Partei ergreifen – eintreten für Arbeit und soziale Gerechtigkeit
Von Fritz Schmalzbauer
Die Weichen sind gestellt: Die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit und die PDS wird es ab Juli 2007 nicht mehr geben. Die bisherigen Mitgliedschaften werden sich, Parteitagsbeschlüsse und Urabstimmungen vorausgesetzt, in der Partei „die Linke.“ wieder finden. Außerdem soll in diesem Rahmen eine neue Mitgliedschaft erschlossen werden. Grundlagen sind ein Parteiprogramm (die Eckpunkte stehen jetzt zur Diskussion), eine Satzung, eine Finanzordnung und eine dem „Westen“ vorteilhafte Übergangsregelung zu Delegiertenmandaten der neuen Partei. Formal, das zeigen das „Morlok-Gutachten“ und die Einschätzung aller ernst zu nehmenden Kräfte, ist der Weg einer Fusion zweier Vereinsstrukturen der Garant, dass die wahlrechtlichen und fiskalischen Ansprüche beider Parteien erhalten bleiben. Die Parteien werden sich als e.V. eintragen lassen, die Rechte und die Pflichten der Mitglieder gehen auf die Partei „die Linke“ über. (Niemand braucht also irgendwo „eintreten“).
Die Idee der WASG
Tatsächlich entstand die WASG nicht als linke Partei, sondern als wahlpolitische Plattform mit dem Ziel, möglichst vielen Menschen, die mit der bisherigen Politik der Parteien (Demontage des Sozialstaates) nicht einverstanden waren, eine neue Perspektive zu eröffnen. Die Unschärfe der Initiatoren führte allerdings zur ersten Irritation: Während ein Teil mit Gewerkschaftern, fortschrittlichen Sozialdemokraten und kritischen Kräften aus anderen Parteien, Sozialverbänden und Kirchen eine solide Basis für die Wahlen 2006 schaffen wollte, steuerten andere eine „Partei neuen Typus“ als Sammelbecken linker Gruppierungen an, die sie sich im Verein mit der Wahlalternative 2006 erhofften.
Damit war der ursprünglich erfolgreiche Ansatz bereits relativiert. Klaus Ernst warnte zum Beispiel vor einer „Sammlungsbewegung“, in der jeder den Inhalt seines „eigenen Rucksacks“ hineinkippt, ohne auf die Verankerung in der Zivilgesellschaft (Betriebsräte, Gewerkschafter, Kirchenleute, kritische Kräfte in den Parteien) zu achten. Die Öffnung zu einer diffusen Bewegung, so die Befürchtung, stoße genau diese Kräfte ab. Tatsächlich begann die WASG auf einem Niveau von 12000 Mitgliedern zu stagnieren.
Die Wahlen in NRW
Entgegen der ursprünglichen Zielsetzung beugte sich der WASG-Bundesvorstand dem Druck der schnell „gesammelten“ Kräfte in NRW, sich bereits an den dortigen Landtagswahlen zu beteiligen. Die gleichzeitig angetretene PDS wurde bei diesen Wahlen als chancenlose Außenseiterpartei distanziert. Das angesichts der kurzen Vorlaufzeit – die WASG war gerade gegründet – respektable Ergebnis der neuen Partei in NRW blieb einerseits hinter den Erwartungen zurück, forderte aber die finanziellen und organisatorischen Ressourcen der Partei in einer Weise, die ein eigenständiges Antreten zu den Bundestagswahlen, nunmehr von Schröder auf 2005 vorgezogen, erheblich erschwerte.
Offene Listen der PDS
In dieser Situation erschien ein Artikel von Brie, man könne ja auf offenen Listen der PDS kandidieren. Angesichts leerer Kassen und dem gescheiterten Aufbau einer nennenswerten WASG im Osten war es nunmehr äußerst fragwürdig, bei den vorgezogenen Bundestagswahlen den Schwung des „Neuen“ bis ins Parlament zu tragen. Lafontaine und Gysi hatten dies erkannt und forderten einerseits die PDS zu einem Namenswechsel und zu einem Versprechen der Parteineubildung auf, erwarteten aber andererseits die Bereitschaft der WASG-Mitglieder, auf den Listen einer programmatisch sozialistischen Partei zu kandidieren und sich bei den Aufstellungskonferenzen deren Zufallsmehrheiten in den Westländern zu unterwerfen.
Die PDS bekam nun in den alten Bundesländern die Möglichkeit, sich als Linkspartei mit neuen, in den Gewerkschaften verankerten Kräften ein verändertes Profil zu geben. Diese Chance wurde in sehr unterschiedlicher Weise genutzt. In Bayern und Bremen beließ man es zum Beispiel trotz des ausdrücklichen Wunsches des künftigen Partners bei dem Nachsatz PDS. Jedem wurde klar, dass die Einsicht in die neue Notwendigkeit zwar die Spitzen, keinesfalls aber die Breite der PDS (West) erfasst hatte. (In der WASG fand eine Urabstimmung statt, die eine Mehrheit für dieses Vorgehen und für eine neue gesamtdeutsche Partei ergab). Zugleich wurde die Perspektive einer neuen, zivilgesellschaftlich breit angelegten Wahlplattform auf ein „linkes“ Projekt eingeengt. Von ursprünglich über 16% der Bundesbürger reduzierte sich die tatsächliche Wahlzustimmung auf 8,4% - erheblich mehr, als unter unveränderten Bedingungen zu erwarten war, aber weniger, als angesichts der politischen und sozialökonomischen Rahmenbedingungen möglich gewesen wäre.
Eckpunkte eines Parteiprogrammes
Die so entstandene Bundestagsfraktion wies den nunmehr einzig vernünftigen und machbaren Weg: Im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung muss eine gesamtdeutsche Partei entstehen, die einerseits von denen, die durch die neoliberale Politik belastet sind, andererseits von den aufgeklärten humanistischen Kräften in der Gesellschaft als anerkannte und wählbare Alternative akzeptiert wird. Dies kann nur mit einem neuen Politikansatz gelingen, der unterschiedliche kritische Zugänge ermöglicht. Daher sind die programmatischen Eckpunkte auch kein Brevier, in dem man sich in Radikalismen übt, sondern ein Kompromiss verschiedener Sichtweisen und Perspektiven.
Die gemeinsamen Ziele beziehen sich auf eine humane, friedliche und selbst bestimmte Gesellschaft. Dabei sind konkrete Schritte in der politischen Tagesarbeit ebenso wichtig wie Überlegungen und Perspektiven, die über die bedrückende Situation der gegenwärtigen Gesellschaft hinausweisen. Sorgfältig soll darauf geachtet werden, dass Wort und Tat in Übereinklang sind. Wenn – wie bei den Privatisierungsorgien städtischer Wohnungen in Dresden – dagegen eklatant verstoßen wird, muss die Partei gegensteuern.
Demokratischer Sozialismus
Sozialdemokraten und PDS-Mitgliedern ist die Forderung nach dem demokratischen Sozialismus vertraut. Er wird auch in den neuen Eckpunkten benannt, nämlich als eine der möglichen Zukunftsbeschreibungen. Die Erfahrung, dass eine Zielbeschreibung leicht zum Alibi für ein durchaus unterschiedliches und angepasstes Verhalten werden kann, macht viele engagierte Demokraten skeptisch – daher bleibt offen, wie die Befreiung der Herrschaft von Menschen über Menschen „verbindlich“ bezeichnet wird. Entscheidend ist die gemeinsame Erkenntnis, dass die gegenwärtigen Verhältnisse für viele Menschen eine Fessel sind – ökonomisch, sozial und kulturell. Es gilt, sie zu sprengen: Freiheit ist ohne Gleichheit und Solidarität nicht möglich. Das gilt im Betrieb, in den Schulen und Hochschulen, in der Familie, in Notlagen, für schutzlose Kinder ebenso wie für ältere Menschen, die ein Leben in Würde verdient haben.
Das „Neue“ der Partei
Das Neue an der Partei „die Linke.“ wird also vernünftigerweise sein, dass sie in der Theorie undogmatisch, in der Praxis berechenbar ist. Das Argument, man könne nicht hinter sozialdemokratische und sozialistische Parteien in der Zielbestimmung zurückfallen, zieht nicht: Wer sich der nützlichen Instrumente der Marx’schen Gesellschaftsanalyse bedient, wer über den kurzsichtigen Horizont einer ausschließlich profitorientierten Gesellschaft hinausweist, soll in der Partei ebenso seinen Platz haben wie empörte Demokraten, die sich gegen aktuelle gesellschaftliche Verwerfungen stemmen. Vor allem: Die Signale müssen von der Mehrheit der Bevölkerung als Wahrnehmung der eigenen Interessen aufgenommen werden, Interessen, die weder in der Ökonomie noch in der Politik hinreichend vertreten werden.
Zusammenfassend: Die WASG hat denen, die sich ihr angeschlossen haben, je nach Standpunkt mehrere Paradigmenwechsel zugemutet: Von einer parlamentarischen Protestplattform mit neokeynsianischen Ansätzen bis zur Parteibildung einer neuen Linken ist eine große Differenz. Die Frage ist, ob damit eine kontinuierliche gesamtdeutsche Bewegung links von den etablierten Parteien eine gesellschaftliche Basis findet. Die Praxis wird es zeigen.