Doppelmitgliedschaft von Gysi und Lafontaine ist positives Signal für Parteibildung
von Klaus Ernst
Die WASG hatte nach kontroverser Diskussion in ihrer Entstehungsphase Doppelmitgliedschaften ausdrücklich zugelassen, um möglichst vielen Menschen die Gelegenheit zu geben, sich für soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung einzusetzen, ohne dass sie sofort ihre bisherige politische Heimat aufgeben müssen.
Wir haben uns damit gerade auch von der Sozialdemokratie unterschieden, die denen, die im Sinne der ursprünglichen Ziele der SPD weiter Politik machen wollten, den Stuhl vor die Tür gesetzt hat. Ganz in diesem Sinne verstehe ich die Doppelmitgliedschaften von Gregor Gysi und Oskar Lafontaine in WASG und Linkspartei als Bereicherung für beide Parteien und als politisches Signal für die Fortsetzung des Parteibildungsprozesses. Beiden ist es ernst damit, eine neue Linke in ganz Deutschland zu entwickeln. Daraus einen Beweis für die These zu konstruieren, der Parteibildungsprozess würde ohne die Basis bzw. an ihr vorbei von den Parteiführungen durchgedrückt, ist nicht nur abwegig, sondern böswillig.
Weder Gysi noch Lafontaine haben in ihren Parteien eine Funktion, sie können also von "oben" in ihren Parteien gar nichts durchsetzen. Ihre Doppelmitgliedschaft ist allerdings ein positives Signal an die beiden Parteien und an die Wähler, dass unser Projekt vorangetrieben wird und das Ergebnis der Bundestagswahl keine Eintagsfliege war.
Die Mitglieder beider Parteien und viele Interessierte aus sozialen Bewegungen, Verbänden und Initiativen werden im Jahr 2006 in breiter Debatte die programmatischen, strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen für die Parteibildung schaffen. Eingeleitet wurde der Prozess in der WASG mit dem demokratischsten aller Mittel, das es in Parteien gibt - in einer Urabstimmung, an der übrigens viele der Mitglieder, die inspiriert von Oskar Lafontaines Idee einer neuen Linken in den letzten Monaten in die WASG eingetreten sind, noch gar nicht teilgenommen hatten.
Denjenigen, die permanent über die vermeintlichen Gefahren eines angeblichen Top-Down-Prozesses reden, kann ich nur empfehlen, sich an den öffentlichen Diskussionen über das Programm und die Positionierung der neuen Linken zu beteiligen.
Teufel wie Masseneintritte von vermeintlichen Gegnern, freundliche Übernahmen oder dergleichen, werden auch nicht dadurch lebendig, indem man sie beständig an die Wand malt. Es gibt sie nicht. Es ist erklärter Wille des Bundesvorstandes der WASG und Beschlusslage des Länderrats sowie Bestandteil der Vereinbarungen mit der Linkspartei, dass Urabstimmungen der Mitglieder beider Parteien letztlich über den Parteibildungsprozess entscheiden. Gregor Gysi und Oskar Lafontaine haben ihre Doppelmitgliedschaften u.a. damit begründet, dass das Vertrauen, das über vier Millionen Wählerinnen und Wähler bei den Bundestagswahlen in die neue Linke gesetzt haben, nicht enttäuscht werden darf und dass die Linke von Mecklenburg-Vorpommern bis Baden-Württemberg in der Pflicht sei, den begonnenen gemeinsamen Weg fortzusetzen und die Chance für politische Alternativen zur Beteiligung an völkerrechtswidrigen Kriegen, zu Neoliberalismus, wirtschaftlichem Stillstand und Sozialabbau in Deutschland zu nutzen. Genau das sollten wir nun in den Mittelpunkt des Parteibildungsprozesses stellen.