Lieber ein klares Profil als Regierungsämter
von Herbert Schui
Der Berliner Streit zwischen WASG und PDS bleibt Episode, wenn sich beide darauf konzentrieren, ein neues linkes Programm zu entwerfen Eines sollte den Mitgliedern der Linkspartei PDS und der WASG gleichermaßen klar sein: Auf sich gestellt, hat keine der beiden Parteien eine solide Chance, bei künftigen Wahlen fünf Prozent zu erreichen. Es führt also kein Weg an der Gründung einer neuen, geeinten Linken vorbei. Gefühlsaufwallungen können hintangestellt werden.
Das Projekt würde jedoch behindert, wenn die WASG bei den Landtagswahlen in Berlin gegen die – an der dortigen Regierung beteiligte – Linkspartei anträte. Ein solcher Wahlkampf würde sich nicht nur auf die kritisierenswerten Seiten der Politik des Berliner Senats beschränken. Nach der Wahl müsste daher viel Zeit darauf verwendet werden, wieder zu nüchternen Verkehrsformen zurückzufinden.
Hinzu kommt die bekannte rechtliche Frage: Welche Folgen hat es, wenn beide Parteien bei Landtagswahlen gegeneinander antreten, im Bundestag aber eine Fraktion bilden? In jedem Falle gilt: Zur Bundestagswahl (spätestens) 2009 müssen beide gemeinsam antreten und eine glaubwürdige, geeinte Kraft sein.
Sicher gibt es Grund für Kritik an der Berliner Regierung. Die Strategie, dieser Kritik durch einen eigenständigen Wahlantritt zur Geltung zu verhelfen, verfehlt aber ihr Ziel.
Das Wahlergebnis wird dies zeigen: Die letzte Emnid-Prognose gibt der Linkspartei 13 und der WASG drei Prozent. Damit verliert die Linkspartei zehn Prozentpunkte. Die SPD dagegen verbessert sich von 30 auf 36 Prozent. Wenn dies eintritt, ist eine Fortsetzung der Koalition nicht mehr wahrscheinlich.
Die Gesamtlinke, die sich formieren muss, wird einen solchen Wahlausgang nicht mit so genannten Vermittlungsproblemen erklären, wie dies unter der Regierung Schröder Brauch der SPD war. Sie wird ihn als ein vernünftiges und durchdachtes Urteil der Wählerschaft anerkennen und nicht mit Stimmungsschwankungen erklären.
Denn allzu überzeugend kann eine Partei nicht sein, die sich an einer Regierung beteiligt, um das Schlimmste zu verhindern. So schließlich rechtfertigt die SPD auf Streikveranstaltungen von Verdi die große Koalition mit der CDU/CSU. Schon das überzeugt die Zuhörer nicht. Noch weniger Strahlkraft dürfte das Argument haben, die Linkspartei verhindere in Berlin in der Koalition mit der SPD das Schlimmste. Eine andere Möglichkeit ist, Widerstand außerhalb des Parlaments zu organisieren. Einer Regierungspartei aber sind da die Hände gebunden.
Kein Verkauf von Staatseigentum
Auf dem Bundesparteitag der WASG hat die Mehrheit beschlossen, mit administrativen Mitteln einen eigenständigen Antritt der WASG in Berlin zu verhindern. Das war ein Akt der Vernunft, Begeisterung war nicht im Spiel. Aber dieser Beschluss bedeutet nicht, dass sie die Kritik an der Berliner Politik nun einfach trotzkistischen Gruppen und ehemaligen PDS-Mitgliedern überlassen will. Dass in solchen Konflikten der Ehrgeiz mit dem einen oder anderen Bundesvorständler durchgeht und es zu Rücktritten kommt, überrascht nicht. Dieser Gruppe, die ein oppositionelles Netzwerk angekündigt hat, wird aber der Schwung fehlen, der nötig ist, die WASG zu einen, zu einem starken Verhandlungspartner der Linkspartei zu machen und die Fünf-Prozent-Frage zu lösen. Denn die Kritiker weichen vor Konflikten aus. Das Rücktrittsargument war, dass man diesen Beschluss „nicht tragen könne“.
Das politische Programm der vereinten Linken ist noch zu schreiben. Es wird sich auf eine volkswirtschaftliche Verteilung zu Gunsten des Sozialstaats und der Masseneinkommen festlegen müssen und darauf, öffentliches Eigentum nicht zu verkaufen, sondern Privatisierungen wieder rückgängig zu machen. Wenn dieses Programm zustande kommt, wenn diese Positionen auch im Berliner Wahlkampf vertreten werden, dann wird der Berliner Konflikt zu einer kurzen Episode werden.