oder Tschetschenien, Irak oder Iran, Syrien oder Saudi-Arabien, es geht nicht um Freiheit und Demokratie, sondern um die Öl- und Gasvorräte des vorderen Orients und der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres. Im rücksichtslosen Kampf um Macht und Einflusssphären missachten vor allem die Vereinigten Staaten von Amerika die Menschenrechte und die Genfer Konventionen. Sie schieben das internationale Recht zur Seite und kündigen die Norm des Völkerrechts, die jeden Angriffskrieg verbietet. Nach der neuen Doktrin haben Staaten, die vorgeben, sich bedroht zu fühlen, das Recht, andere anzugreifen. Dieser Raubtierkapitalismus führt in weiten Teilen der Welt zu bitterer Armut und zum Terrorismus.“
Das Eckpunktepapier hält als Forderungen fest:

  • Verwirklichung Globaler Gerechtigkeit, der Menschenrechte und des Völkerrechts
  • Reform und Stärkung der UNO
  • Gegen Militäreinsätze der Bundeswehr, Militärbündnisse wie die NATO, Militarisierung der EU
  • Abrüstung sowie Verbot von Entwicklung und Produktion von Angriffswaffen sowie von Rüstungsexporten
  • Aufkündigung der Atomwaffenstationierung in Deutschland

Als Differenz wird in dem Eckpunktepapier genannt:
„Unter welchen Bedingungen können und sollen internationale Militäreinsätze im Auftrag und unter der Kontrolle der UN in regionalen Kriegs- und Bürgerkriegskonstellationen zu einer Rückkehr der friedlichen Entwicklung beitragen?“

Diese Frage ist falsch gestellt.
Die UNO befindet sich als Institution nicht über oder außerhalb der bestehenden Interessenkonflikte. Hinter ihren geschlossenen Türen, hinter denen Geld und Macht eine wesentliche Rolle spielen, verhandeln rivalisierende Mächte ihre Positionen. Die öffentliche Bühne der UNO ist dazu da, die eigene Interessenspolitik zu verschleiern und gegenüber den Bevölkerungen als im allgemeinen Interesse zu legitimieren.
Wenn sich die großen Mächte einig sind, dann ist auch ein Krieg unter Fahne der UNO möglich, wie 1991 gegen den Irak. Dieser Krieg war trotz Billigung durch die Vereinten Nationen ein verbrecherischer Krieg, dem eine sechsstellige Zahl an Irakern zum Opfer fiel. Auch das folgende Embargo gegen den Irak, unter dem vor allem die Kinder zu leiden hatten, wurde mit Unterstützung der UNO verhängt.
Als sich die UNO als ein Hindernis bei der Durchsetzung der Interessen der USA als führender Großmacht erwies, verzichtete die Bush-Regierung bei ihrem nächsten Feldzug gegen den Irak 2003 auf ein entsprechendes Votum. Die UNO legitimierte dann aber die aus diesem Angriffskrieg hervorgehende brutale Besatzungsherrschaft.
Doch selbst wenn die UNO Aktionen von Staaten als völkerrechtswidrig verurteilt, verhindern die großen Mächte eine Umsetzung von Resolutionen, wenn sie ihren Interessen widersprechen, wie es das Beispiel Israel zeigt: Alle gegen den Staat Israel verhängten Resolutionen waren bedeutungslos, da keine Großmacht Interesse daran hat, einen ernsthaften Konflikt mit den USA über Palästina zu führen.

Die entscheidende Frage ist, wie die Linke dazu beitragen kann, zukünftige Kriege zu verhindern.
Die Linke kann sich im Kampf gegen den Krieg nur auf diejenigen Kräfte verlassen, die sie selbst im Bündnis mit der Antiglobalisierungsbewegung, den Gewerkschaften und anderen Bündnispartnern mobilisieren kann. Es war die Anti-Kriegs-Stimmung und die nach wie vor verbreitete antimilitaristische Tradition, die Schröder und Fischer 2002 nutzen, um die Wahlen zu gewinnen. Auf dem Hintergrund dieser Einheit war es der Anti-Kriegsbewegung möglich, sich aufzubauen und einen Druck zu erzeugen, der verhinderte, dass Schröder und Fischer offen von ihrem Wahlversprechen abrückten. Leider forderte die Bewegung damals die Rot-Grüne Regierung nicht scharf genug auf, das ihre zu tun, um den Angriff und die Besatzung zu verhindern, oder zumindest stark zu erschweren. Die Regierung hätte das mit einer Sperrung des Luftraums für die Koalition der Willigen tun können.
Diese Bewegung war und ist international. Im Februar 2003 kam es gegen den drohenden Irak-Krieg zur größten weltweiten Demonstration aller Zeiten. In über 60 Metropolen der Welt gingen Menschen auf die Straße. Diese Bewegung zeigt das ungeheure Potenzial, auf das sich die Linke in ihrer internationalen Arbeit beziehen kann.
Diese Bewegung konnte zwar den Krieg nicht verhindern, aber es gelang, bei Milliarden Menschen – im Gegensatz zum Jugoslawienkrieg - seine Rechtfertigung zu zerstören. So schnell wurden noch nie Lügen aufgedeckt. So viel Misstrauen gegen neue „Rechtfertigungen“ weiterer Kriege ist noch nie in einer so frühen Kriegsphase entstanden. Das kann den Kampf gegen weitere Kriege erleichtern.

Die Aussage der Eckpunkte, dass „Die Bundeswehr nicht weiter für Militärinterventionen eingesetzt werden“ darf ist ebenso wichtig wie die Opposition gegen die Militarisierung der EU und die Forderung nach der Aufkündigung der Stationierungsverträge von Atomwaffen.
Denn die Beteiligung an multilateralen Militärbündnissen ist keine Alternative zum Aufbau einer interventionistischen Bundeswehr. Im Gegenteil geht die Ausweitung des Bundeswehreinsatzgebietes mit einer verstärkten Beteiligung an multilateralen Militäraktionen einher. Die Skandale um die Gefangenenflüge der CIA über deutschen Boden, die Verstrickung des BND in die El-Masri-Entführung und die Übermittlung von irakischen Angriffszielen an das amerikanische Militär verdeutlichen, dass die rot-grüne Regierung hinter der pazifistischen Maske sehr wohl nicht nur passiv durch gewähren lassen, sondern aktiv am Krieg der USA gegen den Irak beteiligt war und ist. Ebenso, wie sie mittlerweile mit einigen tausend Soldaten einen vergleichbaren Besatzungskrieg in Afghanistan führt. Im Kongo hat die Bundeswehr das erste Mal selbst die Führung in einem internationalen Militäreinsatz übernommen. Eine militarisierte neokoloniale EU ist also keine Alternative zum US-Imperialismus.
Alle diese Interventionen dienen weder der Beseitigung menschlichen Elends, noch schützen sie Demokratisierungsprozesse, noch helfen sie bei der Überwindung von Terror. Denn alle diese Einsätze finden vor dem Hintergrund einer sich verschärfenden Rivalität zwischen den großen Mächten um geostrategischen Einfluss und die Kontrolle wichtiger Ressourcen statt. Der Kapitalismus hat eine internationale Staatenordnung ausgebildet bei der einige wenige Großmächte – und auf regionaler Ebene viele mittlere Mächte – darum ringen, ihren Unternehmen den globalen Zugang zu Rohstoffen und Märkten zu garantieren.
Gekennzeichnet ist die Gegenwart dabei von einem aggressiven Unilateralismus der USA. Die Kriege im Nahen und Mittleren Osten, und insbesondere auch der neue Wettlauf um Afrika verfolgen den vorrangigen Zweck, die aufkommende Macht China klein zu halten. Bereits jetzt verfügen chinesische Unternehmen über bedeutsame Ölförderrechte im Süden Sudans, wo die chinesische Armee zugleich mit 7000 Mann präsent ist. Es ist absehbar, dass in dieser Region das deutsche Engagement – unter dem Mantel der EU oder der UNO – in Zukunft intensiviert werden wird.

Die Linke würde einen gravierenden Fehler machen, wenn sie solche Militäreinsätze als eine Aneinanderreihung von „Einzelfällen“ betrachten würde und darüber das Gesamtbild aus den Augen verlöre. Verteidigungsminister Rühe reagierte im Jahr 1992 auf die Frage des Spiegel nach der Unpopularität internationaler Bundeswehreinsätze mit folgenden Worten: „Deswegen müssen wir Schritt für Schritt vorgehen. Es geht auch nicht darum, die Soldaten, sondern die ganze Gesellschaft auf diese neuen Aufgaben vorzubereiten.“
Der Staat ist bei der Gewöhnung der Bevölkerung an Krieg und Bundeswehreinsätze weit gekommen, weil vormalige Sponties (Fischer) im Bündnis mit vormaligen Linkssozialdemokraten (Schröder) 1999 die von ihnen verantwortete deutsche Beteiligung am Nato-Krieg gegen Jugoslawien als einen „antifaschistischen“ Krieg verkauft haben. Die damals fehlende Opposition im Bundestag erleichterte es den Medien, die Kriegslügen in der Bevölkerung zu verbreiten – zum Beispiel einen erfundenen Vertreibungsplan der Serben.
Die Neue Linke ist gefordert, den Argumenten der Kriegstreiber weiterhin scharf entgegenzutreten. Sie steht vor der Aufgabe, an den antimilitaristischen Prinzipien festzuhalten, und sie zugleich in der Kritik am einzelnen Einsatz konkret zum Ausdruck kommen zu lassen. Nur so kann den Kriegslügen, die jeden Feldzug als im Interesse der bombardierten oder besetzten Länder rechtfertigen, etwas entgegengesetzt werden.
Es gibt keinen Grund dafür, die Programmatik der Linkspartei in diesem Punkt in Frage zustellen, vielmehr transportiert sie ein Erbe, dass in der WASG noch nie so deutlich formuliert wurde: Die Linkspartei lehnt in ihrem Programm von 2004 „weiterhin eine Beteiligung der Bundeswehr an UN-mandatierten Militärinterventionen unter Berufung auf Kapitel VII der UN-Charta ab, unabhängig von der jeweiligen Haltung der im UN-Sicherheitsrat vertretenen Staaten.“

7. Strategische Ansätze

Das Eckpunktepapier geht davon aus, dass die Linke eine Veränderung der Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft anstrebt, um eine solidarische Umgestaltung der Gesellschaft zu erreichen. Ziel ist eine Transformation der Macht in dieser Gesellschaft.
Dies kann nur im Bündnis mit sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, Initiativen und Personen aus Wissenschaft und Kultur gelingen.
Die neue Linke will Bewegungen und die Diskussion um Alternativen zusammenführen.
Wahlkämpfe betrachtet die neue Linke als Chance, ihre Ansätze mit den Bürgern zu diskutieren. In der parlamentarischen Arbeit sieht sie keinen Selbstzweck. Sie setzt sich offensiv mit der Ideologie der Herrschenden auseinander und stimmt sich eng mit außerparlamentarischen Kräften ab.
Das Eckpunktepapier sieht die Beteiligung an Regierungen als Mittel der gesellschaftlichen Umgestaltung an, wenn die Bedingungen dafür stimmen. Als Dissens wird formuliert:

„Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, welches die besonderen Aufgaben einer Partei im Unterschied zu sozialen Bewegungen sind, wie das Verhältnis von außerparlamentarischer und parlamentarischer Arbeit zu gestalten ist und ob eine Regierungsbeteiligung auf Landesebene unter den gegenwärtigen Bedingungen den gemeinsamen Maßstäben an linke Politik gerecht werden kann oder nicht.“

Die gemeinsame Aufgabe der parlamentarischen, wie der außerparlamentarischen Linken besteht in der Abwehr des neoliberalen Angriffs. Seit drei Jahrzehnten findet ein globaler neoliberaler Angriff statt, der von Regierungen und Konzernen getragen und gegen die Mehrheit der Bevölkerung gerichtet ist.

So katastrophal das neoliberale Projekt in das Leben der Menschen hineinwirkt – es hat eine große Schwäche. Die Mehrheit der Menschen lehnt diese Politik ab. Diese Ablehnung speist sich nicht aus der Lektüre von Regierungsreden und Medien, die im Kern nur neoliberale Glaubenssätze wiederkäuen.
Diese Ablehnung speist sich aus der alltäglichen Erfahrung der Menschen mit dem praktischen Scheitern neoliberaler Politik. Vor 30 Jahren begann in Westdeutschland unter der Regierung Schmidt die neoliberale Periode. Seitdem wurde konstant versprochen, dass eine Verbesserung der „Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen“ zu mehr Investitionen und so zu mehr Arbeitsplätzen führe. Als mit dieser Politik begonnen wurde, gab es 2 Millionen Arbeitslose, jetzt sind es 5 Millionen. Unternehmen mit Rekordgewinnen kündigen Massenentlassungen an. Ebenso sehen die meisten Menschen, dass global die Kluft zwischen Arm und Reich größer wird oder dass Bushs Kriegsgründe Lügen gewesen sind.
Aus diesen Widersprüchen speisen sich Bewegungen. Da wir im großen Maßstab angegriffen werden, haben diese Bewegungen überwiegend defensiven Charakter: Gegen Sozialabbau, gegen Privatisierung, gegen Krieg, gegen eine ungerechte Weltwirtschaftsordnung.

Diese Bewegungen, auch wenn sie oft ihr Ziel nicht erreichen, sind im Zeitalter des Neoliberalismus die einzige politische Kraft gewesen, die im Abwehrkampf gegen den neoliberalen Angriff Erfolge oder zumindest Teilerfolge erzielt haben. Die Proteste gegen die WTO-Konferenz in Seattle haben, kombiniert mit einem Aufstand der ärmeren Länder, die Verhandlungen der Welthandelsorganisation zum Entgleisen gebracht und so den Ärmsten der Armen zumindest eine Atempause verschafft. In Frankreich scheitern wechselnde Regierungen seit dem großen Streik 1995 aufgrund beständiger Mobilisierungen bei der Durchsetzung neoliberaler Reformen. Das Nein zur EU-Verfassung hat den Neoliberalen in ganz Europa einen harten Schlag versetzt.

Diese neueren Erfahrungen decken sich mit den historischen Erfahrungen des Verhältnisses von Bewegungen und Reformpolitik. Hinter jeder Reform steht eine Revolution oder Bewegung oder die Angst von einer Revolution oder Bewegung. Nie wurden Zugeständnisse der Herrschenden an die Bevölkerung gnädig heruntergereicht.
Bismarck legte die Grundlagen des Sozialstaats, um der erstarkenden sozialdemokratischen Arbeiterbewegung das Wasser abzugraben. Das allgemeine Wahlrecht ist eine Errungenschaft der Revolution 1918.
Die volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurde durch Metallarbeiter in Schleswig-Holstein in einem 17-wöchigen Streik vom Oktober 1956 bis zum Februar 1957 erstreikt – und im Jahre 1997 ebenso durch einen Streik erfolgreich von Metallern in der Automobilindustrie gegen Angriffe der Kohl-Regierung verteidigt. Die Expansion und Öffnung des Bildungswesens für Arbeiterkinder, und zwar weit über die Absichten der Herrschenden hinaus, war ein Erfolg der 68er-Bewegung.

Aus diesen Gründen können Bewegungen, insbesondere die Gewerkschaftsbewegung, nicht nur „potentieller Partner“ oder gar ein austauschbarer Schenkel in einem „strategischen Dreieck“ sein – sie müssen Dreh- und Angelpunkt jeder linken Strategie sein, die an sich ernsthaft den Anspruch stellt, den neoliberalen Angriff abzuwehren oder gar positive Reformen gegen den erbitterten Widerstand der Herrschenden durchzusetzen.
Dies gilt heute besonders, wo der neoliberale Angriff ist eine Reaktion auf die Rückkehr der wirtschaftlichen Krise in den 70er-Jahren nach dem langen Nachkriegsboom ist.
Deshalb ist heutzutage ein unheimlich großer Druck von unten notwendig, allein um Verschlechterungen abzuwehren.
Angesichts dieser großen Aufgaben muss sich die Linke im Verhältnis zu Bewegungen immer selbst kritisch anschauen und fragen: Nützen wir den Bewegungen, bauen wir sie mit auf? Fördern wir die Selbstaktivität von Menschen? Helfen wir bei der politischen Klärung, mit Gegenargumenten zur neoliberalen Propaganda?

Eine linke Partei hat machtvolle Instrumente, diese Aufgabe zu bewältigen: Ihre Präsenz im Parlament und in der Presse verschaffen ihr eine große Bühne für anti-neoliberale Propaganda. Ihre Strukturen ermöglichen sowohl Debatten und die Entwicklung von Positionen als auch praktische Mobilisierungen. Ihre finanziellen Ressourcen gehen weit über das hinaus, was Bündnissen oder spontanen Bewegungen zur Verfügung steht. Sie kann organisiert in die Gewerkschaftsbewegung hineinwirken und dort die SPD herausfordern.
All diese Instrumente kann eine linke Partei zum Wohle des Aufbaus und der Stärkung einer Bewegung einsetzen, ohne in der Regierung zu sein.
Was für einen zusätzlichen positiven Beitrag zum Aufbau einer Bewegung von unten gegen Neoliberalismus leistet in der jetzigen Situation eine Regierungsbeteiligung?

Hinter der Erfahrung mit der Regierungsbeteiligung der Linkspartei steht ein grundsätzliches Problem: Keine Regierung wird linke Politik ausgehend vom Parlament durchsetzen können. Die Programmatik der Linkspartei widerspricht allem, was die deutschen und ausländischen Unternehmen wollen und die neoliberalen Medien propagieren. Sie werden alles tun, um die neue Regierung zu einem Kurswechsel zu zwingen oder aus dem Amt zu pressen.
Ihre Möglichkeiten sind vielfältig: Hetzkampagnen in der Presse, ein Investitionsboykott, aufeinander abgestimmte Massenentlassungen und Standortverlagerungen, Spekulation gegen deutsche Staatsanleihen. Oskar Lafontaine selbst hat 1999 nach einer solchen Kampagne gegen ihn aufgegeben. Es gibt kein einziges historisches Beispiel, wo eine Regierung diesem Druck standgehalten hätte. Deshalb kapitulieren die meisten Parteien schon im Vorfeld vor der geballten Macht der Herrschenden – zum Beispiel auch der ehemalige Arbeiterführer und jetzige Präsident Brasiliens Lula, der soziale Reformen versprach und jetzt das Spardiktat des Internationalen Währungsfonds umsetzt.

Eine linke Regierung kann wirkliche Verbesserungen nur unter einer Bedingung durchsetzen: Wenn die Bosse wegen einer starken Bewegung von unten, Massendemonstrationen und Generalstreiks, fürchten müssen, ihre Macht in den Betrieben zu verlieren. Das wäre die Situation bei einer sich zusammenbrauenden Revolution – einer Erhebung der ungeheuren Mehrheit der Bevölkerung gegen die Herrschaft der bürgerlichen Eliten, die eine Ausweitung der Demokratie auf alle Bereiche der Gesellschaft zum Ziel hat.
Diese Situation haben wir in Deutschland nicht, und deshalb sind Regierungsbeteiligungen eine Sackgasse im Kampf gegen Neoliberalismus und für eine andere Welt.

Berlin, Juli 2006
Rückmeldungen und Rückfragen an: christine.buchholz@nospamweb.de

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